„Um dich danach mehrfach mit ihr heimlich zu treffen!“, fuhr Georg seinen Sohn sogleich wieder an.
„Nein!“, wies Johann dies jetzt entschieden zurück, während er in Gedanken erneut Abbitte leistete bei seiner armen Adele für diese eigentlich unverzeihliche Verleumdung und damit der Verleugnung ihrer gemeinsamen Liebe.
Und er fuhr nach außen hin ungerührt fort:
„Gerade diese Begegnung hat mir doch bewiesen, dass eben das Hansehaus Schopenbrink nicht wirklich auf unserer Seite ist. Die machen eben auch Geschäfte mit dem Hause Brinkmann, was mich zutiefst entrüstete und dies immer noch tut.“
„Tatsächlich?“ So richtig glauben wollte es Georg immer noch nicht.
„Ich habe Gordular darauf angesprochen.“
„Aha, jetzt nennst du sie sogar auch noch mit ihrem Vornamen?“
„Natürlich tu ich das, und ich will es auch nicht mehr länger leugnen, dass wir uns nahe stehen. Zwar nur in inniger Freundschaft, aber wir wissen beide, Gordular und ich, dass daraus durchaus mehr werden könnte. Dass dies noch nicht hat geschehen können, liegt ja nicht zuletzt daran, dass ich natürlich erst noch dein Einverständnis bekommen müsste.“
„Nie und nimmer!“, brüllte jetzt Georg Wetken, wurde jedoch sogleich wieder ruhiger.
Misstrauisch legte er den Kopf schief.
„Dann hast du dich wirklich heimlich mit dieser Gordular Schopenbrink getroffen?“
„Natürlich, Vater! Soll ich sie denn hierher bitten, damit sie das persönlich dir gegenüber bestätigt?“
„Und ihr Vater, Hieronymus Schopenbrink? Weiß der denn überhaupt davon?“
„Nein, natürlich nicht! Wir haben uns nur heimlich treffen können – und wie gesagt, dies taten wir beide in zutiefst empfundener Freundschaft. Wir sind in sehr vielen Dingen seelenverwandt. Als wir dies festgestellt haben, vertiefte das unser Freundschaft und machte sie wahrlich zu etwas ganz Besonderem!“
Johann sagte das mit fester Stimme, um seinen Vater endgültig zu überzeugen.
Doch der hatte noch immer nicht vergessen, dass man ihm gesteckt hatte, sein Sohn habe sich keineswegs mit Gordula Schopenbrink getroffen, sondern vielmehr mit der erst achtzehnjährigen Adele Brinkmann.
„Nein!“, verkündete Georg Wetken entschieden. „Ich glaube dir nicht. Du hast nicht nur unser Haus in einem erheblichen Maße beschmutzt und unseren Ruf regelrecht pervertiert, sondern jetzt lügst du mich auch noch dermaßen unverschämt an.“
Er schüttelte fassungslos den Kopf.
„Und du fällst tatsächlich auf das Intrigenspiel von dieser Margarethe Brinkmann herein?“, erkundigte sich Johann jetzt mit gespielter Traurigkeit. „Die alles tut, um uns zu vernichten, aus reiner Machtgier heraus?
Es fällt dir überhaupt nicht auf, dass dies alles nur einem einzigen Zweck dienen soll, nämlich uns beide auseinander zu bringen, als Vater und Sohn für immer zu entzweien und alles zu zerstören, was wir gemeinsam aufgebaut haben?“
„Gemeinsam aufgebaut? Du hast mich belogen und betrogen! Sieht das danach aus, als wärst du mein loyaler Sohn?“
„Das bin ich nach wie vor, mein Vater. Auch durch die Tatsache untermauert, dass ich mich in Wahrheit mit Gordular traf: Sie könnte meine zukünftige Frau sein, in meinen Augen einzig würdig, dies zu werden.
Was nicht nur dem Glück von mir und unseren späteren gemeinsamen Kindern dienen würde, sondern in erheblichem Maße auch unserem Hause und der ganzen Gilde. Was spräche denn dann noch dagegen, dass sich das Hansehaus Schopenbrink endgültig unserer Gilde anschließen würde?
Das würde im erheblichen Maße unsere Stellung stärken in unserem ewigen Kampf gegen unseren Erzfeind namens Brinkmann.“
Es war eigentlich ein ziemlich langer Vortrag, den Georg Wetken da zuließ, was gleichzeitig für seinen Sohn ein Hinweis darauf zu sein schien, dass er in seiner rigorosen Meinung bereits wankend geworden war.
Die Information, die er erhalten hatte, sollte ein Schachzug seiner Erzfeindin Margarethe Brinkmann sein?
Er schien die Zeit während dieses Vortrages tatsächlich genutzt zu haben, um genau darüber intensiv nachzudenken.
Schließlich kannte man Margarethe Brinkmann, die wie eine Spinne ihr Netz aus Intrigen und Verleumdungen wob, um ihre nicht immer gleich erkennbaren Ziele zu erreichen.
Andererseits...
Nachdenklich schürzte Georg Wetken die Lippen. Sein Kopf war immer noch hochrot, was sicherlich nicht mehr allein nur an seinem kaum gezügelten Zorn lag. Etwas anderes brachte ihn jetzt auch noch in Wallung:
„Es ging damals das Gerücht um“, erzählte er zum Erstaunen Johanns, „dass Margarethe, als sie noch lange nicht Brinkmann hieß, zunächst meinen Großvater hatte für sich gewinnen wollen. Allerdings ohne Erfolg. Er hat zu Lebzeiten zwar nie darüber gesprochen, aber meine Großmutter, Gott habe sie selig, hat es einmal erwähnt, obwohl sie selber nichts Genaues wusste, denn zu diesem Zeitpunkt war sie ja noch nicht mit ihm zusammen gewesen.“
„Du meinst, dein Opa hat diese Margarethe Brinkmann einst regelrecht abblitzen lassen, was ihren Hass auf uns bis heute zusätzlich beflügelt?“
„Ja, denn sie war zwar eine wirklich ansehnliche junge Frau gewesen damals, aber für einen Wetken noch viel zu jung und vor allem absolut nicht standesgemäß. Der Altersunterschied hat dabei wohl weniger den Ausschlag gegeben. Immerhin war mein Großvater seinem Vater wiederum verpflichtet, dem berühmten damaligen Bürgermeister von Hamburg Johann Wetken, dessen Namen du in Ehren tragen solltest.
Das muss Margarethe jedenfalls zutiefst verletzt haben, und es könnte sein, dass ihr Hass allein schon aus diesem Grund eben nicht allein dem rigorosen Konkurrenzdenken geschuldet ist.“
„Und trotzdem glaubst du dieser Person mehr als deinem eigenen Sohn, deinem eigenen Fleisch und Blut?“, stellte Johann daraufhin ganz geschickt die entscheidende Frage.
Eine steile Falte erschien prompt auf der Stirn seines Vaters.
„Natürlich nicht!“, regte er sich auf. „Von ihr stammt die Information ja auch gar nicht.“
„Von wem denn sonst?“
„Aus einer absolut verlässlichen Quelle“, wich Georg prompt aus.
„Verlässlicher also als ich, dein Sohn, dein eigenes Fleisch und Blut? Dann frage ich mich ernsthaft, bei allem Respekt, den ich dir gegenüber empfinde, wieso du mich überhaupt hast als dein Nachfolger aufbauen lassen, wenn du sowieso einem anderen so unübersehbar deutlich mehr vertraust?“
„Das verstehst du nicht.“
„Nein, in der Tat, mein Vater, aber ich würde es tatsächlich eben gern verstehen!“, beharrte Johann, und dann wechselte er geschickt die Strategie – so geschickt, dass seinem Vater das gar nicht auffallen würde, wie er hoffte:
„Und selbst wenn deine Quelle zu hundert Prozent glaubwürdig ist, kann es ja trotzdem sein, dass eben diese Quelle selber belogen wurde. Ich weiß ja nicht, was dort im Hansehaus Brinkmann tatsächlich vorgeht, aber möglicherweise steckt ja Margarethe Brinkmann doch dahinter?
Wir wissen doch beide um ihre Kunst der geschickten Intrige, die natürlich als solche nicht gleich erkennbar wird, sonst könnte man ja rechtzeitig dagegen wirken und ihren Erfolg schließlich verhindern.“
Johann wandte diese Argumentation nicht nur aus reiner Strategie an, um sich damit aus dieser Situation zu retten, sondern ahnte zugleich, dass er damit der Wahrheit möglicherweise empfindlich nahe kam.
Natürlich würde Margarethe Brinkmann dahinter stecken. Wer sonst? Sie würde erfahrungsgemäß alles tun, um ein