Der Novize hieß sich einen Narren. Trotz allem, was er über Svea und ihre besonderen Fähigkeiten wusste, hatte er tatsächlich geglaubt, sich vor ihr verbergen zu können. Wahrscheinlich hatte sie ihn schon längst bemerkt, sich ihm bewusst derart reizvoll gezeigt und dadurch all die neuen Gefühle in ihm ausgelöst. Beschämt raffte sich Faolán auf und ging ihr am Rande des Tümpels entgegen. Als sie sich gegenüberstanden, blickten sie sich tief in die Augen, sprachen jedoch keine einzige Silbe.
Svea strahlte über das ganze Gesicht. Ihre Freude über das Wiedersehen war ebenso groß wie die Faoláns. Doch im Gegensatz zu ihm konnte sie ihre Freude zeigen. Der Novize hingegen war unsicher und wäre ihrem Blick am liebsten ausgewichen. Noch immer versuchte er zu verstehen, welche Gefühle ihn überrollt hatten und wie er sie steuern könnte. Mit Mühe brachte Faolán ein Lächeln zustande, was Svea noch mehr beglückte. Ihr freudiges Strahlen war so bezaubernd, dass der Novize glaubte, die Sonne würde in seinem Herzen aufgehen.
„Hallo junges Mönchlein“, neckte Svea ihn schelmisch. „Was führt dich zu diesem entlegenen Tümpel? Gehst du etwa abseits des Weges?“
Faolán räusperte sich. Das einzige, was er jedoch von sich gab, war ein gemurmeltes „Hallo“.
Svea half ihm aus der Verlegenheit. „Vielleicht benötigt der junge Mönch eine kleine Erfrischung, um den Frosch in seinem Hals zu verscheuchen. Glaube mir, das eisige Wasser der Quelle erweckt selbst einen Toten zu neuem Leben.“
Mit beiden Händen griff sie unter ihre Kapuze, strich sich durch das nasse Haar und spritzte ein paar Wassertropfen in Faoláns Gesicht. Erschrocken wich der Novize nach hinten aus, strauchelte und konnte nur mit Mühe einen Sturz verhindern. Er stand da, als wolle er vor einem Raubtier flüchten. Das sah wiederum so komisch aus, dass Svea herzhaft zu lachen begann. Die plötzliche Heiterkeit entlockte schließlich auch Faolán ein leises Lachen.
Svea verstummte wieder und als sie sah, dass ihr Freund nach wie vor verkrampft dastand, fragte sie besorgt: „Stimmt etwas nicht?“
Faolán schüttelte den Kopf, denn er wusste nicht, wie er Svea seine Empfindungen und Gedanken erklären könnte. Er wollte sie ihr nicht anvertrauen. Wenn er nicht Acht gab und weiterhin darüber nachdachte, würden diese Gefühle womöglich erneut über ihn hereinbrechen.
Svea zog Faolán sachte zu einem umgestürzten Baumstamm, ließ sich darauf nieder und gab ihrem Freund mit einer Geste zu verstehen, sich ebenfalls zu setzen. Wie ein willenloses Tier folgte er und nahm mit gemischten Gefühlen neben der neuen Verlockung Platz. Es war ihm heute aus unbekannten Gründen unangenehm, so dicht neben ihr zu sitzen. Im vergangenen Sommer waren sie oft noch näher zusammen gewesen, sei es schwimmend oder sitzend. Damals hatte Faolán kein Problem damit gehabt. Sogar nackt hatte er damals nicht das empfunden, was er heute verspürte. Erneut durchflutete Faolán bei diesen Erinnerungen eine merkwürdige Hitze, vor allem in den Lenden.
Svea unterbrach die unangenehme Stille. „Du benimmst dich heute merkwürdig. Irgendetwas stimmt doch nicht. Ist etwas vorgefallen?“
Nur mühevoll fand Faolán Worte: „Nein, es ist nur …“ Seine Stimme versagte. Obwohl er im vergangenen Sommer so viel mit Svea gesprochen hatte, fielen ihm heute selbst die einfachsten Silben schwer.
„Faolán, was ist los? Ich bin es, Svea. Mir kannst du doch alles anvertrauen.“
Schließlich brachte der Novize doch noch ein paar Worte über die Lippen, wenn auch keine besonders geistreichen. „Ich weiß nicht! Alles ist … irgendwie ist es … du weißt schon … alles ist irgendwie anders.“
„Was ist denn anders, lieber Faolán? Wenn du es nicht weißt, woher soll ich es dann wissen? Kannst du nicht genauer erklären, was sich derart verändert hat, dass es dir sogar die Sprache verschlägt?“
Erneut rang Faolán nach Worten. „Wie soll ich es beschreiben? Es war vorhin alles anders, als ich dich im Weiher sah. Bei Gott, ich weiß auch nicht, weshalb!“ Faolán bemerkte nicht einmal, dass er den Namen des Herrn missbraucht hatte. Wäre er jetzt im Kloster gewesen, so hätte er sich auf direktem Wege zu Prior Walram begeben müssen. „Sooft habe ich mir in den vergangenen Monaten ausgemalt, wie es sein würde, dich nach dem unendlich langen Winter wiederzusehen. Und jetzt, da es soweit ist, ist alles anders als gedacht.“
„Ist es, weil ich ohne dich gebadet habe?“, versuchte Svea herauszufinden.
Als sie das Baden erwähnte, erinnerte sich Faolán an ihre Nacktheit, die nasse Haut, die neuen Rundungen und die kleinen Brüste mit den Brustwarzen, die vor Kälte hervorstanden. Sofort spürte er, wie diese Bilder erneut die ungewohnte Hitze in seinen Lenden hervorriefen. Schnell wandte er seinen Blick von Svea ab.
Doch der unbekannte Trieb des Jünglings war stärker als sein Geist. Die Männlichkeit zwischen seinen Beinen regte sich und begann sich zu versteifen. Das verwirrte ihn, denn diese Regung kannte er bisher nur vom Morgen, wenn der Druck in seiner Blase groß war. Weshalb sich beim Gedanken an Sveas Brüste die gleiche Auswirkung zeigte, konnte er sich nicht erklären. Je mehr er sich darauf konzentrierte, umso schlimmer wurde es. Faolán war froh, dass er auf dem Baumstamm saß und die Auswirkung seiner Erregung unter der Gewandung vor Svea verborgen blieb.
Weil Faolán so lange schwieg und verlegen dreinblickte, begann Svea zu ahnen, was ihn bedrückte. „Wenn du die Veränderungen meines Körpers meinst, so hast du Recht. Einiges hat sich verändert! Doch sind diese Veränderung nicht auch etwas Schönes?“
„Nein! Doch … ja, aber das ist es ja gerade, was mich so verwirrt!“
Faolán wusste nicht, wie er mit Sveas Selbstsicherheit umgehen sollte. Als sich vor einiger Zeit sein eigener Körper verändert hatte und auch seine Stimme tiefer wurde, hatte er sich so manche Gedanken darüber gemacht. Es waren nicht immer glückliche gewesen. Zu Beginn hatte er sogar befürchtet, die Wandlung könne eine Strafe oder gar ein Fluch für eine begangene Sünde sein. Er hatte diese Veränderungen damals nicht als schön empfunden. Doch wie sollte er das Svea erklären? Ihr Körper war ja anders als seiner – und er war jetzt noch schöner als früher!
Noch einmal nahm Faolán all seinen Mut zusammen und versuchte seine Empfindungen in Worte zu fassen. „Ich kenne einen solchen Anblick nicht und es ist ungewohnt, dich so verändert zu sehen. Die Gefühle, die mich dabei überkommen, sind mir ebenfalls fremd! Das habe ich einfach nicht erwartet.“
„Ist es lediglich mein Körper? Oder ist es auch dein Blick für mich, der sich verändert hat? Schließlich bist du kein kleiner Junge mehr und warst es auch im vergangenen Sommer schon nicht.“
Wieder überkam Faolán die Hitze in den Lenden und er spürte, wie ihm die Schamesröte ins Gesicht stieg. „Verstehe mich nicht falsch. Dieser Anblick ist mir einfach nicht vertraut. Die einzige Frau, die mich bisher begleitet hat, ist die heilige Jungfrau Maria. Außer dir habe ich jedoch noch nie eine …“
Faolán versagte die Stimme und Svea beendete den Satz mit einem zärtlichen Flüstern: „… Frau nackt gesehen?“
Faolán nickte, ohne Svea dabei anzuschauen. Sie lachte leise, denn sie hatte diese schamhafte Seite des Novizen noch nie erlebt, es sei denn in Bezug auf seine Narbe. Sie bemerkte an seiner Reaktion, dass sie ihm gegenüber einen Vorteil hatte: Alveradis hatte sie auf die Veränderungen ihres Körpers vorbereitet. Ebenso hatte die Kräuterfrau erklärt, was bei Knaben gleichen Alters vor sich geht. Offensichtlich wurden Novizen in den Klosterschulen in dieser Hinsicht überhaupt nicht unterrichtet. Faolán wusste vielleicht noch nicht einmal was es bedeutete, wenn Kinder zu Erwachsenen heranreiften. Einfühlsam versuchte Svea diesen Mangel an Wissen bei ihm zu beseitigen.
„Ich kann dich beruhigen, Faolán. Diese Veränderungen muss ein jedes Mädchen früher oder später durchleben. Es ist nichts Schlimmes. Du selbst hast doch eine ähnliche Entwicklung durchlebt, als du vom Knaben zum Manne wurdest.“
Faolán fühlte sich keineswegs als Mann, auch wenn er mit seinen dreizehn Jahren das Alter bereits erreicht hatte. Doch noch war er Novize! Noch wollte er der Junge sein und bleiben, der er über viele Jahre gewesen war. Er hatte sich noch immer