Die Ärztin war entschlossen, alle Anstrengungen zu unternehmen, um Norberts Hals zu retten, und sie hatte nur eine einzige Bedingung daran geknüpft: Ihr Mann musste sich therapieren lassen. Wenn er damit nicht einverstanden gewesen wäre, hätte das Katjas Liebe erheblich abgekühlt, denn lieben heißt, bereit sein, für den andern Opfer zu bringen, und das gilt für beide Seiten.
Als sie Jan Achberger endlich gegenübersaß, öffnete er die eiserne Kasse, die neben ihm auf dem Tisch stand, und holte den Schuldschein ihres Mannes heraus.
Er rauchte Zigarre, und sein Gesicht war vom Schnaps gerötet. Ungesunder konnte man kaum leben. Mit gelangweilter Miene hörte er sich an, was Katja ihm vorschlug. Er wusste, dass sie Ärztin war und in der Paracelsus-Klinik arbeitete, und er sagte, dass er sich normalerweise nicht auf Ratengeschäfte einlassen, in ihrem Fall aber eine Ausnahme machen würde.
Die Ratenhöhe, die Katja ihm anbot, entlockte ihm dann aber nur ein mitleidiges Lächeln, und er sagte, er habe keine Lust, ewig auf sein Geld zu warten. Katja war gezwungen, ihr Angebot zu erhöhen. Sie tat es in kleinen Schritten, und er schüttelte so lange den Kopf, bis ihr Angebot doppelt so hoch war wie ihr ursprüngliches.
Mehr dürfe sie jederzeit abzahlen, aber nie weniger, machte er ihr unmissverständlich klar. „Und“, sagte er mit erhobenem, nikotinbraunem Zeigefinger, „ich berechne Ihnen ein Prozent pro Tag.“ Man hätte meinen können, das wäre nicht viel, aber aufs Jahr umgelegt waren das 365 Prozent! Und nicht vom fallenden Kapital, sondern immer von den ganzen zweihunderttausend Mark, wie Jan Achberger durchtrieben lächelnd hinzufügte.
Katja musste schlucken.
„Sind wir uns einig?“, erkundigte sich der Wucherer. Katja versuchte, ihn auf ein halbes Prozent zu drücken, doch er blieb hart. Ihre Schönheit fiel dabei überhaupt nicht ins Gewicht. Wenn er Geschäfte machte, hatte er für so etwas kein Auge. „Sie können meine Bedingungen akzeptieren oder mir mein Geld auf einmal zurückgeben“, sagte er kühl.
Katja schüttelte immer wieder den Kopf. „Ein Prozent …“
Jan Achberger breitete die Arme aus. „Je höher Ihre Raten ausfallen, je rascher ich mein Geld wiederhabe, desto weniger werden Ihnen die Zinsen weh tun.“
10
Trix Lassow, Dr. Härtlings attraktive Schwester, war allein zu Hause, als das Telefon läutete. Sie nahm den Hörer ab und meldete sich.
Am anderen Ende war Clemens Bennet. „Hallo, Clemens“, rief Trix erfreut aus. „Manchmal hört und sieht man tage-, wochen-, ja sogar monatelang nichts von dir …“
„Und dann geht es Schlag auf Schlag.“ Der Plattenproduzent und Rennstallbesitzer lachte. „Tut mir leid, dass ich mich nicht zu euch setzen konnte. Ich hoffe, ihr hattet trotzdem einen netten Abend.“
„Hatten wir. Und du mit dem großen Mode-Zampano?“
„Ich auch“, sagte Clemens Bennet. „Dieser Wolf-Dietrich Bockmayer ist ein ganz reizender Mensch.“
„Hast du geschäftlich mit ihm zu tun?“
„Ja, wir planen einige recht interessante Projekte.“
„Falls du mit Axel sprechen möchtest – er ist in der Kanzlei.“
„Er lässt seine wunderschöne Frau allein?“, fragte Bennet erstaunt.
„Er muss Geld verdienen, muss für den Wohlstand, den er seiner Familie bietet, hart arbeiten. Ihm wird nichts geschenkt. Von nichts kommt nichts.“
„Ich soll dich von Wolf-Dietrich Bockmayer ganz herzlich grüßen“, sagte der Plattenproduzent.
„Mich?“ Trix Lassow fühlte sich geschmeichelt. Sie prüfte mit einer sehr weiblichen Geste ihre Frisur.
„Du hast sehr großen Eindruck auf ihn gemacht“, verriet Clemens Bennet ihr.
„Ich?“ Sie staunte. „Ich hatte nicht den Eindruck, dass er mich überhaupt bemerkte.“
„Na, hör mal, eine so schöne Frau übersieht dieser Mann doch nicht. Wir haben vor, zusammen eine Benefiz-Veranstaltung auf die Beine zu stellen, deren Reinerlös behinderten Kindern zugute kommen soll, und Wolf-Dietrich hat mich gebeten, dich zu fragen, ob du dabei mitmachen würdest.“ Trix lachte. „Als was denn?“
„Als Mannequin natürlich.“
„Lieber Himmel, ich bin gute vierzig.“
„Es kommt nicht darauf an, wie alt man ist, sondern wie alt man sich fühlt“, erklärte der Anrufer. „Du würdest Wolf-Dietrich eine große Freude machen, wenn du seine Kreationen vorführen würdest.“
„Ich … Auf einem Laufsteg … Das muss ich mir noch sehr gut überlegen.“
11
Moni Wolfram, Dr. Härtlings tüchtige Sekretärin, betrat mit der Unterschriftenmappe sein Büro. Moni war mit dem jungen Assistenzarzt Dr. Michael Wolfram glücklich verheiratet. Sie trug ein schlichtes cremefarbenes Kleid,aus dessen Brusttasche ein weinrotes Stecktuch hing.
Sören Härtling klappte die Mappe auf und las sich jedes Schriftstück aufmerksam durch, bevor er es unterzeichnete.
„Gut“, sagte er, nachdem er seinen Namen zum letzten Mal schwungvoll geschrieben hatte. Er warf einen Blick auf die Uhr, die neben dem Foto seiner Familie auf seinem Schreibtisch stand. In zwanzig Minuten begann die Vormittagssprechstunde. Er hatte also noch Zeit für eine Tasse Kaffee.
Als er das sagte, flitzte Moni sogleich hinaus, um die Maschine anzuwerfen.
Sörens Telefon läutete. Er schnappte sich den Hörer. „Ja?“
„Ihre Schwester, Chef“, sagte Moni Wolfram.
„Schicken Sie sie herein.“
„Sie ist nicht hier. Sie ist am Telefon.“
„Stellen Sie sie durch“, verlangte der Klinikchef.
„Okay.“
Gleich darauf hatte Sören Härtling seine Schwester an der Strippe. „Trixi, wie geht’s?“
„Gut.“
„Was kann ich dir antun?“
„Was sagt dir der Name Wolf-Dietrich Bockmayer?“, erkundigte sich Trix Lassow.
„Sehr viel. Wer noch nie von unserem großen Mode-Zaren gehört hat, muss blind und taub sein.“
„Er möchte, dass ich seine Kreationen auf einer Benefiz-Veranstaltung vorführe.“
„Gratuliere!“
„Ich weiß noch nicht, ob ich es machen werde …“
„Was hast du für Bedenken?“, wollte Dr. Härtling wissen. Moni Wolfram trat mit dem Kaffee ein, stellte die Tasse auf den Schreibtisch und ging wieder hinaus.
„In meinem Alter über einen Laufsteg trippeln … Ich weiß nicht …“
„Wenn Bockmayer es dir zutraut, dann kannst du das auch“, sagte Sören Härtling überzeugt,
„Die Models sind heutzutage sechzehn bis zwanzig Jahre alt“, gab Trix zu bedenken. „Mit dreißig gehen die meisten schon in Rente. Und dann kommt eine daher, die ist über vierzig.“
„Aber noch phantastisch erhalten“, wandte Dr. Härtling ein.
„Ich habe Angst, mich lächerlich zu machen.“
„Wie