Schriften in deutscher Übersetzung. Plotin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Plotin
Издательство: Bookwire
Серия: Philosophische Bibliothek
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783787339341
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das Bild der Idee sichtbar, sondern vielmehr so, daß die Materie von allen Seiten her gleichsam die Idee anfaßt (und doch wieder nicht anfaßt) und dadurch in ihrem ganzen Bestande durch diese Annäherung von der Idee empfängt, soviel sie, da nichts dazwischensteht, von ihr zu fassen vermag, wobei die Idee nicht die ganze Materie durchdringt und umspielt, sondern in sich selbst verharrt. Denn wenn z. B. die Idee des Feuers nicht in der Materie ist – die den Elementen als Unterlage dienende Materie soll unserer Untersuchung als Beispiel dienen –, dann kann klärlich das Feuer an sich, eben da es nicht in die Materie eingetreten ist, der in feurigen Zustand versetzten Materie in ihrer gesamten Ausdehnung die Gestalt des Feuers darbieten (wir machen zur Voraussetzung, daß das zuerst an die Materie sich bindende Feuer eine weitausgedehnte Masse darstellt). Und dieselbe Erwägung gilt für die übrigen sogenannten Elemente. Wenn nun jenes Eine Feuer in allen den einzelnen Feuern beobachtet wird, ein Abbild von sich darbietend, so wird es, angenommen es sei auch örtlich getrennt, dies darbieten wie die Belichtung, die bei den sinnlichen Dingen sichtbar wird; denn dieses ganze sichtbare Feuer dürfte nunmehr irgend an einem Orte sein, wenn es als solches im Ganzen eine Vielheit ist (während seine Idee für sich im Unörtlichen verharrt), nachdem es selber die Örter aus sich erzeugt hat. Denn sonst müßte das Identische, indem es zur Vielheit würde, sein eigenes Sein verlassen, damit es so Vielheit gäbe, die immer wieder an dem Nämlichen teilhaben könnte. So gibt die Idee kein Stück von sich an die Materie hin, denn sie bleibt unzerstreut; wohl aber ist sie imstande, indem sie Eines ist, das Nichteine mit ihrer Einheit zu formen und jedem Stück von ihm derart beizuwohnen, daß sie nicht mit ihrem einen Teile dieses, mit dem andern jenes Stück formt, sondern jedes einzelne mit ihrer Ganzheit und als ganze. Denn es wäre ja lächerlich, viele Ideen des Feuers in Vorschlag zu bringen, damit dies einzelne Feuer von der einen, jenes von einer andern gestaltet werden könnte; denn so würden sich endlos viele Ideen ergeben; wie wollte man ferner die Ideen auf das Werdende verteilen, wenn es nur ein zusammenhängendes Feuer gibt? Auch in dem Falle, daß wir diesem Stück Materie hier noch weiteres Feuer hinzutreten lassen, indem wir das Feuer sich vergrößern lassen, so müssen wir doch sagen, daß auch an diesem neuen Stück Materie dieselbe Idee dasselbe bewirkt; denn eine andere könnte es ja garnicht.

      [9]Wenn nun also einer alle Elemente, nachdem sie bereits entstanden sind, in Gedanken zu einer Kugelgestalt zusammenfaßte, so darf man diese Kugel nicht auf viele Urheber zurückführen, indem sich jeder stückweise etwas abschnitte, um einen Teil herzustellen, sondern Eines muß die Ursache dieser Hervorbringung sein, welches mit sich als Ganzem hervorbringt, und nicht indem jeder Teil von ihm etwas anderes hervorbringt; denn dann wären es ja wieder viele Urheber, wenn man die Hervorbringung eben nicht auf ein Eines, ungeteilt Bleibendes zurückführt; oder vielmehr: wenn nicht ein Eines, ungeteilt Bleibendes das die Kugel Hervorbringende wirklich ist; wobei das Hervorbringende selber sich nicht in die Kugel ergießt, sondern die Kugel als Ganze mit dem Hervorbringenden verknüpft ist. So trägt und hält denn auch ein einheitliches Leben diese Kugel und die Kugel ihrerseits ist in dies einheitliche Leben hineingestellt; und die Dinge in der Kugel sind also alle zu einem einheitlichen Leben verknüpft. Dann sind aber auch alle Seelen eine Einzige, freilich in dem Sinne Einzige, daß diese Eine dabei doch grenzenlos ist. Weshalb auch manche die Seele Zahl genannt haben, andere wieder ihr Wesen als sich selbst vermehrende rationale Form bezeichneten; letztere kamen vielleicht dadurch auf diese Vorstellung, daß die Seele es bei nichts an sich fehlen läßt, sondern in ihrem Sein verharrend über alles hin zugegen ist, und wäre der Kosmos noch größer, würde ihr die Kraft nicht gebrechen, sich auch dann über alles zu erstrecken, oder vielmehr, daß der Kosmos in ihrer Ganzheit sei. Man muß also das ‘Vermehren’ nicht nach dem Wortlaut verstehen, sondern dahin, daß sie es überall nicht an sich fehlen läßt und dabei doch Eines ist. Denn ihr Eines ist derart, daß sich nicht sein Quantum abmessen läßt; das ist vielmehr das Kennzeichen der andern Wesenheit, welche die Einheit nur vortäuscht und erst durch Teilhabe als Eines in Erscheinung tritt. Was aber in Wahrheit Eines ist, das ist derart Eines, daß es nicht aus Vielen zusammengesetzt ist, auf daß dann, wenn irgend etwas von ihm fortgenommen würde, jene einheitliche Ganzheit dahin sei, noch durch Grenzen zerteilt, auf daß es dann, wenn die andern Dinge sich ihm einfügen, entweder kleiner würde, wenn jene zu groß sind, oder auch auseinanderreiße, wenn es zu allen Dingen hinabgehen will, und dann nicht mehr als Ganzes allen Dingen beiwohne, sondern nur mit seinen Teilen ihren Teilen, und dann schließlich, wie man zu sagen pflegt, garnicht mehr wisse, wo in aller Welt es sei, da es sich, als von sich selber losgerissen, nicht mehr zu einer geschlossenen Einheit zusammenfügen könnte. Wenn nun denn dieses Eine, das, von dem man die Einheit als Wesensbestimmung aussagen kann, wirklich und wahrhaftig Eines sein soll, so muß es sich als etwas herausstellen, das in gewissem Sinne sein eigenes Gegenteil, die Vielheit in seinem Vermögen hat; dadurch aber, daß es anderseits diese Vielheit nicht von außen hat, sondern als ein von ihm und aus ihm selber Kommendes, ist es wahrhaft Eines, und birgt in seiner Einheit das Unendlich- und Vielheit-Sein; ist es aber von solcher Beschaffenheit, so muß es überall als Ganzes in Erscheinung treten, indem es eine einheitliche rationale Form hat, die sich selbst umschließt, und diese umschließende Form darf ihrerseits an keiner Stelle von ihm getrennt sein, sondern muß überall in ihm dasein. Es ist also nicht in dem Sinne einem andern gehörig, daß es räumlich von sich getrennt wäre; denn es war vor allen Dingen, die im Raume sind, und es bedurfte in nichts der anderen, sondern sie bedürfen seiner, damit sie Sitz und Grundlage finden. Nehmen sie nun ihren Sitz ein, so können sie damit Jenes doch nicht fortziehen von seinem Sitzen in sich selber; denn würde Jenes Sitz erschüttert, so würden sie vernichtet, da ihre Basis und Stütze vernichtet wäre; und anderseits war Jenes nicht so närrisch, sich selbst von sich zu entfernen und so zu zerreißen, und wo es in sich selbst geborgen war, sich selber einem unsicheren Ort darzubieten, der seiner zur Erhaltung bedurfte.

      [10]So bleibt es denn brav in sich selber und tritt wohl nicht in ein anderes ein; und die übrigen Dinge hängen an ihm, gleich als hätten sie durch ihre Sehnsucht ausgefunden, wo Es ist. Das ist der ‘Eros, der vor der Türe wacht’, von außen immer beiwohnend dem Schönen und nach ihm trachtend und sich begnügend, wenn er so an ihm teil bekommt; hat ja auch der Liebhaber hier auf Erden so die Schönheit, indem er sie nicht empfängt, sondern umlagert. Jenes aber bleibt bei sich selber, und die vielen Liebhaber des Einen begehren Seiner ganz und haben Es ganz, wenn sie es so haben; denn das Ganze ist, wie geschrieben steht, das Ziel des Eros. Wie sollte nun Jenes nicht ihnen allen hinreichen, indem es verharrt? Eben darum, weil es verharrt, reicht es hin, und schön ist es, weil es für sie alle ein Ganzes ist. Ist doch auch das Denken für alle ein Ganzes; daher das Wort ‘Gemeinsam das Denken’, weil nicht das eine Denken hier, das andere dort ist; es wäre ja lächerlich, wenn das Denken gar des Raumes bedürfen sollte. Und zwar haben wir das Denken nicht so wie das Weiße, denn das Denken gehört keinem Körper an, sondern: wenn es denn eines und dasselbe sein muß, das ganz bei sich selber ist, so haben wir von dorther wahrhaft am Denken teil, nicht indem wir Teile von ihm bekommen, auch nicht indem du ein Ganzes und ich ein Ganzes bekommen und diese beiden voneinander losgerissen wären. Ein Abbild hiervon sind die Volksversammlungen und jede Begegnung, wo die Menschen im Nachdenken übereinkommen: für sich allein ist der einzelne ohne Kraft zum Denken, wenn aber ein jeder in der Versammlung, die dann wirklich eine ‘Über-Ein-Kunft’ ist, zu dem Einen beisteuert, so erzeugt er das Denken mit und deckt es auf. Welche Schranke soll es denn auch hindern, daß der Gedanke des einen und des andern an derselben Stelle sei? Beide sind beisammen, sie scheinen nur uns nicht beisammen zu sein; so wie wenn einer, der mit mehreren Fingern dasselbe Ding berührt, immer wieder ein anderes Ding zu berühren sich einbildete, oder ohne sie zu sehen mit mehreren Fingern immer wieder dieselbe Saite anschlüge. Ferner sollte man sich auch vor Augen halten, auf welche Weise wir mit unsern Seelen das Gute erfassen. Keineswegs erfasse ich ein anderes Gute und du ein anderes, sondern wir beide das nämliche, und dies nämliche nicht so, daß zu mir von ihm dieser Strom fließt und zu dir jener, so daß Jenes irgendwo droben schwebte und seine Ableger hier unten wären. Und es gibt sich das Gute dar den Empfängern, auf daß diese es wahrhaft empfangen können, nicht Fremden, sondern nur denen, die sein eigen sind. Denn die Gabe des Geistes duldet keinen Überbringer. Ist doch sogar bei den Körpern, die räumlichen Abstand voneinander haben, die Gabe des einen einem andern verwandt, und Gabe und Hervorbringung gehen auf dasselbe; schon das Körperreich des Alls wirkt und leidet in sich selber, und keine äußere Wirkung dringt in es hinein; wenn also schon bei