Von diesen Aussichten beflügelt, trieb er den Novizen mit Hilfe seiner beiden Freunde zu den Gemächern des Abtes. Sie drangsalierten den Jüngling mit Schlägen und Stößen, denen er nicht entkommen konnte, weil er noch immer den großen Kübel mit sich schleppte. Das war eine verfluchte Torheit gewesen, denn mit dem schweren Kübel war er langsam. Deswegen bekam er nicht nur mehr Schläge verabreicht als bei einem schnelleren Gang, sondern sie begegneten zudem Konrad, kurz bevor sie beim Abt ankamen.
Wahrscheinlich war es dessen Gewohnheit, Faolán vor Drogo zu schützen, die ihn zum blinden Eingreifen veranlasst hatte. Diesmal allerdings wurde ihm seine Hilfe zum Verhängnis, und war eine ebenso große Torheit wie Faoláns! Ohne Überlegung versuchte Konrad, die Misshandlungen seines Freundes mit dem Einsatz eigener Gewalt zu beenden. So geübt Konrad in dieser Art der Auseinandersetzung auch sein mochte, gegen die drei Männer konnte er nichts ausrichten. Schnell hatten sie den Novizen überwältigt, hielten ihn fest und Prior Walram band ihm die Hände mit einem Lederriemen hinter dem Rücken zusammen. Nun trieben die Mönche gleich zwei ungehorsame Novizen mit traktierenden Schlägen zum Abt. Walrams Triumph konnte kaum größer sein.
Auf dem Steinboden vor dem Abt kniend, konnte Faolán jetzt wieder alles klar vor sich sehen. Seine Torheit war der Grund, weshalb Konrad und er hier waren. Bruder Walram befand sich in Hochform, sprudelte geradezu vor Wortgeist, um die Taten der beiden Freunde möglichst frevelhaft erscheinen zu lassen. Er argumentierte, als ginge es um sein eigenes Seelenheil.
„… befleckt und besudelt doch dieser Novize die Kirchenwand unseres geheiligten Klosters mit einer Fratze, wie sie hohnvoller und gotteslästerlicher nicht sein könnte. Dieses Spottbild verlacht unser Gotteshaus und unsere heilige Gemeinschaft. Befleckt und besudelt ist auch sein Habit! Befleckt durch das Anlegen der eigenen Hand an sein Fleisch! Die Sünde des Onan in unseren Mauern, von einem Novizen, der erst kürzlich einer Dirne anheim gefallen ist und der unzweifelhaft auch die abartige Schmiererei zu verantworten hat! Und als ob das nicht schon genug wäre, fand auch noch der tätliche Angriff durch den wild gewordenen Novizen Konrad auf drei ehrbare Mönche statt.
Das alles kann nur das Werk des Leibhaftigen in unserer Abtei bedeuten. Er hat sich der beiden Novizen bemächtigt. Seht Euch doch die Narbe auf Faoláns Wange an: Sie ist ein Mal! Ein Mal des Teufels – damit ihn Leute seinesgleichen erkennen. Dieses Übel muss unter allen Umständen bekämpft werden! Dem Leibhaftigen muss das Handwerk gelegt werden! Die Werkzeuge des Satans sind auf das Härteste zu bestrafen. Um dem Dämon Einhalt zu gebieten, müssen seine ausführenden Gliedmaßen abgetrennt werden. Nur so wird es Luzifer eine Lehre sein, niemals wieder in unser Kloster einzudringen.“
Prior Walram hatte sich geradezu in Ekstase geredet und wartete, völlig außer Atem, auf eine Reaktion seiner Zuhörer. Abt Degenar und Bruder Ivo wollten die hitzige Stimmung etwas abkühlen lassen und schwiegen zunächst. Nach einer kurzen Pause sprach der Abt schließlich mit gedämpfter Stimme. „Habt Ihr die von Euch bezeichnete Schmiererei selbst gesehen, ehrwürdiger Prior?“
Ungläubig schaute Walram den Abt an. Kopfschüttelnd rang er nach Worten und spuckte sie schließlich verächtlich aus:
„Selbstverständlich habe ich sie mit eigenen Augen gesehen. Glaubt Ihr etwa, ich erliege einem Trugbild oder lege hier falsches Zeugnis ab, ehrwürdiger Abt?“
„Es lag nicht in meiner Absicht, Eure Sinne in Frage zu stellen. Dennoch wünsche ich alle Fakten zu sammeln, bevor ich ein Urteil fälle. Daher werdet Ihr mir noch eine Frage beantworten: Habt Ihr den Beschuldigten mit eigenen Augen bei der Ausübung der Tat beobachtet, ehrwürdiger Prior? Oder Ihr, Bruder Marten und Bruder Albertus?“
Die beiden Vertrauten des Priors waren von der direkten Anrede des Abtes überrascht und schüttelten nur stumm den Kopf. Walram hingegen ließ es sich nicht nehmen, erneut Stellung zu beziehen. „Nein, das habe ich nicht. Doch ich konnte mit eigenen Augen beobachten wie der Novize versuchte, die Schmiererei und das Tatwerkzeug zu beseitigen.“
„Kann es nicht auch möglich sein, dass der beschuldigte Novize, ebenso wie Ihr, eher zufällig auf diese Schmiererei gestoßen ist und lediglich versucht hat, die Schandtat auf der Kirchenwand zu entfernen?“
Degenar wusste, dass seine Argumentation schwach war, doch es war die einzige Möglichkeit die er im Augenblick sah, um Faolán zu entlasten. Prior Walram wusste das genau und schmetterte die Begründung energisch nieder.
„Verzeiht, ehrwürdiger Abt, doch ich bin nicht mit Blindheit geschlagen. Seht selbst die besudelten Hände des Täters, die sogar noch das Werkzeug seiner Tat in einem Kübel bis vor die Tür Eurer Gemächer geschleppt haben. Wenn das nicht Beweis genug ist, so solltet Ihr zumindest das Ergebnis seiner Erregung erkennen, die er während der Verrichtung seines Teufelswerks verspürt haben muss. Richtet Euer Augenmerk auf sein Habit und Ihr werdet die Wahrheit erkennen!“
Walram sprang mit zwei Sätzen auf Faolán zu, zog ihn unsanft an einem Ohr in die Höhe und zerrte ihm die Gewandung gewaltsam vom Leibe. Nackt stand der Jüngling da, während der Prior das schmutzige Habit zu Boden schleuderte. Unverkennbar waren darauf die Spuren von Faoláns Händen und des Ergusses zu sehen.
Der aufgebrachte Walram schritt langsam auf Degenar zu und sprach unbeherrscht mit lauter und hitziger Stimme. „Seht Ihr nicht, wie sich sein Erguss einer Schuld gleich auf seinem Schoß ausgebreitet hat und dort trocknet, wie ein Mahnmal der Unzucht selbst? Seht Ihr nicht seine beschmierten Hände? Seht Ihr nicht die Spuren an seiner Kutte? Sind diese Flecken nicht Beweis genug, um zu zeigen, dass er seine Wolllust mit eigener Hand befriedigt hat? Seht nur genau hin, die Sünde des Onan liegt vor Euch!“
Nachdem Walram die letzten Sätze geschrien hatte, wurde er wieder leise, wirkte dadurch aber noch bedrohlicher als zuvor. „Was benötigt Ihr noch, ehrwürdiger Abt, um die Schuld Eures Novizen zu erkennen? Ich wünschte, es würde sich nicht so verhalten. Ich wünschte, diese Schande hätte sich nicht in unseren Mauern zugetragen. Zu meinem Bedauern muss ich Euch jedoch kundtun, dass der Novize Faolán nicht tadellos ist. Erkennt die Beweise an und handelt, wie es in Eurer Pflicht steht. Bestraft ihn und seinen Komplizen!“
Degenar ließ sich durch die Forderung des Priors nicht drängen und blieb ruhig. Einzig der Kellermeister antwortete. „Das sind keine Beweise, ehrwürdiger Prior, lediglich Vermutungen und Hinweise!“
Es war ein schwacher Gegenpunkt, doch dem Cellerar erging es wie dem Abt: Ihm fiel nichts Besseres ein. Zudem war er von Faoláns Anblick sehr irritiert. Sein Gehilfe war inzwischen wieder auf die Knie gesunken und kauerte nackt und demütig vor ihm. Das änderte aber nichts an den Fakten. Walram hatte letztendlich richtig argumentiert, soviel musste Ivo eingestehen. Dass der Angeklagte der fleischlichen Lust nachgegeben hatte, stand auch für ihn außer Frage.
Überrascht schien der Kellermeister darüber allerdings nicht zu sein. Zumindest verhielt er sich, als sei ein beflecktes Novizenhabit nichts Außergewöhnliches. Welche Gefühle sein Gehilfe wegen des rothaarigen Mädchens durchlebte, war dem beleibten Mönch ja bekannt. Stutzig machte den Kellermeister allerdings, dass der Jüngling seiner Lust in aller Öffentlichkeit nachgegeben haben soll.
Vielleicht war Faolán nur Opfer seines natürlichen Triebes geworden, unfähig, diese Erregung zu unterdrücken oder gar zu beherrschen. Wie jedem Mann war auch dem Cellerar dieses Problem aus seiner Zeit als Jüngling bekannt. An diesem Punkt hoffte Bruder Ivo bei Walram ansetzen zu können.
„Ehrwürdiger Prior, verzeiht mir, wenn ich eine gewagte Vermutung ausspreche, doch sicherlich habt Ihr in jungen Jahren ebenfalls die Qualen der weltlichen Versuchungen erlitten. Wir alle hier wissen doch ganz genau, was es bedeutet, vom Knaben zum Manne zu reifen und welche Versuchungen damit einhergehen. Wir alle haben solche oder ähnliche Erfahrungen wie die hier angeprangerte durchlebt. Oder könnt Ihr das Gegenteil behaupten?“
„Das ist doch nicht der Punkt der Anklage, ehrwürdiger Cellerar, oder wollt Ihr mich jetzt eines Vergehens aus alten Tagen beschuldigen? Zweifelsohne haben wir alle diese Phase der stärksten fleischlichen Versuchung durchlebt. Wenn ich richtig informiert bin, schließt