Da sie gebildet war, konnte sie intellektuell spielend mit allen Männern mithalten, und wenn sich einer nicht an die vorher festgelegten Spielregeln halten wollte, was leider auch hin und wieder vorkam, ging sie, nachdem sie den Sünder dreimal verwarnt hatte, kurzerhand nach Hause.
Und dann …
… lernte sie Patrick Kress kennen, einen großen, stattlichen, unwahrscheinlich gutaussehenden Mann Mitte dreißig, von dem sie sich so stark angezogen fühlte, dass es sie erschreckte. Er war der erste Kunde, der ihr unter die Haut ging. Wenn sie nicht verheiratet gewesen wäre, wenn sie ihren Mann nicht so sehr geliebt hätte, hätte Patrick Kress ihr – da machte sie sich nichts vor – ernsthaft gefährlich werden können.
Patrick Kress ein Mann wie ein Erdbeben. Witzig, charmant und reich. Sektfabrikant wie sein Vater, Ingemar Kress. Man hätte meinen können, die Frauenwelt würde Patrick, dem Inbegriff des schönen Mannes, zu Füßen liegen, deshalb konnte Katja Arndt nicht verstehen, wieso er die Dienste einer Begleitagentur in Anspruch nahm und viel Geld dafür bezahlte, damit eine schöne Frau an seiner Seite war. Das hätte er doch mit Sicherheit auch umsonst haben können.
Katja ging mit ihm essen und anschließend in einen noblen Nachtklub. Während ein gelenkiger Jongleur auf der Bühne seine Kunststücke vorführte, fragte Patrick Kress: „Arbeitest du schon lange für Gabi?“
Katja schüttelte den Kopf. „Noch nicht sehr lange.“ Sie hatte einen Bananenflip vor sich stehen, Patrick trank seinen zweiten gewässerten Ouzo.
„Als Gabi mir dein Foto zeigte, wusste ich sofort, dass du etwas Besonderes bist“, sagte Patrick Kress.
Katja schenkte ihm ein freundliches Lächeln. „Vielen Dank.“
„Das ist kein daher gesagtes Kompliment, sondern ernst gemeint“, behauptete der attraktive Mann.
Der Jongleur arbeitete mit Reifen und Keulen. Obwohl seine Darbietung außergewöhnlich war, schenkten Katja Arndt und Patrick Kress ihm kaum Beachtung.
„Sagst du immer, was du denkst?“, fragte Katja ihr Gegenüber.
Patrick griente. „Ich bin ein geradezu besessener Wahrheitsfanatiker.“ Er breitete die Arme aus. „Möchtest du mich testen?“
Sie schmunzelte. „Soll ich?“
Er nickte auffordernd. „Du kannst mich fragen, was du willst. Ich werde die Wahrheit sagen.“ Er hob die Hand wie zum Schwur. „Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit, so wahr mir Gott helfe.“
Sie lachte, stellte aber keine Frage.
„Möchtest du wissen, wie alt ich bin?“, fragte Patrick an ihrer Stelle. Er trug einen dunklen Anzug, ein weißes Hemd und eine gelbe, interessant gemusterte Krawatte. „Ich bin fünfunddreißig. Familienstand? Ledig? Verheiratet? Geschieden?“, fragte er weiter. „Geschieden“, antwortete er. „Zweimal.“
„Zweimal?“, staunte Katja. Der Jongleur verneigte sich zu einem dürftigen Applaus und verließ die Bühne. Musik spielte. Man konnte tanzen.
„Schockiert dich das?“, fragte Patrick.
Katja überging seine Frage. „Was ist in deinen Ehen schief gelaufen?“
Er hob die Schultern und schürzte die Lippen. „Beim ersten Versuch war ich neunzehn und noch nicht reif für die Ehe.“
„Warum hast du dann geheiratet?“
Er zuckte mit den Schultern. „Weil ich Britta, so hieß meine erste Frau, sie war genauso unreif wie ich, eine Freude machen wollte. Ihre beiden besten Freundinnen hatten geheiratet. Sie wollte das auch, also habe ich ihr ihren verrückten romantischen Wunsch erfüllt. Es ging nicht lange gut. Wir kamen beide sehr bald drauf, dass wir es unmöglich schaffen würden, bis ans Ende unserer Tage glücklich und zufrieden miteinander zu leben, und so zogen wir nach einem halben Jahr einen Schlussstrich unter diesen Unfug.“
Es entstand eine kurze Pause. Patrick nahm einen Schluck von seinem milchweißen Ouzo. „Und dann?“, fragte Katja nach einer Weile.
„Dann kamen erst mal ein paar wilde Jahre, in denen ich nichts anbrennen ließ“, erzählte Patrick offen. „Ich nahm alles mit, was ich kriegen konnte.“ Er sah Katja ernst in die Augen. „Ich bin heute weder stolz darauf, noch schäme ich mich deswegen. Man muss es einfach als Teil meiner Entwicklung sehen. Es war nötig, um mich zu formen.“ Er drehte sein Glas zwischen den Handflächen. „Meine zweite Ehe begann vielversprechend.“
„Wie lange liegt sie zurück?“, wollte Katja Arndt wissen.
„Zwei Jahre. Ich war verliebt und im siebten Himmel. Mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass Claudia mich nur wegen unserer Sektkellerei geheiratet hatte.“ Ein harter Ausdruck kerbte sich um Patricks Lippen. „Sie war einem brutalen Kerl hörig“, fuhr er mit dumpfer Stimme fort. „Er brauchte nicht zu arbeiten. Sie fütterte ihn durch, steckte ihm laufend Geld zu und besuchte ihn regelmäßig. Irgendwann wurde sie mit ihm gesehen.“ Er zögerte, seufzte. „Pech. Sie war nicht vorsichtig genug gewesen. Die Geschichte platzte wie eine Seifenblase, und Claudia bestritt auch gar nichts, als ich ihr ihre Untreue vorhielt. Sie packte wortlos ihre Sachen und verschwand.“
„Ist sie noch mit diesem anderen Mann zusammen?“
„Schon möglich, ich weiß es nicht. Es interessiert mich nicht. Nach dieser kalten Dusche sagte ich mir: Junge, du hast kein glückliches Händchen für die Ehe, also lass es künftig bleiben.“
„Gebranntes Kind fürchtet das Feuer.“
Patrick Kress nickte. „Könnte man sagen.“
„Gehst du seither nur noch mit Frauen wie mir aus?“, fragte Katja Arndt.
Er nickte wieder. „Du hast es erfasst. Das ist ein ehrliches Geschäft. Es wird nicht geheuchelt oder gelogen. Ich gebe Gabi Hauff Geld und kriege, was ich möchte.“
„Du weißt, was du von mir bekommst.“
Er lächelte mit blitzweißen Zähnen. „Nicht alles, aber das ist okay. Darf ich fragen, wieso du für Gabi arbeitest?“
„Ich brauche Geld.“
„Wofür?“
Er war der erste Kunde, dem sie die Wahrheit erzählte. Sie war schon oft gefragt worden, warum sie zum Angebot von „Flamingo“ gehörte, und sie hatte jedes Mal ein trauriges Märchen erzählt, das durchaus auch hätte wahr sein können. Patrick gegenüber wollte sie jedoch fair sein, nachdem er ihr schon so viel ungeschminkt Wahres von sich erzählt hatte.
Sie erwähnte die hohen Schulden, die bei Jan Achberger abzustottern waren, und verheimlichte Patrick auch nicht, dass sie verheiratet war.
Er nahm es zur Kenntnis, ohne mit der Wimper zu zucken. Lächelnd meinte er: „Es hätte mich sehr gewundert, wenn du nicht verheiratet gewesen wärst.“ Er zückte spontan sein Scheckheft, stellte einen Barscheck auf zehntausend Mark aus und schob ihn ihr über den Tisch zu. „Hier“, sagte er. „Damit ihr eure Schulden ein bisschen schneller loswerdet.“
„Danke“, sagte Katja und steckte das Papier in ihre Handtasche.
„Ich würde dich gerne wiedersehen.“
„Du weißt, was du tun musst.“
Patrick Kress nickte. „Gabi anrufen.“
„Genau.“
„Und wenn ich dich privat treffen möchte?“, fragte der gutaussehende Sektfabrikant.
Katja schenkte ihm ein bedauerndes Lächeln. „Ich bin verheiratet und habe einen Vertrag mit Flamingo. Wenn ich dich privat treffe, bekommt Gabi Hauff keine Provision, und es wäre auch meinem Mann gegenüber nicht fair.“
„Wie heißt dein Mann?“
„Norbert.“
„Ich