Sammelband 6 Extra Western September 2018. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Вестерны
Год издания: 0
isbn: 9783745205664
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splitterte, als beide Schüsse in sie eindrangen. Jesse aber wurde um die eigene Achse gewirbelt und stürzte zu Boden.

      Hutchinson war ebenfalls herumgewirbelt, hatte seinen Revolver gezogen und suchte noch ein Ziel.

      Ich hätte ihm ein gutes Ziel geboten, aber ich hielt beide Hände mit den Innenflächen nach vorn in Brusthöhe erhoben.

      Hutchinson begriff, dass ihm von mir keine Gefahr drohte. Er suchte weiter, aber offensichtlich taten es die anderen von uns mir nach.

      Dann lief ich hinunter zu Jesse. Als ich bei ihm ankam, war Hutchinson auch schon da. Er schüttelte stumm den Kopf und wandte sich ab.

      Ich kniete neben Jesse, wälzte ihn auf den Rücken und sah sein Gesicht. Kopfschuss! Er musste sofort tot gewesen sein. Sein Gesicht wirkte entspannt. Es sah aus, als lächelte er.

      Als ich mich aufrichtete, sah mich Hutchinson an. „Ich brauche sicher nicht zu suchen. Er ist Richmond, nicht wahr?“

      Ich sagte mir, dass es keinen Zweck hatte, noch weiter eine Lüge aufzubauen. Nun waren beide tot.

      Ich nickte und sagte: „Tut mir leid, Marshal. Aber Jesse war ein guter Kamerad. Ich kann nicht glauben, dass es stimmt, was Sie ihm vorwerfen.“

      „Der Kutscher hat sie beide erkannt. Es war Zufall, wie so oft im Leben“, sagte Hutchinson. „Der Kurscher war Texaner wie Richmond und Belknap. Er ist sogar wie sie einmal bei einem Rindertreiben dabei gewesen. Sie haben ihn nicht erkannt. Aber er sie. Ein Irrtum ist ausgeschlossen gewesen. Sie hatten beide kein Geld. Es ging ihnen dreckig. Vielleicht hätten sie mehr Glück gehabt, wäre nicht zufällig dieser Kurscher ein Bekannter von ihnen gewesen. Ich muss den Toten mitnehmen. Und falls wir Belknap nicht finden sollten an der Stelle, wo sie sagten, dass er liegen müsste, dann kommen wir wieder.“

      Ich sah auf den toten Jesse herab.

      Verdammt, dachte ich, wie konnte er nur so verrückt sein und eine Postkutsche überfallen!

      „Und Sie sind deshalb“, fragte ich Hutchinson, „den ganzen Weg bis hierher hinter uns hergekommen?“

      „Es ist ein Postkutschenüberfall gewesen, Callahan. Wir hätten ihn bis nach Alaska, und wenn es sein müsste, bis zum Nordpol verfolgt.“

      „Und wieviel haben die beiden erbeutet?“, hörte ich Weber oben fragen?“

      Der Marshal lachte bitter. „Hundertzwanzig Dollar. Mehr war nicht in der Kassette und in den Taschen der Reisenden.“

      „Verdammt! Und dafür jagen Sie ihn quer durch den Kontinent?“

      „Wenn wir es nicht täten“, sagte Hutchinson, „käme keine einzige Postkutsche ans Ziel, ohne ausgeplündert worden zu sein. Und noch etwas will ich Ihnen sagen, Callahan: Es war dieser Mann, der uns bedroht hat. Wir hätten ihn unverletzt zum Gericht gebracht. Aber er hat gedacht, dass es einfacher wäre, auf uns zu schießen.“

      Jesse hatte die beiden unterschätzt. Das Zusammenspiel zwischen Hutchinson und seinem Deputy war einfach zu gut gewesen. Tatsächlich hatte immer einer von den beiden auf Jesse geachtet.

      Sie nahmen Jesse mit. Hutchinson war anständig genug, nicht auch noch den Anteil von Jesse zu verlangen. Sozusagen als Wiedergutmachung für den Staat Kansas. Er begnügte sich damit, den Toten mitzunehmen und verschwand mit einem kurzen Gruß zusammen mit Flame.

      Für uns war das alles wie ein Albtraum ergangen. Kein Mensch sprach an diesem Tag noch einmal davon, dass wir noch länger hierbleiben wollten.

      „Wir sollten machen, dass wir hier verschwinden“, schlug ich vor. „Es ist höchste Zeit.“

      „Was wird aus dem Anteil von Jesse?“, fragte Weber. „Weiß einer von euch, ob er Angehörige hat? Ob nicht vielleicht auch die anderen Angehörige haben, denen man etwas von dem Geld schicken könnte.“

      Wir wussten nichts von ihnen. Abe hatte nur eine blasse Ahnung davon, dass es eine Schwester von John Colfax gab. Und da existierte auch eine Adresse. Aber die schien uralt zu sein. Ob diese Schwester noch dort lebte, wie es angegeben war, blieb ungewiss.

      Schließlich kamen wir überein, da wir doch keine Adressen wussten, dass wir dieses Geld zunächst einmal unter uns aufteilten.

      Jetzt waren wir noch vier. Jeder von uns glaubte, dass er es schaffen müsste, wieder zurückzukehren in die Zivilisation, dass es ihm gelänge, seinen Anteil zum Grundstock kommenden Reichtums zu machen. Und wir allesamt waren der Überzeugung, dass die Ausbeute so groß war, dass wir in Zukunft nicht mehr zu den Armen, zu den Getretenen gehörten, sondern wirklich etwas geschaffen hatten, das uns ein besseres Leben versprach.

      Ein weiterer von uns würde nicht ans Ziel kommen! Es gab sogar noch die Frage, ob es einen Lohn für unsere wochenlange Schufterei geben würde. Denn hier oben in der Wildnis war es genau, wie Weber gesagt hatte: Das Gold war nicht mehr wert als die Kieselsteine, die hier überall herumlagen. Erst in der Zivilisation wurde das Gold wertvoll. Hier oben war es nichts als gelber Dreck.

      *

      WIR MACHTEN ES GENAU wie der Goldgräber, dessen Claim wir praktisch übernommen hatten, indem wir den Stollen zuschütteten und die Waschanlage abräumten. Auch Weber und ich waren der Meinung, dass man die Natur so hinterlassen sollte, wie man sie vorgefunden hatte.

      Zwei Tage, nachdem Hutchinson und Flame bei uns gewesen waren, zogen wir los. Es herrschte strahlendes Wetter, der Himmel tiefblau. Ein Tag, Ende Augst, wie man ihn sich schöner nicht denken konnte. Es war warm, und über dem Gras und den Büschen tanzten Myriaden von Mücken im Licht der Sonne.

      Die Luft war erfüllt vom Summen der Insekten, vom Zwitschern der Vögel, vom leisen Rauschen der dürren Blätter im Wind. Die Hufe unserer Mulis und des Pferdes klapperten über das Geröll. Manchmal knarrte Leder, klapperte ein Gebissstück, und es roch nach dem Schweiß der Tiere und nach dem Rauch aus Webers Pfeife.

      Wir alle waren guten Mutes. Vielleicht lag es an dem schönen Wetter. Aber das sollte sich ändern.

      Am ersten Tag kamen wir gut voran. Es ging überwiegend bergab. Obgleich das in den Knochen stauchte, erforderte es doch weniger Anstrengung. So schafften wir ein wesentlich größeres Tagespensum als auf dem Hinweg. Am Abend allerdings entdeckte ich am westlichen Himmel Windwolken. Diese langgezogenen dünnen Schleier; die Ankündigung von einer Wetteränderung. Und tatsächlich hatten wir auch Neumond.

      „Das Wetter ändert sich. Mich zwickt’s in allen Knochen“, erklärte Weber.

      „Du kannst immer nur unken“, knurrte Abe. Er war seit Jesses Tod ziemlich schweigsam geworden, der große Texaner.

      „Mir tut auch meine Hand so weh“, behauptete Joshua. Er sprach immer davon, dass ihm die Hand weh tat, die es gar nicht mehr gab.

      „Ich glaube auch, dass sich das Wetter ändert“, stellte ich fest.

      Spät am Abend kam noch Wind auf. Wir zurrten die Leinen der Zelte gut fest, weil wir mit Böen rechneten.

      Geigen Mitternach begann es dann zu regnen. Erst ganz normal, dann stärker. Gegen Morgen schüttete es nur so vom Himmel. Und das hielt sich den ganzen Tag über dran.

      Der Boden war fest, und so brauchten wir nicht zu befürchten, im Lehm zu versinken. Insofern störte uns der Regen kaum. Aber im Laufe des Tages waren dann alle Segeltuchplanen durchnässt, mit denen wir uns eingehüllt hatten. Doch noch herrschte eine schwüle Temperatur, weil es für uns nicht so unangenehm war, dass man nass wurde.

      Im Verlauf der nächsten Nacht hörte es auch nicht auf zu regnen. Es schüttete, als wäre der ganze Himmel ein einziges Wasserfass. Alles, was wir hatten, war inzwischen durchnässt. Wir bekamen kein richtiges Feuer, mussten es schließlich ganz aufgeben, warmes Essen zu bereiten.

      „Irgendwann wird es schon noch einmal aufhören mit dem Regen“, brummte