Meine erste Bemühung war natürlich, zu sehen, was auf dem Boden der Höhle sein mochte, aber unser Gitter lag in einer Senkung, deren Rand unseren Augen all das verbarg. Dann kehrte unsere vereitelte Aufmerksamkeit zu den Andeutungen der mannigfachen Töne zurück, die wir hörten, und alsbald fiel mein Blick auf eine Anzahl schwacher Schatten, die über das dunkle Dach weit zu Häupten spielten.
Unbestreitbar waren mehrere Seleniten, vielleicht eine beträchtliche Anzahl, in diesem Raume, denn wir konnten die Töne ihrer Unterhaltung hören, und noch schwache Schalle, die ich als ihre Schritte erkannte. Wir vernahmen auch eine Folge sich regelmäßig wiederholender Schalle – schwipp, schwipp, schwipp – die an ein Messer oder einen Spaten erinnerten, mit dem man in etwas Weiches hackt. Dann kam ein Rasseln wie von Ketten, ein Pfeifen und Rumpeln, wie wenn ein Karren über etwas Hohles läuft, und dann wieder jenes schwipp – schwipp – schwipp. Die Schatten sprachen von Gestalten, die sich schnell und rhythmisch im Einklang mit jenem regelmäßigen Schall bewegten und ruhten, wenn er aufhörte.
Wir taten die Köpfe nah zusammen und begannen diese Dinge mit geräuschlosem Flüstern zu erörtern.
»Sie sind beschäftigt«, sagte ich, »sie sind irgendwie beschäftigt.«
»Ja.«
»Sie suchen uns nicht und denken nicht an uns.«
»Vielleicht haben sie noch nicht von uns gehört.«
»Die anderen jagen da unten herum. Wenn wir hier plötzlich erschienen – –«
Wir blickten einander an.
»Es könnte möglich sein zu verhandeln«, sagte Cavor.
»Nein«, sagte ich. »Nicht, wie wir sind.«
Eine Zeit lang blieben wir still, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt.
Schwipp, schwipp, schwipp machte das Hacken, und die Schatten bewegten sich hin und her.
Ich sah mir das Gitter an. »Es ist nicht stark«, sagte ich. »Wir können zwei von den Stangen biegen und durchkriechen.«
Wir verschwendeten einige Zeit mit unbestimmter Diskussion. Dann fasste ich eine der Stangen mit beiden Händen und stemmte die Füße gegen den Felsen, bis sie mit meinem Kopfe fast auf einer Höhe waren, und zog dann an der Stange. Sie bog sich so plötzlich, dass ich fast fiel. Ich kletterte herum und bog die benachbarte Stange in entgegengesetzter Richtung, nahm dann den leuchtenden Pilz aus der Tasche und warf ihn den Spalt hinunter.
»Tun Sie nichts Übereiltes«, flüsterte Cavor, als ich mich durch die erweiterte Öffnung hinaufwand. Ich bekam, als ich durch das Gitter hochstieg, flüchtig geschäftige Gestalten zu sehen und bückte mich sofort wieder, sodass mich der Rand der Senkung, in der das Gitter lag, vor ihren Augen verbarg; ich legte mich flach hin und gab Cavor durch Zeichen Ratschläge, als auch er Anstalt machte, heraufzukommen. Bald lagen wir Seite an Seite in der Senkung und spähten über den Rand in die Höhle hinein und nach ihren Inhabern.
Die Höhle war viel weiter, als wir nach unserm ersten Blick vermutet hatten, und wir blickten von der niedrigsten Stelle ihres abschüssigen Bodens hinauf. Sie erweiterte sich, je mehr sie von uns fortlief, und ihr Dach senkte sich und verbarg uns den entfernteren Teil völlig. Und ihre ganze Länge entlang, schließlich in der riesigen Perspektive weithin verschwindend, lagen in einer Reihe eine Anzahl riesiger Gestalten, riesiger bleicher Rümpfe, an denen die Seleniten arbeiteten. Erst schienen es große weiße Zylinder unbestimmten Inhalts zu sein. Dann fielen mir die Köpfe an ihnen auf, die uns zugewandt lagen, augen- und hautlos wie die Köpfe von Schafen bei einem Schlächter, und ich bemerkte, dass es die Leichen von Mondkälbern waren, aufgeschnitten, wie etwa die Mannschaft eines Walfischfängers einen verankerten Walfisch aufschneiden mochte. Sie schnitten das Fleisch in Streifen ab, und an einigen der entfernteren Rümpfe sah man die weißen Rippen. Ihre Beile hatten jenes Geräusch – das Schwipp-schwapp-schwipp – gemacht. In einiger Entfernung lief etwas wie ein Rollwagenkabel, das Klumpen losen Fleisches auf Karren zog, den Hang des Höhlenbodens hinauf. Diese ungeheure lange Reihe von Rümpfen, die als Nahrung dienen sollten, gab uns ein Gefühl von der riesigen Bevölkerung der Mondwelt, das nur der Wirkung unseres ersten Blickes in den Schacht hinunter nachstand.
Mir schien erst, die Seleniten müssten auf Planken1 stehen, die von einem Holzgerüst getragen wurden, und dann sah ich, dass die Planken und die Stützen und ihre Beile in Wirklichkeit von derselben Bleifarbe waren, die meine Fesseln gezeigt hatten, ehe weißes Licht auf sie gefallen war. Eine Anzahl sehr dick aussehender Hebestangen lag am Boden umher; sie hatten offenbar gedient, das tote Mondkalb auf die Seite zu kippen. Sie waren vielleicht sechs Fuß lang und hatten geformte Griffe; sie sahen als Waffen sehr verlockend aus. Der ganze Raum wurde von drei Querströmen der blauen Flüssigkeit erleuchtet.
Eine lange Zeit lagen wir da und beobachteten diese Dinge schweigend. »Nun?«, sagte Cavor schließlich. »Wenn sie diese Körper nicht mit einem Krahn herabgelassen haben«, sagte ich, »müssen wir der Oberfläche näher sein als ich dachte.«
»Warum?«
»Das Mondkalb springt nicht, und es hat keine Flügel.«
Er spähte wieder über den Rand der Senkung. »Ich wundere mich jetzt …« begann er. »So sind wir schließlich überhaupt nicht weit von der Oberfläche fortgekommen – –«
Ich unterbrach ihn, indem ich ihn am Arm packte. Ich hatte ein Geräusch aus der Spalte unter uns gehört!
Wir wandten uns herum und lagen totenstill, mit jedem Sinn auf der Hut. Nach einiger Zeit zweifelte ich nicht mehr, dass irgend etwas in dem Spalt heraufstieg. Sehr langsam und sehr geräuschlos sicherte ich mir einen festen Griff an meiner Kette und dann wartete ich, dass das Etwas erscheinen sollte.
»Sehen Sie noch mal eben nach den Kerlen mit den Beilen«, sagte ich.
»Da ist alles ruhig«, sagte Cavor.
Ich zielte provisorisch einmal nach dem Loch im Gitter. Jetzt konnte ich das leise Gezwitscher der aufsteigenden Seleniten, das Klapsen ihrer Hände an den Felsen und den Fall des Staubes unter ihren Griffen beim Klimmen ganz deutlich hören.
Dann konnte ich erkennen, dass sich in der Schwärze unter dem Gitterdunkel etwas bewegte, aber was es sein mochte, konnte ich nicht unterscheiden.