„Was möchtest du wissen?“, fragte Katja zurück.
„Bist du glücklich verheiratet?“
„Ich liebe meinen Mann.“
„Scheint in eurer Ehe immer nur die Sonne?“
„Das natürlich nicht“, antwortete die Ärztin. „Manchmal ziehen auch Gewitterwolken auf, wie in jeder Partnerschaft.“
„Da ist ein Ausdruck in deinen Augen, der mich vermuten lässt, dass du Kummer hast. Dich scheint irgendetwas zu bedrücken.“
Katja lächelte schmal. „Du bist eine gute Beobachterin.“
„Ich hatte immer schon einen Blick fürs Nebensächliche. Hängt der Haussegen schief? Kann ich dir irgendwie helfen?“
Dr. Katja Arndt schlug die Augen nieder. Sie sprach über die fatale Spielsucht ihres Mannes und die daraus resultierenden Folgen.
„Zweihunderttausend Mark.“ Biggi Ruprecht wiegte bedenklich den Kopf. „Das ist eine Menge Geld. Wenn ich es hätte, würde ich es dir leihen, aber ich habe alles, was ich hatte, ausgegeben für das Haus, für den Wagen, für Schmuck und Kleider. Das einzige, was ich für dich tun könnte, wäre, dich bei Flamingo unterzubringen.“
„Lieber Gott, nein“, stieß Katja erschrocken hervor. „Ich könnte nie mit einem anderen Mann …“
„Das würde auch niemand von dir verlangen“, sagte Biggi. „Das tue ich, weil es mir Spaß macht. Wenn du nicht so weit gehen möchtest, ist das in Ordnung. Niemand würde dich dazu zwingen. Es lässt sich auch so reichlich Geld verdienen. Wenn Jan Achberger sein Geld so bald wie möglich zurückbekommen soll, brauchst du einen einträglichen Nebenjob, und den könnte ich dir verschaffen.“
Katja nagte an der Unterlippe. „Ich weiß nicht …“
„Was weißt du nicht?“
„Ob ich mich für so etwas eigne“, sagte die Internistin.
„Du wirst dich doch noch mit einem netten fremden Mann kultiviert unterhalten können.“
„Das schon, aber …“
„Du verstehst dich hübsch zu kleiden, bist attraktiv und gebildet“, zählte Biggi auf. „Es ist selbst für eine verheiratete Frau nicht anstößig, einem einsamen Mann Gesellschaft zu leisten. Es sind einige Ehefrauen für Flamingo tätig, und die können alle ihren Männern noch reinen Gewissens in die Augen sehen, wenn sie von einem Job nach Hause kommen.“ Katja leerte ihr Glas. „Das muss ich mir in Ruhe durch den Kopf gehen lassen.“
Biggi nickte. „Du musst wissen, wie viel Zeit du hast.“
„Und ich muss mit meinem Mann darüber reden“, sagte die Ärztin. „Ich könnte das nicht ohne Norberts Einverständnis tun.“
„Das ist klar.“ Biggi Ruprecht nickte. „Wenn er vernünftig ist, wird er dich nicht davon abhalten. Schließlich willst du ihm ja nur aus einer Patsche helfen, in die er euch beide hineingeritten hat.“
„Und da ist dann noch die Paracelsus-Klinik“, sagte Katja Arndt. „Ich möchte auf gar keinen Fall meinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzen. Wenn es die Runde macht, dass Frau Dr. Arndt von der internen Station in ihrer Freizeit als Begleitdame jobbt, bin ich erledigt.“
„Wenn du es niemandem erzählst, wird es keiner wissen.“
„Es kann rauskommen“, meinte Katja heiser. „Es braucht nur einer der Herren, mit denen ich aus war, in die Paracelsus-Klinik zu kommen. Als Besucher. Als Patient …“
Biggi Ruprecht winkte ab. „Konstruiere keine Krisen. Du brauchst für eine gewisse Zeit ein zusätzliches Einkommen, und ich kann dir dazu verhelfen. Das ist alles.“
16
Ottilie brühte sich gerade ihren Vollmers-Tee, als das Telefon läutete. Es hatte sich gezeigt, dass der arzneilich wirksame präparierte grüne Hafertee ihre Verdauung sehr gut förderte, und deshalb versuchte sie ihn so regelmäßig wie möglich zu trinken. Die alte Wirtschafterin verließ die Küche und nahm den Anruf entgegen. „Bei Härtling“, meldete sie sich.
„Hallo, Ottilie“, sagte Trix Lassow am anderen Ende, „ist meine Schwägerin zu Hause?“
„Tag, Frau Lassow“, sagte die grauhaarige Haushälterin. „Einen Augenblick, ich hole sie an den Apparat.“
Jana Härtling befand sich im Garten, schnitt ein paar Rosen für die Vase ab und entfernte die Dornen.
„Frau Doktor!“, rief Ottilie von der Terrasse aus.
„Ja?“, antwortete Jana, richtete sich auf und drehte sich um.
„Ihre Schwägerin ist am Apparat.“
„Ich komme!“ Auf der Terrasse drückte Jana der Wirtschafterin die Rosen in die Hand. „Würden Sie die bitte ins Wohnzimmer bringen?“
„Selbstverständlich.“
Jana eilte an den Apparat. „Hallo, Trixi, was ist los?“, fragte sie ein wenig außer Atem. „Hast du Wolf-Dietrich Bockmayer zugesagt?“
„Hab’ ich.“
„Bravo!“
„Unter einer Bedingung“, sagte die Frau des Rechtsanwalts.
„Unter welcher?“
„Dass du auch mitmachen darfst.“ Jana Härtling hatte das Gefühl, jemand hätte sie mit Eiswasser übergossen. „Bist du verrückt?“
„Ich habe Bockmayer eine Fotografie von dir gezeigt. Er ist einverstanden. Bitte, Jana, du darfst mich nicht hängenlassen.“
Jana war fassungslos und verstört. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Mannequin. Sie. O Gott! „Ich ich bin Mutter von vier Kindern“, stammelte sie.
„Ich bin ebenfalls Mutter.“
„Aber nur von zwei Kindern.“
„Zwei Kinder mehr oder weniger.“
„Ich kann doch nicht …“
„Wenn ich es kann, kannst du es auch“, sagte Trix Lassow nüchtern.
Hitze brannte in Jana Härtlings Wangen. „Meine Familie wird nie und nimmer damit einverstanden sein.“
„Sie wird auf dich genauso stolz sein, wie es meine Familie auf mich ist.“ Jana fühlte sich von ihrer Schwägerin total überrumpelt. Sie sah sich im Geist auf hochhackigen Schuhen über den Laufsteg stolpern, umkippen und stürzen und vermeinte das wiehernde Gelächter des Publikums zu hören. Grauenvoll. „Ich sollte dir meine Freundschaft aufkündigen“, sagte sie mit belegter Stimme.
Trix lachte. „Warum denn?“
„Das fragst du noch?“
„Du musst bei dieser Benefiz-Veranstaltung mitmachen, Jana“, sagte Trix Lassow beschwörend. „Ich traue mich da allein nicht hin. Wenn es nicht für einen guten Zweck wäre, hätte ich mich bestimmt nicht breitschlagen lassen, aber da der Reinerlös behinderten Kindern zugute kommt, dürfen wir uns davor auf gar keinen Fall drücken, so unangenehm es uns auch sein mag.“
Behinderte Kinder … Trix Lassow war schlau. Sie wusste: Wenn Jana Härtling weich zu kriegen war, dann nur mit diesem starken Argument.
17
Als Dr. Katja Arndt ihrem Mann erzählte, auf welche Weise Biggi Ruprecht ihr helfen konnte, fiel er aus allen Wolken. „Meine Frau geht nicht mit wildfremden Männern aus!“, stieß er empört hervor.