Nun kam doch noch alles zurecht. Noch würde Zeit genug sein, mehr von dem magischen Stein zu holen, der einem Gewalt über die Menschen gibt. Da hinten, nah zur Hand, lag Gold zum Aufnehmen umher; und die Sphäre machte ihre Reise, wenn sie halb voll Gold war, so gut, wie wenn sie leer war. Jetzt konnten wir zurückgehen, Herren über uns und unsere Welt, und dann –
Schließlich raffte ich mich auf und stieg mit einer Anstrengung aus der Sphäre heraus. Ich schauerte, als ich auftauchte, denn die Abendluft wurde sehr kalt. Ich stand in der Höhlung still und starrte um mich. Ich sah mir die Büsche rings sehr sorgfältig an, ehe ich zu dem Felsenrande nahebei davonsprang und den Sprung noch einmal machte, der mein erster auf dem Mond gewesen war. Aber jetzt machte ich ihn ohne jede Anstrengung.
Das Wachstum und der Verfall der Vegetation war rasch vorgeschritten, und der ganze Anblick der Felsen war verändert, aber noch war es möglich, den Hang herauszufinden, auf dem die Samen gekeimt hatten, und die Felsenmasse, von der aus wir unsern ersten Umblick im Krater gehalten hatten. Aber das Dorngesträuch auf dem Hange stand jetzt braun und dürr da und dreißig Fuß hoch, und es warf lange Schatten, die sich bis über das Gesichtsfeld hinaus erstreckten, und die kleinen Samen, die wie Trauben an seinen oberen Zweigen hingen, waren braun und reif. Seine Arbeit war getan, und es war zerbrechlich und bereit, unter der gefrierenden Luft abzufallen und zu zerbröckeln, sowie die Nacht herabsank. Und die riesigen Kakteen, die unter unsern Augen aufgeschwollen waren, waren längst geborsten und hatten ihre Sporen längst in die vier Richtungen des Mondes zerstreut. Ein erstaunlicher kleiner Winkel im Weltall – der Landungsplatz von Menschen!
Eines Tages, dachte ich, will ich dort genau in der Mitte der Mulde eine Inschrift errichten lassen. Mir fiel ein, wenn die schwangere Welt da drinnen nur von der vollen Bedeutung des Momentes wüsste, wie wütend würde ihr Tumult da werden!
Aber bis jetzt konnte sie kaum von der Bedeutung unseres Kommens wissen. Denn sonst würde der Krater sicherlich ein Aufruhr der Verfolgung sein, statt stille wie der Tod! Ich blickte mich nach einer Stelle um, von der aus ich Cavor würde Zeichen geben können, und ich sah eben den Felsenhaufen, auf den er von meinem gegenwärtigen Standpunkt aus gesprungen war, noch nackt und unfruchtbar in der Sonne liegen. Einen Moment lang zögerte ich, mich so weit von der Sphäre zu entfernen. Dann sprang ich mit einem Stich der Scham über dieses Zögern los …
Von dieser Höhe aus überblickte ich den Krater von neuem. Weit hinten an der Spitze des ungeheuren Schattens, den ich warf, flatterte das kleine weiße Taschentuch auf den Büschen. Es war sehr klein und fern, und Cavor war nicht zu sehen. Mir schien, mittlerweile sollte er nach mir ausschauen. Das war die Verabredung. Aber er war nirgends zu sehen.
Ich stand und wartete und wachte, die Hände über den Augen, und ich erwartete, ihn jeden Augenblick zu erkennen. Sehr wahrscheinlich habe ich lange Zeit dort gestanden. Ich versuchte zu rufen und wurde an die Dünne der Luft erinnert. Ich tat einen unentschiedenen Schritt zur Sphäre zurück. Aber eine lauernde Angst vor den Seleniten ließ mich zögern, meinen Aufenthalt zu signalisieren, indem ich eine unserer Schlafdecken auf die benachbarten Büsche hißte. Ich durchsuchte den Krater von neuem.
Er zeigte einen Ausdruck der Leere, der mich durchschauerte. Und es war still! Jeder Ton von den Seleniten in der Welt dort unten war erstorben. Es war still wie der Tod. Abgesehen von dem leisen Geräusch des Gebüsches in dem dünnen Winde, der sich erhob, war kein Ton und kein Schatten von einem Ton zu hören. Und der Wind war kalt.
Zum Henker mit Cavor!
Ich holte tief Atem. Ich legte die Hände an die Seiten des Mundes. »Cavor!«, schrie ich, und es klang, wie wenn ein Zwerg in weiter Ferne riefe.
Ich sah nach dem Taschentuche, ich sah hinter mich auf den breiter werdenden Schatten der westlichen Klippe, ich blickte unter der Hand hervor nach der Sonne. Mir schien, sie kroch fast sichtlich den Himmel hinab.
Ich fühlte, ich musste sofort handeln, wenn ich Cavor retten wollte. Ich riss meine Weste herunter und warf sie als Zeichen auf die dürren Bajonettsträucher hinter mir und sprang dann in gerader Linie auf das Taschentuch zu davon. Es war vielleicht seine zwei Meilen entfernt – eine Sache von ein paar hundert Sprüngen und Sätzen. Ich habe schon erzählt, wie man während dieser Mondsprünge zu hängen schien. Bei jedem Schweben suchte ich Cavor und wunderte mich, warum er verborgen sein mochte. Bei jedem Sprunge konnte ich die Sonne hinter mir sinken fühlen. Jedes Mal, wenn ich den Boden berührte, war ich in Versuchung, zurückzukehren.
Ein letzter Sprung und ich stand in der Senkung unterhalb unseres Taschentuchs, ein Satz, und ich stand in Armesbreite von ihm auf unserer früheren Höhe. Ich richtete mich gerade auf und durchsuchte die Welt um mich zwischen den länger werdenden Schattenstreifen. Weit weg, einen Hang hinunter, lag die Mündung des Tunnels, durch den wir geflohen waren, und mein Schatten reichte bis zu ihr hin, reckte sich bis zu ihr und berührte sie wie ein Finger der Nacht.
Kein Zeichen von Cavor, kein Ton in all der Stille, nur dass sich das Regen und Schwanken der Büsche und der Schatten mehrte. Und plötzlich überlief mich ein heftiger Schauer. »Cav–« begann ich, und wieder wurde mir die Wirkungslosigkeit der menschlichen Stimme in dieser dünnen Luft klar.
Stille. Die Stille des Todes.
Dann fiel mein Auge auf etwas – etwas kleines, was vielleicht fünfzig Meter entfernt, den Hang hinunter unter einer Streu von verbogenen und zerbrochenen Zweigen lag. Was war das? Ich wusste es, und doch, aus irgendeinem Grunde wollte ich es nicht wissen.
Ich ging näher hin. Es war die kleine Kricketmütze, die Cavor getragen hatte. Ich berührte sie nicht, ich blieb stehen und sah sie an.
Dann sah ich, dass die zerstreuten Zweige rings gewaltsam zerbrochen und zerstampft worden waren.