»Bedford!«, keuchte Cavor hinter mir.
Ich blickte zurück. »Was?«, sagte ich.
Er zeigte über die Kälber in die Höhe. »Weißes Licht!«, sagte er. »Wieder weißes Licht!«
Ich blickte hin und es war wirklich so: eine blasse weiße Spur von Zwielicht in dem ferneren Höhlendache. Das schien mir doppelte Kraft zu geben.
»Bleiben Sie nah«, sagte ich. Ein langer flacher Selenit blitzte aus dem Dunkel auf, quiekte und floh. Ich hielt an und gebot Cavor mit der Hand halt. Ich hing meine Jacke über das Hebeeisen, tauchte um den nächsten Leichnam, ließ Jacke und Stange fallen, zeigte mich und schoss zurück.
»Ssss – scht!«, kam ein einziger Pfeil. Wir waren nahe an den Seleniten, und sie standen in einem Haufen, breite, kurze und lange zusammen, und eine kleine Batterie ihrer Schussgeräte zeigte die Höhle hinab. Drei oder vier weitere Pfeile folgten dem ersten, und dann hörte ihr Feuern auf.
Ich steckte den Kopf hinaus und kam um Haaresbreite davon. Diesmal lockte ich ein Dutzend Schüsse oder mehr hervor, und ich hörte die Seleniten beim Schießen wie vor Aufregung rufen und zwitschern. Ich hob Jacke und Stange wieder auf.
»Jetzt!«, sagte ich und hielt die Jacke hinaus.
Ssss – sss –sss – ssst! In einem Moment war meine Jacke zu einem dichten Bart von Pfeilen geworden, und über der ganzen Leiche hinter uns zitterten sie. Im Nu zog ich die Stange aus der Jacke heraus, ließ die Jacke fallen – nach allem, was ich weiß, liegt sie noch da oben auf dem Mond – und stürmte auf sie los.
Eine Minute lang vielleicht war es ein Blutbad. Ich war zu wild, um Unterschiede zu machen, und die Seleniten waren wahrscheinlich zu erschreckt, um zu fliehen. Auf jeden Fall kämpften sie in keiner Weise gegen mich. Ich sah scharlach, wie man zu sagen pflegt. Ich erinnere mich, es war, als watete ich unter diesen ledrigen, dünnen Wesen, wie ein Mensch durch hohes Gras watet, und ich mähte und traf, erst rechts, dann links; klatsch, klatsch. Kleine feuchte Tropfen flogen umher. Ich trat auf Dinge, die zerbrachen, schrien und schlüpfrig wurden. Die Menge schien sich wie Wasser zu öffnen und zu schließen und zu strömen. Sie schienen keinerlei gemeinsamen Plan zu haben. Mich umflogen Speere; einer streifte mich am Ohr. Einmal wurde ich in den Arm gestochen, und einmal in die Backe, aber das fand ich erst später heraus, als das Blut Zeit gehabt hatte, zu fließen und abzukühlen, sodass es sich feucht anfühlte.
Was Cavor tat, weiß ich nicht. Eine Zeit lang war es, als hätte dieses Kämpfen seit Ewigkeit gedauert und müsse ewig so weitergehen. Dann war plötzlich alles vorbei, und es war nichts mehr zu sehen als Hinterköpfe, die auf und niederhüpften, während ihre Besitzer in allen Richtungen davonliefen … Ich schien ganz unverletzt. Ich lief schreiend ein paar Schritte vorwärts und wandte mich dann um. Ich war verblüfft.
Ich war in riesigen, fliegenden Sätzen gerade durch sie hindurchgekommen; sie waren alle hinter mir und rannten hierhin und dorthin, um sich zu verstecken.
Ich fühlte ein großes Erstaunen über die Verdunstung des großen Kampfes, in den ich mich gestürzt hatte, und nicht geringes Frohlocken. Mir schien nicht, dass ich entdeckt hatte, die Seleniten seien unerwartet zerbrechlich, sondern ich sei unerwartet stark. Ich lachte stumpfsinnig. Dieser fantastische Mond!
Ich blickte einen Moment auf die zerschmetterten und sich windenden Leiber, die über den Höhlenboden zerstreut lagen, und hatte eine unbestimmte Idee von weiterer Gewalttat; dann eilte ich hinter Cavor her.
1 Ich entsinne mich nicht, irdendwelche Dinge aus Holz auf dem Monde gesehen zu haben; Türen, Tische, alles, was unserer irdischen Schreinerarbeit entspricht, war aus Metall, und ich glaube, zum großen Teil aus Gold, das sich als Metall – wenn die anderen Dinge gleich waren – durch die Leichtigkeit seiner Bearbeitung, seine Zähigkeit und Dauerhaftigkeit ganz von selber empfahl. <<<
18 – Im Sonnenschein
Bald sahen wir, dass die Höhle sich auf eine neblige Leere öffnete. Im nächsten Moment waren wir auf eine Art schiefer Galerie hinausgetaucht, die in einen riesigen kreisrunden Raum vorsprang, einen ungeheuren zylindrischen Schacht, der senkrecht auf und ab lief. Um diesen Schacht lief die schiefe Galerie ohne jede Brustwehr und ohne Schutz anderthalb Windungen herum und tauchte dann hoch oben wieder in den Felsen hinein. Irgendwie erinnerte sie mich damals an einen jener großen Spiraltunnels der Eisenbahn durch den St. Gotthard. Es war alles ungeheuer riesenhaft. Ich kann kaum hoffen, die titanischen Verhältnisse dieses ganzen Raumes klarzumachen, seine titanische Wirkung. Unsere Augen folgten dem ungeheuren Absturz der Schachtmauer, und zu Häupten weit oben erblickten wir eine runde Öffnung, die mit blassen Sternen besetzt war, und ihre halbe Lippe nahezu blendend durch das weiße Licht der Sonne. Da schrien wir gleichzeitig auf.
»Kommen Sie!«, sagte ich und führte.
»Aber da?«, sagte Cavor und trat dem Rande der Galerie sehr vorsichtig näher. Ich folgte seinem Beispiel und reckte mich vor und blickte hinab, aber ich war von dem Lichtglanz oben geblendet und konnte nur eine bodenlose Dunkelheit mit darin schwimmenden roten und purpurnen Spektralflecken sehen. Aber wenn ich nicht sehen konnte, so konnte ich hören. Aus dieser Dunkelheit drang ein Schall heraus, ein Schall wie das zornige Summen, das man hören kann, wenn man das Ohr an einen Bienenkorb legt, ein Schall aus jener ungeheuren Höhle, vielleicht vier Meilen unter unseren Füßen …
Einen Moment lauschte ich, dann fasste ich meine Stange fester und führte die Galerie hinauf.
»Dies muss der Schacht sein, in den wir hinuntergeblickt haben«, sagte Cavor. »Unter dem Deckel.«
»Und da unten, da haben wir die Lichter gesehen.«
»Die Lichter!«, sagte er. »Ja – die Lichter der Welt, die wir nun nie sehen werden.«
»Wir kommen wieder«, sagte ich, denn jetzt, da wir so weit entkommen waren, war ich übereilt sanguinisch in dem Glauben, dass wir die Sphäre wiederfinden würden.
Seine Antwort hörte ich nicht.
»Eh?«, fragte ich.
»Es kommt nicht drauf an;« sagte er und wir eilten schweigend weiter.
Ich glaube, dieser schräge Weg war, seine Kurve berücksichtigt, vier oder fünf Meilen lang, und