„Weißt du, was ich tun werde?“, fragte Patrick leise an ihrem Ohr.
Ein wohliger Schauer rieselte ihr über den Rücken. „Was?“
„Ich werde mit Gabi eine Dauerbuchung vereinbaren. Dann wirst du nur noch mit mir ausgehen. Was sagst du dazu? Bist du damit einverstanden?“
„Ich tue, was Gabi mir sagt.“
Er nahm den Kopf etwas zurück und schaute ihr in die Augen. „Von nun an brauchst du dich nicht mehr jedes Mal auf einen neuen Kunden einzustellen. Ich kaufe deine gesamte Flamingo-Zeit.“
„Warum tust du das?“
„Weil ich noch mit keiner Frau so gern zusammen war wie mit dir“, gab Patrick Kress zur Antwort. „Du tanzt übrigens hervorragend.“
35
Katja hatte keine Geheimnisse vor ihrem Mann. Sie musste offen und ehrlich zu ihm sein, wenn dieses kräfteraubende Doppelleben, für das sie sich entschieden hatte, einigermaßen gut funktionieren sollte.
Deshalb erzählte sie ihm auch von Patrick Kress, dem reichen, großzügigen Sektfabrikanten. „Ich werde bis auf Weiteres nur noch mit ihm ausgehen“, sagte sie. „Das minimiert das Risiko, das es bei diesen Dates immer gibt. Man weiß nie, an wen man als nächstes gerät.“
„Warum will dieser Kress dich so oft sehen?“, fragte Norbert argwöhnisch. Sie saßen im Wohnzimmer auf dem Sofa, und aus den Lautsprechern der HiFi-Anlage kam die oscargekrönte „Titanic“-Filmmusik.
„Er ist eben gern mit einer intelligenten Frau zusammen“, sagte Katja Arndt.
„Benimmt er sich dir gegenüber korrekt?“
„Sein Benehmen ist untadelig.“
„Ist er verliebt in dich?“
„Nein.“ Katja schüttelte den Kopf. „Ich glaube ich nicht.“
Norbert spielte mit ihrem aschblonden Haar. „Empfindest du etwas für ihn?“
„Bestimmt nicht mehr, als mir als verheirateter Frau gestattet ist“, beruhigte sie ihren Mann. „Ich sehe in Patrick lediglich einen sehr guten Freund.“
„Und wenn du nicht verheiratet wärst?“
„Ich bin verheiratet.“
„Ja, aber wenn du es nicht wärst – hätte Kress dann bei dir Chancen?“
Katja zuckte mit den Schultern. „Das weiß ich nicht.“
„Du weißt es nicht?“
„Ich habe noch nicht darüber nachgedacht“, meinte Katja, und sie fühlte sich nicht ganz wohl dabei, denn es entsprach nicht hundertprozentig der Wahrheit.
Fing sie an, sich eine Scheinwahrheit zurechtzubasteln? War das nicht eine bedenkliche Entwicklung? Wann würde der Tag kommen, an dem sie ihrem Mann nicht mehr reinen Gewissens in die Augen sehen konnte?
Sie hoffte nie, denn das hätte ihre Ehe gefährdet und sie in eine gefährliche Krise schlittern lassen. Es hätte der Anfang vom Ende sein können.
Norberts Blick umwölkte sich. „Mit Patrick Kress wärst du besser dran als mit mir.“
„So etwas Dummes möchte ich nie wieder hören.“ Katja küsste ihren Mann auf den Mund. „Hast du mich verstanden? Nie wieder.“
36
Die prunkvolle Kress-Villa, im verspielten Jugendstil erbaut, stand am Rand von München, war umgeben von einem schönen, großen, herrlich grünen Park und glich einem verträumten Märchenschloss.
Hier wohnten Vater und Sohn und die Bediensteten. Isabella Kress, die Ehefrau und Mutter, war vor vier Jahren nach langem, schwerem Leiden verstorben, und es wäre dem achtundsiebzigjährigen Ingemar Kress unmöglich gewesen, sich an eine neue Frau an seiner Seite zu gewöhnen.
Der drahtige, geistig noch unglaublich rege Sektfabrikant kleidete sich wie ein englischer Lord, hielt sich stets kerzengerade, hatte schneeweißes Haar und lenkte die Firma, die er vor fünfzig Jahren aus dem Nichts aufgebaut hatte, noch immer mit eiserner Hand, und seine marktstrategischen Ideen waren manchmal progressiver als die seines Sohnes, mit dem er hervorragend zusammenarbeitete.
Ingemar und Patrick Kress waren nicht nur Vater und Sohn, sondern auch Geschäftspartner, Vertraute und Freunde, die keine Geheimnisse voreinander hatten, und so blieb es auch nicht aus, dass Patrick (nachdem er dreimal mit Katja aus gewesen war) seinem Vater im großen, mahagonigetäfelten Salon eröffnete: „Ich habe mich verliebt, Papa.“
„In dieses Mädchen von der Begleitagentur?“, fragte Ingemar Kress. Sein Sohn hatte ihm gleich nach dem ersten Abend, den er mit Katja Arndt verbracht hatte, enthusiastisch von ihr erzählt.
Patrick nickte. „In Katja, ja. Ich bin noch nie mit einer schöneren, gebildeteren und unterhaltsameren Frau zusammen gewesen.“
Ingemar Kress lächelte. „Deine beiden Ehefrauen waren auch nicht gerade hässlich, dumm und langweilig.“
„Katja stellt sie mit Leichtigkeit in den Schatten. Wenn ich mit ihr zusammen bin, fühle ich mich wie im siebten Himmel.“
Ingemar Kress wiegte mit bedenklicher Miene den Kopf. „Junge, dich scheint es ja wirklich schlimm erwischt zu haben.“
Patrick lachte. „Schlimmer geht’s nicht mehr.“
Sein Vater zog die buschigen weißen Augenbrauen zusammen. „Das macht mir Angst.“
„Wieso?“
„Du investierst zu viel Gefühl in diese Sache“, befand Ingemar Kress. „Für Katja Arndt ist das nur ein Job.“
„Das glaube ich nicht.“ Patrick schüttelte energisch den Kopf. „Es ist bestimmt viel mehr für sie.“
Der alte Mann legte seinem Sohn den Arm um die Schultern. „Sie ist verheiratet und liebt ihren Mann. Das hast du mir selbst erzählt. Widrige Umstände zwingen sie zu diesem Job, den sie niemals ausüben würde, wenn sie nicht müsste. Willst du dich in eine intakte Ehe drängen?“ Er sah Patrick ernst an. „Du weißt, dass du das nicht darfst, dass du dazu kein Recht hast. Wer von purem Egoismus getrieben eine Ehe zerstört, die heil und in Ordnung ist und ein Leben lang halten könnte, hat einen miserablen Charakter, und ich glaube nicht, dass du den hast. Du bist wie ich, aufrecht, geradlinig und ehrlich. Männern wie uns widerstrebt es, Unrecht zu tun. Aber nehmen wir an, es würde dir gelingen, Katja so sehr zu verwirren, dass sie ihren Mann verlässt. Du würdest mit ihr nicht glücklich werden, mein Junge. Diese Sünde würde immer zwischen euch stehen und ein Verschmelzen eurer Herzen niemals zulassen.“
Patrick schwieg. Er wusste, dass sein Vater recht hatte.
„Darf ich dir einen sowohl väterlichen als auch freundschaftlichen Rat geben, mein Junge?“, fragte der weißhaarige Mann.
Patrick sah ihn abwartend an.
„Lass Katja in Ruhe“, sagte Ingemar Kress. „Amüsiere dich mit einem anderen Flamingo-Mädchen.“
Patrick schlug die Augen nieder, schüttelte langsam den Kopf und sagte leise: „Tut mir leid, Vater, das kann ich nicht mehr, seit mir Katja begegnet ist.“
37
Ende der Vormittagssprechstunde. Die letzte Patientin war gegangen. Schwester Annegret sortierte die Karteikarten, die auf Dr. Härtlings Schreibtisch lagen und fragte beiläufig: „Sind Sie an Klatsch und Tratsch interessiert,