Die Herren in ihren Trainingsanzügen legten eine Pause ein und beobachteten den Butler, der jetzt ebenfalls in schneller Reihenfolge schoß.
„Viel zu schnell“, sagte Hallway verkniffen lächelnd, als Parker die Waffe absetzte. „Auf diese Art und Weise werden Sie niemals über den Durchschnitt kommen!“
Das Ziel zischte über die gut geölten Schienen heran und konnte begutachtet werden.
„Eine Zahl“, meldete Hallway, „ich habe Ihnen ja gleich gesagt, daß Sie zu schnell geschossen haben. Die übrigen vier Schüsse müssen in die Deckung gegangen sein.“
„Wie Sie meinen, Sir“, sagte Parker, der es natürlich besser wußte.
„Wenn Sie Lust haben, können Sie jederzeit hier unten trainieren“, sagte Hallway, „auf eigene Rechnung und Gefahr, was wohl verständlich ist.“
„Gewiß, Sir! Darf ich Ihnen die Waffe zurückgeben?“
Einer der Männer wandte sich an Hallway, zog ihn zur Seite und flüsterte mit ihm einen kurzen Moment. Diesem Patienten schien etwas aufgefallen zu sein.
„Sollte meine bescheidene Wenigkeit gegen irgendwelche ungeschriebenen Regeln verstoßen haben?“ erkundigte Parker sich, als Hallway leicht betroffen zu ihm zurückkehrte.
„Der Herr dort meint, Sie hätten alle fünf Schüsse durch die Zehn gejagt“, antwortete Hallway und sah den Butler eigenartig an.
„Das kann ich mir kaum vorstellen“, untertrieb der Butler in seiner bekannten Art, „falls dies aber doch der Fall gewesen ist, so muß ich erneut den Zufall zitieren.“
„Sie sollten noch eine Serie schießen, Parker!“
„Wenn Sie darauf bestehen. Bitte schön!“
Parker übernahm eine andere Pistole, visierte das Ziel an und feuerte die Schüsse ab.
Erstaunliches tat sich.
Die herumirrenden Geschosse zerfetzten leider nicht das Ziel, sondern einen Teil der Anlage. Querschläger zwitscherten singend und schrill pfeifend durch den Schießstand und zwangen die verdutzten Patienten in volle Deckung.
„Ich fürchte, Sir, daß ich mich gründlich blamiert habe“, meinte Josuah Parker verschämt, „hoffentlich lassen die Schäden sich bald und kostensparend reparieren.“
„Gehen wir“, meinte Hallway mißmutig, „die Kosten werden natürlich vom Haus übernommen!“
„Wenn Sie gestatten, möchte ich jetzt nach Mister Rander sehen!“ Parker nickte den Patienten freundlich, aber distanziert zu, lüftete grüßend seine Melone und verließ zusammen mit Hallway den unterirdischen Schießstand.
„Aber das hat doch noch Zeit“, lenkte Hallway ab, „ich möchte Ihnen vorher noch unseren Body Building Room zeigen, Sie werden überrascht sein.“
Parker willigte ein, wenngleich sein Gefühl ihm vage und undeutlich sagte, daß er seinen jungen Herrn nicht länger allein lassen durfte …
*
Les Paulsen, der leitende Manager des Recreation Center, ein seriöser, schlanker Mittfünfziger, war nicht allein in seinem Büro. Neben seinem Schreibtisch stand eine langbeinige, dunkelblonde Frau von schätzungsweise dreißig Jähren und exotischer Schönheit.
„Miss Friday“, stellte Paulsen vor, „meine Privatsekretärin … Sie haben sich also entschlossen, Mister Rander, hier bei uns zu kuren?“
„Richtig!“
„Es warten damit harte Tage auf Sie“, erläuterte Paulsen weiter, während Miss Friday sich schweigend verhielt, den jungen Anwalt aber intensiv und abschätzend musterte. „Die Anstrengungen lohnen sich, das kann ich Ihnen schon jetzt garantieren.“
„Ich will es sehr hoffen.“ Rander lächelte neutral.
„Sie werden sich dem Rahmenprogramm unterziehen müssen“, redete Les Paulsen weiter, „darüber hinaus können Sie nach Rücksprache mit dem Kurarzt weitere Kurse belegen.“
„Ich fühle mich schon jetzt wohl“, behauptete Rander unverfroren. „Gibt es Bedenken, daß mein Butler bei mir bleibt?“
„Das allerdings, Mister Rander. Les Paulsen hob bedauernd die Schultern. „Wir bestehen darauf, daß unsere Kursanten jede Verbindung mit ihrem gewohnten Alltag abbrechen. Ein Butler, das werden Sie zugeben, wäre solch eine Verbindung.“
„Ich denke, mein Butler wird als Kursant bleiben. Auch er braucht dringend eine Generalüberholung. Ich werde das veranlassen.“
„Dann kann Mister Parker selbstverständlich bleiben. Ach, richtig, ich brauche von Ihnen noch eine Abtretungserklärung!“
„Worum handelt es sich dabei?“
„Wir können natürlich keine rechtlichen Verpflichtungen übernehmen, falls Sie gesundheitlichen Schaden erleiden, der sich nach Lage der Untersuchung nicht vorausberechnen ließ.“
„Mit anderen Worten, falls mir etwas passiert, sind Sie aus dem Schneider, ja?“
„So ungefähr, Mister Rander. Miss Friday, die Unterlagen, bitte!“
Die langbeinige Dunkelblonde zauberte einige Formular herbei, die Mike Rander sorgfältig durchlas. Wohl verpackt in einem Wust von Worten befand sich die Abtretungserklärung. Der junge Anwalt hatte es richtig ausgedrückt, regreßpflichtig konnte das Recreation Center nicht gemacht werden, falls ihm während der Kur ein gesundheitlicher Schaden zustieß.
Rander dachte an die Warnung von Schwester Kathy und … unterschrieb. Er war jetzt vollkommen sicher, daß Parker und er wieder einmal durch Zufall auf einen interessanten Fall gestoßen waren.
„Demnach haben Sie also keinen Ärger, weil Ihr Kurgast Hacklett umgekommen ist, nicht wahr?“ Rander schob die unterschriebenen Formulare an Miss Friday weiter, die sich die Unterschriften sehr genau ansah.
„Mister Hacklett kam unten auf dem See ums Leben“, sagte Paulsen geschmeidig und höflich, „für solch einen Unglücksfall hätte man uns niemals verantwortlich machen können.“
„Wohnte Mister Hacklett schon seit längerer Zeit bei Ihnen?“
„Seit fast drei Wochen. Und ich muß sagen, der Arzt war mit seiner Regeneration sehr zufrieden.“
„Hoffentlich wird er das bald auch von mir sagen können.“ Rander stand auf und nickte Paulsen und Miss Friday lächelnd zu. „Ich darf mich empfehlen, ja?“
„Ich wünsche Ihnen gute Erholung, Mister Rander … Paulsen brachte seinen neuen Kurgast bis an die Tür seines Privatbüros. Als Rander im Vorzimmer war, stießen Jerry und Hale, die draußen gewartet hatten, wie Habichte auf ihn zu.
„Schwitzbad und Massage“, sagte Hale grinsend. „Man wartet bereits auf Sie!“
„Aber doch nicht schon jetzt, so ohne jeden Übergang.“
„Wer sich den Anordnungen des Personals widersetzt, muß mit seiner sofortigen Entlassung rechnen. Kommen Sie, Mister Rander! So unangenehm ist das alles gar nicht. Hauptsache, Sie halten’s durch!“
Mike Rander mußte wohl oder übel folgen. Doch er ahnte nicht, was ihn erwartete, sonst hätte er möglicherweise einen schnellen und gekonnten Fluchtversuch unternommen.
*
Die Wände waren blendend weiß gestrichen, die Decke rosa getönt. Auf dem roten Fußboden aus Kunststofffliesen standen Marterinstrumente aller Art, die der Körperbildung dienten. Da waren Streckbretter mit Zugfedern, Stemmgalgen, stationäre Fahrräder, Rudergeräte und Endlosbänder, auf denen man das Laufen in allen Gangarten trainieren konnte.
Auch in diesem Raum waren Kurgäste, die sich nach allen Regeln der Kunst abstrampelten. Auch diese Herren trugen Trainingsanzüge oder Turnzeug. Sie waren durchweg