Al Capone Staffel 1 – Kriminalroman. Al Cann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Al Cann
Издательство: Bookwire
Серия: Al Capone Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783863775209
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ich bin unschuldig. Damals wie heute, Euer Ehren!«

      Der Richter senkte ruckhaft den Kopf, nahm einen Bleistift und machte ein paar Notizen. Als Buster schon glaubte, das Damoklesschwert sei von ihm gewichen, hagelte es plötzlich von Fragen. Fragen, die Demütigungen waren und ihn als den mutmaßlichen Täter bezeichneten.

      »Sie haben das hier gesucht«, zischte der Richter plötzlich und hob ein zusammengefaltetes Los in die Höhe.

      Buster starrte darauf und sah eine Zahl, die vor seinen Augen schwamm.

      »Nein. Ich weiß gar nicht, was das ist.«

      »Es ist ein Los, Buster, ein Los mit einem Gewinn von fünfundzwanzigtausend Dollar!«

      Wie schnell so ein Mensch doch sprechen konnte. Es war für Buster fast unmöglich, ihm ebensoschnell geistig zu folgen.

      Man bewies ihm jetzt in der nächsten Dreiviertelstunde, daß nur er den Mord an der Frau ausgeführt haben konnte.

      Als er aus dem Gerichtsraum abgeführt worden war, brachte man ihn vor einem jungen Lieutenant namens Holman. Er war der Chef der Kriminalpolizei-Abteilung des Reviers VII und ging um seinen Schreibtisch herum, schickte die beiden Polizisten hinaus und blieb vor Buster stehen.

      »Ich denke, wir wollen es uns nicht unnötig schwer machen«, sagte er, während er sich eine Zigarette anzündete.

      Buster hob den Kopf. Konnte er Hoffnung schöpfen?

      »Man verdächtigt Sie des Mordes, und Sie leugnen. Man hat Sie an mich verwiesen. Der Richter hat weitere Inhaftierung verfügt. Vielleicht wäre es gut, wenn Sie mit mir sprechen würden.«

      »Was soll ich mit Ihnen sprechen, Lieutenant.«

      »Wollen Sie immer noch keinen Anwalt?«

      »Nein, der Kommissar hat ihn mir gestern schon dreimal angeboten. Ich brauche keinen Anwalt. Was gibt’s denn zu verteidigen? Ich bin unschuldig.«

      »Ja, das sind sie alle«, sagte der Polizeioffizier mit einem müden Lächeln und deutete mit dem Daumen über die rechte Schulter. »Alle, die da drüben sitzen, oder jedenfalls doch ein Teil von ihnen, wenn Sie mit ihnen sprechen. Dann gibt es keinen, der wirklich was ausgefressen hat.«

      »Was ausgefressen? Hören Sie, Lieutenant, mir wird ein Mord vorgeworfen, und der Richter verdächtigt mich, auch einen zweiten Mord verübt zu haben. Eine Geschichte, die neunzehn Jahre zurückliegt.«

      »Die vergangene Zeit hat nichts mit einer Tat zu tun, die gestern ausgeführt wurde«, versetzte Holman, ohne sich der Sinnlosigkeit seiner eigenen Worte bewußt zu sein.

      »Ja, ja, aber ich bin es nicht gewesen, damals nicht – und heute nicht!« schrie Buster plötzlich los.

      Das Gesicht des Polizeioffiziers veränderte sich sofort. Die Freundlichkeit wich daraus und machte einer kühlen, abweisenden Strenge Platz. Er ging um den Tisch herum, nahm einen Brieföffner und ließ ihn auf der Schreibtischkante auf- und niederfedern.

      »Ich habe mir Ihre Papiere noch nicht angesehen, aber ich werde schon dazu kommen.« Dann drückte er auf einen Knopf.

      »Abführen!«

      Es war das Wort, das der des Mordes Verdächtige jetzt noch sehr oft hören sollte.

      Aber schon zwei Tage später hatte der absolut nicht unkluge Lieutenant Frederic Holman eine Entdeckung gemacht, die ihn selbst und auch den Kommissar einiger Mühen enthob: Die ermordete Büroangestellte Ireen Moreland war nicht in Chicago gemeldet. Vielmehr lautete die letzte polizeiliche Eintragung auf eine Vorortstraße der Stadt Milwaukee. Ireen Moreland hatte damals mit ihrem »Verlobten« dort eine Zeitlang gelebt und im Kontor einer Strumpfwirkerei gearbeitet. Dann war sie nach Chicago zurückgekommen und hatte gar nicht daran gedacht, daß sie eine Ummeldung vornehmen mußte. Einerlei, nach den Gesetzen des Staates Illinois fiel das Verbrechen jetzt in das Ressort des Bundeskriminalamtes, des Federal Bureau of Investigation…

      *

      In einem der großen, kahlen Zimmer des alten grauen Gebäudes in der Nähe des Oakwood Cemetery stand ein hochgewachsener, schlanker Mann, helläugig, mit kantigem, länglichem Gesicht, am Fenster und blickte über die Grabreihen des gegenüberliegenden Friedhofs.

      Es war der dreißigjährige Kriminalinspektor Eliot Ness. Er war der Sohn norwegischer Eltern, die kurz vor seiner Geburt in die Staaten eingewandert waren. Ness war ein schweigsamer Mensch, der sich ohne Aufsehen mühsam die Position, die er jetzt bekleidete, erarbeitet hatte. Es war eine Position, die sonst beim FBI keineswegs schon Dreißigjährige besetzten: Ness leistete die Amtsabteilung Special-Service und war damit der Boß in diesem Haus.

      Trotzdem war sein Zimmer so einfach geblieben, wie es schon vorher war, und die Lebensgewohnheiten des Inspektors blieben ebenfalls die gleichen wie vor dem Tage, an dem er von dem großen Boß auf diesen Platz gesetzt worden war.

      Der junge Ness hatte eigentlich niemals besonders jung gewirkt, sondern immer ziemlich mittelalterlich, ernst, streng und kühl. Er besaß eine sportliche Figur und hatte eine kurze, knappe Ausdrucksweise. Es war ein unauffälliges Leben, das bis zu diesem Tag hinter ihm lag, und sicher hätte niemand in dem großen Haus und auch nicht in der ganzen Weltstadt Chicago geahnt, daß ausgerechnet dieser Mann es sein würde, dessen Name einmal alle anderen der großen Polizeioffiziere dieses Landes überschatten würde. Der blonde Eliot Ness sollte eine Legende werden. Dann nämlich, wenn eines Tages der größte aller Gängster, der Italo-Amerikaner Alfonso Capone, nicht nur diese Stadt, sondern das ganze Land in Atem halten würde. Dann sollte die ganze Welt den Namen Eliot Ness kennen.

      Aber es sollte nur ein sehr kurzes Leben sein, das dem großen Eliot Ness beschieden war.

      An diesem Novembervormittag verspürte er einen dumpfen Kopfschmerz, blickte auf das Wasserglas, das die Sekretärin ihm auf die Fensterbank gestellt hatte, und tauchte den Finger hinein.

      Das Zeugs war ja lauwarm! Eine Vorstellung hatten die Girls!

      Er dachte an den vergangenen Abend, den er in einer der muffigen Kneipen am Jackson Pier in einer der Hafengassen zugebracht hatte. Er war zusammen mit Pinkas Cassedy auf der Fährte eines Gangsterpaares gewesen, das aus Indiana hier herüber nach Illinois geflüchtet sein sollte. Leider war es ihnen nicht gelungen, die beiden zu entdecken. Sie hatten bis in den grauenden Morgen hinein vor der Schenke ausgeharrt. Um halb sechs in der Frühe hatte ihn dann ein Anruf seiner Dienststelle wieder aus kurzem Schlaf gerissen und ihn zum Yachthafen geholt, wo man einen Mann festgenommen hatte, auf den die Beschreibung des Raubmörders aus Indiana zutraf. Er war es allerdings nicht gewesen, wie der FBI-Inspektor sehr rasch festgestellt hatte.

      Ness wandte jetzt den Blick von den Gräberreihen und ließ ihn zu den grauen Häuserfassaden auf der anderen Seite des Friedhofs gleiten.

      Ein idiotisches Zimmer war das man ihm hier gegeben hatte. Mit Blick auf den Friedhof! So was sollte man sich verbitten. Einfälle hatten die Leute, unglaublich! Aber andererseits hatte ein FBI-Chefagent sich nicht an der Aussicht seines Arbeitszimmerfensters zu erfreuen, sondern seiner Arbeit nachzugehen, die da auf seinem Schreibtisch lag.

      Dabei hatte er gar nicht die Arbeit am Schreibtisch angestrebt, als er vor einer Reihe von Jahren in den Polizeidienst eintrat. Sicher, er hatte Polizeioffizier werden wollen – aber kein Mann, der sein Leben lang am Schreibtisch hockte. Und nun hatte man ihn dahin gedrückt. Was hätte er wohl gesagt, der Norweger Eliot Ness, wenn ihm jetzt jemand prophezeit hätte, wie sein weiteres Leben wirklich aussah; daß er nur einen geringen Teil davon am Schreibtisch zubringen würde; daß es durchaus draußen in den Straßen dieser Stadt verlaufen sollte, und daß er schon in kurzer Zeit von den großen Zeitungen dieses Landes als der gefürchtete Banditenjäger bezeichnet werden sollte, den Amerika seit Wyatt Earps Zeiten jemals besessen hatte. Aber das würde auch dringend erforderlich sein. Denn mit einem Gegenspieler vom Format des Al Capone würde nicht zu spaßen sein. Ein atemberaubendes Duell zweier großer Männer würde seinen Lauf nehmen, wie die Kriminalgeschichte es noch nicht gekannt hatte.

      Einer der Apparate auf seinem Schreibtisch schrillte. Der