»Nein, danke. Schuster bleib bei deinen Leisten.«
»Trauriger Leisten, den Sie hier schlagen, Earp.«
»Vielleicht scheint Ihnen das nur so. So traurig ist er gar nicht. Außerdem müssen ja auch Männer da sein, die in diesem jungen Land für das Gesetz kämpfen.«
Der Mann von der texanischen Ölkompany lächelte überlegen.
»Ich glaube, das Öl ist wenigstens ebenso wichtig wie das Gesetz, Mr. Earp.«
»Ich möchte darüber nicht mit Ihnen streiten, Callagan.«
Wyatt erhob sich und deutete eine Verbeugung an.
Callagan war auch aufgestanden. Er hatte plötzlich ein dickes Geldscheinbündel in der linken Hand.
»Hören Sie, Earp. Das sind zweitausend. Zweitausend! Verstehen Sie?«
Der Marshal hatte auf einmal eine steile Falte zwischen den geschwungenen schwarzen Brauen stehen.
»Was soll das heißen?«
»Wir brauchen einen Bohrmeister drüben in Texas.«
»Ich habe Ihnen doch gesagt, daß der Job mich nicht interessiert.«
»Das ist nicht wichtig, Mr. Earp. Das Interesse kommt mit der Zeit.«
»Was soll ich mit dem Geld?«
»Das ist ein Vorschuß. Sie können ihn sofort nach der Vertragsunterzeichnung einstecken. Im Monat gibt es für den Bohrmeister Earp siebenhundert.«
»Siebenhundert Dollar! Das glauben Sie doch selbst nicht!«
»Ich würde es Ihnen sonst nicht sagen. Schließlich ist es nicht mein Geld, Marshal, sondern das der Company.«
Wyatt ließ sich auf den Stuhl nieder.
»Hören Sie, Callagan. Wenn die Company so verschwenderisch mit ihrem Geld ist, dann wird sie bald pleite sein. Bestellen Sie das meinethalber Ihrem Boß von mir.«
»Die Company ist nicht verschwenderisch mit ihrem Geld.«
»Siebenhundert für einen einzelnen Mann?«
»Nein, nicht für einen einzelnen Mann, sondern für Wyatt Earp.«
Der Marshal schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich nicht. Wie kommen Sie überhaupt auf mich?«
»Ich bin nicht selbst darauf gekommen. Fred McLean ist drauf gekommen.«
»Wer ist das?«
»Der Mann, dem das Bohrland gehört.«
»Und wo sitzt er?«
»Drüben in Texas.«
»Nun erzählen Sie mir nur noch, er hätte Sie hierher geschickt.«
»Allerdings. Ich war gestern in Tombstone und bin erst spät in der Nacht hier angekommen.«
»Dann verfügt die McLean Company über ausgezeichnete Reiter.«
Callagan nahm eine Zigarre aus einer feinen Ledertasche und bot auch dem Marshal eine an.
Der lehnte ab.
»Mr. Earp, ich habe den weiten Weg nicht gemacht, um mit einer Ablehnung zurückzukommen. Überlegen Sie es sich gut. Sie haben Zeit bis heute abend. Es ist ein großartiger Job. Und siebenhundert Dollar im Monat sind nicht zu verachten.«
»Aber das ist doch glatter Unfug!«
»Nein, es ist kein Unfug. Bei den Bohrarbeiten entstehen oft Streitereien und Unstimmigkeiten unter den Arbeitern. Earp, Sie sollen ja nicht irgendein Bohrmeister sein, sondern der Vormann gewissermaßen, der noch sechs andere Bohrmeister und hundert Arbeiter unter sich hat.
Ihr Name allein und Ihre Persönlichkeit würden genügen, um die Leute bei der Stange zu halten. Verstehen Sie?«
»Ja, ich verstehe jetzt. Aber…«
Wyatt schüttelte den Kopf. »Nein, Mr. Callagan. Sie haben den Weg umsonst gemacht. Es hat keinen Sinn. Ich bin Gesetzesmann und werde es auch bleiben.«
Er blickte versonnen durch das Fenster auf die Straße und fuhr fort: »Später einmal, wenn ich zehn oder zwanzig Jahre älter bin, dann werde ich drüben in Kalifornien ja vielleicht einmal selbst nach Öl bohren.«
Callagan schlug ein spöttisches Lachen an. »Bis dahin gibt es kein Öl mehr, Earp. Verlassen Sie sich darauf. Dann haben es Ihnen die anderen längst vor der Nase weggeschnappt. Und das hatte ich Ihnen noch sagen wollen: Wenn Sie erst Chief der Bohrmeister sind, und eine Weile bei der Company gearbeitet haben und der Besitzer der Felder Sie schätzengelernt hat, dann ist es nicht ausgeschlossen, daß er Sie zu seinem Partner macht. Dann verdienen Sie erst wirklich Geld. Überlegen Sie sich die Sache, Mr. Earp. Es ist doch eine Affenschande, daß Sie mit so ein paar Dollar im Monat herumlaufen und dafür Ihr Leben ständig riskieren. Ein Mann wie Sie müßte doch das Fünffache verdienen. Und das können Sie bei der Company, wenn Sie erst eine Weile dabei sind.«
Wyatt betrachtete den Mann, der ihm das seltsame Angebot gemacht hatte, forschend.
»Nein, Mr. Callagan, geben Sie es auf. Sie brauchen nicht bis heute abend zu warten. Es hat keinen Zweck. Ich bleibe, was ich bin.«
»Ich werde trotzdem warten, Marshal«, entgegnete Callagan und es war dem Missourier, als ob bei diesen Worten in die Augen des Ölmannes ein undurchsichtiges Grinsen trat.
In diesem Moment zog draußen auf der Straße ein Leichenzug vorüber.
Wyatt blickte hinaus und sah hinter dem Wagen, der den Sarg trug, die Frau des Posträubers Percy Farell gehen. Sonst begleitete den toten Outlaw niemand auf seiner letzten Reise.
Wyatt wandte sich an Callagan.
»Ich muß jetzt gehen, Mister. Leben Sie wohl. Und – ganz sicher werden Sie einen besseren Mann für den Job finden, als ich es je sein würde.«
»Das werde ich ganz sicher nicht«, entgegnete Callagan sofort.
Der Marshal ging hinaus und fragte einen Jungen, wie er zum Friedhof käme. Der Kleine erklärte ihm den Weg.
Der Boot Hill von Nogales lag auf einer buschbesetzten Anhöhe im Süden der Stadt.
Der Marshal hatte sie noch nicht ganz erreicht, als er einen Reiter von der Stadt her kommen sah. Wyatt blieb hinter einem der Büsche stehen und wartete, bis der Mann herangekommen war.
Es war Ike Clanton!
Wyatt beobachtete den Tombstoner Rancher verwundert. Was trieb diesen Mann nur immer in die Nähe von Friedhöfen?
Ike stieg vom Pferd, ließ die Zügelleinen fallen und wollte auf den Busch zugehen, hinter dem der Marshal stand.
Da trat Wyatt hinter den Zweigen hervor.
Ike blieb stehen.
»Sie sind auch hier?« Er hatte einen verstörten Ausdruck in den Augen, schien aber mehr verwundert als erschrocken den Marshal hier zu treffen.
Dann nahm er den Hut ab und wischte sich über die Stirn.
»Es wird langsam kälter«, sagte er leise, »man spürt schon den November.«
Wyatt deutete auf den Leichenzug, der jetzt die letzten Häuser hinter sich gelassen hatte. »Kannten Sie den Mann?«
Ike schüttelte den Kopf. »Nein.«
Als der Wagen nähergekommen war, blickte er zu dem düster wirkenden Gottesacker hinüber.
»Immer wenn ich einen Leichenzug sehe, muß ich an den Tag denken, an dem Billy…«
Der Marshal nickte. »Ja, ich weiß.«
Er mußte an den Tag denken, an dem sein Bruder Billy in Tombstone hinaus auf den Graveyard geführt worden war.
Ike