»Möchtest du noch ein Kind sein?«
»Manchmal schon.«
Wann sie das komische Gefühl hatte, wusste sie nicht. Doch ganz spontan beim Einkaufen dachte sie: Meine Güte, ich glaube, wir werden beobachtet.
Wenn sie sich aber schnell umsah und die Menschen um sich herum fixierte, konnte sie keinen erkennen, der sie vielleicht anstarrte.
So ging das eine ganze Weile. Karla wurde langsam nervös und wechselte die Geschäfte.
»Was ist mit dir, Karla. Ich möchte noch bleiben.«
»Merkst du denn nichts?«
»Was soll ich denn merken?«
»Wir werden beobachtet, Vera.«
»Verschone mich mit dem Blödsinn.«
»Du, ich spinne doch nicht. Ich spüre es ganz deutlich, aber ich sehe niemanden, der es sein könnte.«
»Vielleicht ist es ein Freund von dir?«
»Hanko etwa?«
Wieso wurde sie auf einmal blass?
»Das glaube ich nicht. Nein, der würde sich nicht die Arbeit machen. Und außerdem, wenn er mich wirklich überfallen will, kann er das auch zu einer anderen Zeit. Mitten im Kaufhaus kann er mich schlecht klauen, findest du nicht auch?«
»Hast du jetzt auch noch das Gefühl?«
Karla drehte sich zum Regal und tat so, als sähe sie sich die Spiele intensiv an.
»Nein, jetzt nicht mehr.«
»Na also!«
»Komm, gehen wir eine Tasse Kaffee trinken.«
Seit sie mit Vera gesprochen hatte, fühlte sie sich wieder sicher. Fing sie wirklich an zu spinnen?
»Was machen wir denn zu ihrem Geburtstag?«
»Willst du auch kommen? Du, die Bude wird aber voller Kinder sein. Ich glaube, sie hat sieben Freundinnen eingeladen.«
»Das muss ich miterleben. Du lädst mich doch ein?«
»Da musst du Claudia fragen.«
Als sie heimkamen, wurden sie stürmisch empfangen, und natürlich erhielt Karla die Einladung.
»Mäuschen, ich habe dir auch etwas Wundervolles gekauft.«
Das kleine Mädchen war selig.
Dieser Kindergeburtstag – noch lange würde Karla daran zurückdenken müssen. Er war in ihrem Leben fast wie ein Meilenstein. Wie herrlich hatten sie sich amüsiert, wie schön waren diese Augenblicke. Karla spielte mit den kleinen Mädchen und war glücklich. Sie hatte alles vergessen und fühlte die Geborgenheit und das Glück, das ihr Claudia und Vera schenkten.
Abends saßen sie noch eine Weile zusammen.
»Ich weiß gar nicht mehr, wie mein Leben verlaufen ist, als ich dich nicht hatte.«
»Nun übertreibst du doch, Karla.«
»Du, ich habe mir etwas überlegt.«
»Da bin ich aber gespannt.«
»Pass auf, ich habe gestern mal alles durchgerechnet. Wenn ich noch ein Jahr zulege, dann habe ich genug Geld, dass ich mir einen Laden kaufen kann. Was hältst du davon? Wir zwei als Geschäftsfrauen. Wir könnten uns abwechseln, und Claudia hätte immer jemanden, der sich um sie kümmert. Vielleicht bekommen wir sogar einen Laden mit Wohnung?«
Vera sagte ernst: »Das wäre wundervoll, aber glaubst du nicht, dass es zu früh ist, um Pläne zu machen?«
»Wieso, hast du Bedenken?«
»Nun, wir müssen uns noch prüfen. Ich meine, jeder hat seinen Dickkopf, und das ganze Leben liegt noch vor uns. Es könnte Schwierigkeiten geben.«
»Nein, und heiraten, das kommt für mich nicht in Frage, Vera. Darauf kannst du Gift nehmen.«
»Ehrlich gesagt, habe ich das auch nicht vor. Freundschaft, ja, aber Heirat, ich weiß nicht. Ich glaube, wir sind zu sehr an unsere Freiheit gewöhnt.«
»In einem Jahr sprechen wir ausführlich darüber. Weißt du, ich habe aber schon ein Ziel.«
Karla blickte auf die Uhr.
»Jesses, ich muss noch mal in meine Wohnung. Ich habe vergessen, meine Klamotten mitzunehmen.«
Vera erhob sich auch.
»Ich bringe Claudia zu Bett, anschließend möchte ich eine kranke Kollegin besuchen. Ich habe es dem Chef versprochen.«
»Kann ich dich mitnehmen?«
»Ja, wenn du noch Zeit hast.«
»Auf die paar Minuten kommt es jetzt auch nicht mehr an.«
Claudia hatte sich so ausgetobt, dass sie schon halb schlief, als Vera sie zu Bett brachte. Sie bedankte sich bei Karla und küsste sie.
»Kommst du Sonntag wieder?«
»Ja, Herzchen.«
Wenig später verließen die zwei Frauen das Haus. Karla brachte Vera zur angegebenen Adresse und fuhr dann weiter. Sie holte ihre Kleidung für die Bar und übernahm ihren Job wie jeden Abend. Sie fühlte sich müde und bat Mäxi um ein Glas Sekt.
»He, das sind ja ganz neue Methoden. Du trinkst doch sonst nie. Was ist los?«
»Kindergeburtstag«, sagte sie lachend.
»Was?«
»Später, da drüben ist Peter.«
»Der kommt aber jetzt ziemlich oft, wie?«
Sie lachte nur.
An diesem Abend gaben sich die Stammkunden die Klinke in die Hand. Karla war gutmütig und dachte natürlich an die Zukunft. Ein Jahr noch dieses Leben, und dann? Sie war aufgekratzt und froh. Das übertrug sich auf die Kundschaft. Die gab ihr sogar noch Trinkgeld, weil Karla so herzlich war.
Als die Bar ihre Tore schloss, fuhr Karla heim und fiel müde ins Bett.
10
Das Telefon läutete ununterbrochen.
Karla tauchte aus einem wilden Traum auf und brauchte einige Zeit, um in die Wirklichkeit zurückzukehren. Dann stand sie auf und nahm ärgerlich den Hörer ab. Es war erst zehn Uhr, für sie noch mitten in der Nacht.
»Ja? Wer ist denn dort?«
Zuerst hörte sie nur ein wildes Schluchzen und undeutliche Worte, mit denen sie nichts anfangen konnte.
»Wer ist denn da?«
»Claudia«, stammelte das kleine Mädchen. »Karla, meine Mutti ist nicht da!« Wieder weinte das Kind laut auf.
Sie bekam einen Schrecken.
»Liebes, nun sei mal ganz ruhig, ich bin ja da. Also, was ist denn los?«
»Meine Mami ist nicht daheim.«
»Vielleicht ist sie gerade einkaufen gegangen.«
»Nein«, wehklagte das Kind. »Nein, nein, ich muss doch in die Schule, schon lange, aber Mami ist nicht da.«
Warum fühlte sie sich auf einmal so elend?
»Seit wann ist sie denn fort?«
»Seit gestern«, stammelte Claudia.
»Hör zu, Mäuschen, ich ziehe mich jetzt an und bin gleich bei dir, ja?«
»Ja,