»Das ist übrigens wirklich fast passiert«, warf Jim ein. »Mr Havili, ich kann es mir nicht leisten, auf diesen Mann zu verzichten. Er macht buchstäblich ein Drittel unseres Umsatzes aus. Das ist einer der Gründe, warum ich bei ihm so viele Ausnahmen mache – das und die Tatsache, dass ich weiß, dass er für das meiste gar nichts kann. Wir würden Sie auch nicht sofort als seinen Partner einstellen, sondern für den ausgeschriebenen Beraterjob. Trotzdem hätten wir gerne, dass Sie versuchen, mit ihm zusammenzuarbeiten. Wenn Sie vierzig Stunden pro Woche miteinander zurechtkommen, bleiben wir dabei. Wenn nicht, nehmen Sie die Stelle, wegen der Sie eigentlich hier sind. Sie beziehen ein Gehalt von sechzigtausend Dollar im Jahr, es gibt Sozialleistungen und zwei Wochen Urlaub. Möchten Sie den Job annehmen?«
Donovan sah mich unverwandt an, als er antwortete: »Ja, Sir, das will ich.«
»Ausgezeichnet.« Jim atmete erleichtert auf. »Jon, Sie stellen ihn allen vor. Ich kümmere mich um den Vertrag.«
»Na klar.« Ich sprang auf, wandte mich um und wartete, bis er mich eingeholt hatte. Meine Güte, er war wirklich groß. Ich maß schon fast eins fünfundachtzig, aber ich reichte dem Mann kaum bis zum Kinn. Das musste sein Tonga-Blut sein. Ich zupfte meine Weste glatt und bedeutete ihm, mir zu folgen. Dann fragte ich leise: »Nur so aus Interesse: Haben eigentlich immer alle erst mal Angst vor dir?«
»Ja, schon«, seufzte er resigniert. »Die meisten sind total eingeschüchtert von mir.«
»Ist ja beneidenswert. Bei mir ist das genau umgekehrt«, scherzte ich, in dem Versuch, die Stimmung etwas aufzulockern. Als hellhäutiger, schlanker, blonder Mann wirkte ich alles andere als Furcht einflößend. Jedenfalls bis ich den Mund aufmachte und anfing, unangenehme Wahrheiten von mir zu geben. Aber auf der Straße gingen die meisten Menschen an mir vorbei, ohne mich groß zu beachten. »Mach dir keine Sorgen wegen der Kollegen. Sie sind vielleicht erst mal unsicher, aber sie sind einiges gewohnt. Die haben sogar mich aufgenommen.«
Er schien nicht überzeugt, aber er nickte gutmütig.
Vor der überfüllten Kaffee-Ecke blieb ich stehen und lächelte die anderen an, während ich auf den Zehenspitzen wippte. »So, Leute. Ich möchte euch meinen neuen Partner vorstellen, Donovan Havili. Er sieht gefährlich aus, aber in Wirklichkeit ist er ein großer Teddybär.«
»Das bin ich, der große braune Teddybär«, stimmte Havili mit einem Funken Humor zu.
Die Teammitglieder starrten mich mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Verblüffung an, alle bis auf Carol, die selbstzufrieden wirkte und mit ausgestreckter Hand vortrat. »Schön, dich kennenzulernen, Donovan. Ich bin Carol Palmer, das andere Medium in diesem Laden. Oh, was für eine sympathische Aura – ich sehe schon, wir werden super klarkommen. Das hier ist Sharon, meine Schwester und mein Anker. Sie macht Buchhaltung und juristischen Kram. Die charmante, geduldige Frau zu meiner Linken ist Marcy, unsere Mitarbeiterin am Empfang, und der harte Kerl da drüben ist Tyson, unser Kriminalberater. Und unser IT-Spezialist Sho springt auch noch irgendwo herum, den müssen wir dir dann später vorstellen.«
Wahrscheinlich spürte er, dass es nicht gut ankommen würde, den anderen die Hand zu schütteln, also versuchte Donovan es gar nicht erst, sondern nickte und lächelte in die Runde. »Hallo zusammen.«
Die anderen drei nickten zögernd, dann starrten sie wieder mich an, als wäre ich ein Doppelgänger oder Klon. Das war ich gewohnt, also störte ich mich nicht weiter daran. »Komm, Donovan, wir setzen uns kurz in mein Büro. Ich erkläre dir, wie wir arbeiten. Und dann können wir gleich losziehen und uns um einen der Jobs kümmern, die heute Morgen anstehen.«
»Na klar.« Er folgte mir auf leisen Sohlen wie ein Bodyguard in Aktion. Im Ernst, seine Schritte waren kaum zu hören, was für einen Mann seiner Größe wirklich beeindruckend war.
Ich fühlte seinen Blick durchdringend und forschend auf mir ruhen und musste einen Schauer unterdrücken. Es machte mich etwas nervös, so angestarrt zu werden, selbst von einem Mann wie ihm. Besser gesagt, ganz besonders von einem Mann wie ihm.
In meinem Büro befand sich eigentlich nichts, was so funktionierte, wie man es von modernen Büros gewohnt ist. Es gab zwei bis zum Anschlag vollgestopfte Bücherregale, zwei Schreibtische, diverse Ordner und Fallakten, außerdem vier Stühle, zwei davon für Besucher. Ich zeigte auf den zweiten Schreibtisch. »Das da ist deiner. Du kannst gerne Computer und all so was installieren, aber lass mich bloß nicht in die Nähe, sonst sind deine Geräte in fünf Sekunden Toast.«
»Ernsthaft? Bist du so was wie Elektra?«
»Comic-Referenz, sehr schön«, lobte ich. »Marvel oder DC?«
Donovan grinste mich an und setzte sich auf seinen neuen Bürostuhl, dessen Kunststoffteile leise ächzten.
»Eher Marvel. Trotzdem ist und bleibt mein absoluter Favorit Green Lantern.«
»Ja? Für ihn und Batman hatte ich auch schon immer etwas übrig. Wir werden uns noch viel über Comics unterhalten, so viel kann ich dir versprechen. Aber ja, ich meine es wirklich ernst. Ich darf auf gar keinen Fall in die Nähe von Elektronik kommen. Mein Auto hat einen EMP-Schutz um den Motor und das Cockpit. Damit kann ich fahren – aber bitte versuch gar nicht erst, mich in etwas anderem abzuholen.«
»Verstehe. Muss ja ziemlich schwierig sein.«
»Es ist superschwierig.« Mittlerweile war ich so resigniert, dass ich nur noch die Achseln zuckte. »Ich muss wohl in die falsche Zeit hineingeboren worden sein. Oder vielleicht auch nicht. Vor ein paar Hundert Jahren wäre ich wahrscheinlich noch auf dem Scheiterhaufen gelandet. Na ja, jedenfalls würde ich draußen gerne alles, was mit Elektronik zu tun hat, dir überlassen, okay?«
»Roger. Kannst du mal erklären, was genau du eigentlich tust?«
»Für die Polizei arbeite ich hauptsächlich als Profiler, aber es kommen auch andere Fälle rein. Vermisste, Mord, Betrug. Bei Betrugsfällen setzen sie mich besonders gerne ein, wenn jemand mit übernatürlichen Fähigkeiten involviert ist, weil ich die Betrüger sofort von den tatsächlich Begabten unterscheiden kann. Was nicht allen klar ist, ist, dass ich nur lebende Menschen lesen kann – ich nehme keinen Kontakt zum Jenseits auf oder so. Außerdem nutzt die Polizei mich gerne als Lügendetektor.«
»Was ist mit Tieren?«
»Das ist schwieriger«, gab ich offen zu und setzte mich mit einer Pobacke auf meinen Schreibtisch. Es fühlte sich komisch an, zu stehen, wenn Donovan saß. »Manche Dinge kann ich sehen. Aber für meine Fähigkeiten gibt es keine Ausbildung. Vieles, was ich weiß, beruht einfach auf Erfahrung, manchmal sind es gut begründete Vermutungen, so in der Art läuft es. Ich habe mich hauptsächlich mit Menschen beschäftigt, Tiere sind eher zweitrangig.«
»Alles klar.« Donovan lehnte sich zurück, was der Stuhl mit einem leisen Knarzen quittierte. Ein stabilerer Bürostuhl musste her, das lag auf der Hand, denn dieser hier würde es nicht lange machen. »Und wie oft wird auf dich geschossen?«
»Nicht besonders oft«, beruhigte ich ihn und versuchte ein schiefes Lächeln. »Meistens wollen die Leute mich eher verprügeln oder gehen mit dem Messer auf mich los.«
Donovan sah mich an wie jemand, der auf die Pointe wartet. »Ehrlich jetzt? So was ist an der Tagesordnung?«
Ich rieb mir den Hinterkopf und bemühte mich um eine Erklärung: »Na ja, es ist ja auch irgendwie verständlich. Die meisten Leute würden das auch nicht so cool nehmen wie du, was ich vorhin im Vorstellungsgespräch gemacht habe. Sie würden eher wütend oder eingeschnappt reagieren. Und wenn ein Krimineller denkt, dass er keine Geheimnisse