„Sehr nett“, wiederholte Rander noch einmal, als sie auf den Gasthof unten an der Straße zugingen. Zu beiden Seiten dieses Gasthofes erhoben sich hohe Mauern aus Bruchsteinen, die beiderseits im nahen Wald verschwanden und wahrscheinlich das gesamte Areal umschlossen.
„Ich muß gestehen, daß mich das anwandelt, Sir, was man etwas schwärmerisch heimatliche Gefühle nennt“, bekannte der Butler, als sie die Halle des Gasthofes betraten. Hier gab es niedrige Deckenbalken, viel Zinngeschirr, Butzenscheiben und alte, natürlich ebenfalls stilechte Möbel.
„Irgendwann werde ich mit Ihnen wieder nach England müssen“, spottete Mike Rander arglos, „Sie scheinen es mit dem Heimweh zu haben!“
„Ich möchte Ihre Zeit nicht unnötig in Anspruch nehmen, Sir!“
Rander kam zu keiner Antwort.
Hinter der Anmeldung erschien ein kompakter Mann von etwa fünfzig Jahren, etwas zu gutmütig und zu arglos aussehend.
„Da sind Sie ja!“ rief er Rander und Parker entgegen, „Sie sind schon seit ’ner halben Stunde überfällig!“
„Wieso?“ fragte Mike Rander ehrlich verblüfft zurück.
„Ein kleiner Unfall, der den allgemeinen Verkehrsfluß hemmte“, erläuterte Josuah Parker schnell.
„Kommt ja auf die genaue Stunde gar nicht an“, sagte der kompakte Empfangschef, „Sie können gleich durch ins Gästehaus Nr. 6 fahren. Ich laß’ die Barriere hoch … Moment!“
Rander und Parker gingen zurück zum hochbeinigen Monstrum. Rander fühlte sich nicht wohl in seiner Haut.
„Was soll dieser Unsinn?“ fragte er den Butler ärgerlich, „es ist doch offensichtlich, daß der Mann uns mit anderen Gästen verwechselt.“
„Selbst auf die Gefahr hin, mir Ihren Unmut zuzuziehen, Sir, möchte ich dringend raten und vorschlagen, vorerst auf diesen Irrtum einzugehen.“
„Was versprechen Sie sich denn davon, zum Henker?“
„Information, Sir, zumal der Tote hier wohnte.“
Die Fortsetzung der Unterhaltung konnte zu Parkers Freude nicht stattfinden, denn der Empfangschef erschien an der großen Einfahrt rechts vom Restaurant und sperrte das Tor auf. Dahinter war in einem Abstand von etwa drei Metern eine schwere Barriere aus Stahlrohr, die er nun hochgehen ließ.
Rander und Parker — bereits im Wagen — durchfuhren die Sperre und gelangten über eine schmale Asphaltstraße hinauf zum Gästehaus Nr. 6, einem wirklich reizend anzusehenden Bau, dessen Fenster einladend geöffnet waren.
„Ich werde Ihnen gleich das Personal schicken“, sagte der Empfangschef, der mitgekommen war, „hören Sie, darf ich mal ’ne Frage stellen?“
„Natürlich!“ Rander nickte zurückhaltend.
„Warum fahren Sie eigentlich so einen komischen Schlitten? So was fällt doch auf?“
„Ein Tick“, murmelte Rander, „sonst noch Fragen?“
„Ich wollt’ nicht neugierig sein“, sagte der Empfangschef fast ängstlich.
„Schon gut, schon gut … Wann werden wir den Chef des Center sehen?“
„Der wird erst in einer Stunde kommen. Zuerst sollen unsere Gäste sich mal richtig eingewöhnen. Übrigens, Sie haben doch keine Schußwaffen bei sich, oder?“
„Wie bitte …?“ Rander kniff die Augen zusammen und sah seinen Butler kurz an.
„Waffen, mein’ ich. Die müssen nämlich abgegeben werden, aber das wissen Sie ja wohl …
„Äh … Natürlich!“ Rander nickte. Sein gerade gewecktes Interesse steigerte sich bereits, „gibt es sonst noch Spielregeln, an die man sich hier halten muß?“
„Das war schon alles, Sir … Das heißt, gepokert werden darf nur oben im Spielsaal, aber das alles sagt Ihnen der Manager. Bis dahin! Ich wünsche gute Erholung!“
Rander und Parker betraten das kleine Einzelhaus und wunderten sich erneut über die stilvolle und sicher teure Einrichtung. Hier war nicht gespart worden. Dieses Bungalow-Hotel gehörte eindeutig zur Spitzenklasse.
„Komisches Hotel“, sagte Rander, als er mit seinem Butler allein war, „ich glaube, es war doch richtig, hier eine kleine Zwischenstation einzulegen.“
„Die Frage nach etwaigen Waffen fand ich, offen gesagt, Sir, recht eigenartig. Sie gehört einfach nicht in ein gut geführtes Hotel.“
„Mit wem mag man uns nur verwechselt haben?“ Rander zündete sich schnell eine Zigarette an, bevor Parker ihm mit Feuer zu dienen vermochte, „hoffentlich bekommen wir durch diesen Schwinde] keinen Ärger. Wissen Sie, Parker, irgendwie habe ich ein eigenartiges Gefühl in der Magengegend … Hier stimmt etwas nicht!“
„Ich möchte mich beeilen, Sir, mich Ihrer Meinung anzuschließen“, antwortete Josuah Parker und starrte dann etwas indigniert in Richtung Tür. Was sich dort seinen Augen bot, war durchaus geeignet, sein Staunen zu wecken.
*
Sie sahen reizend aus in den langen Netzstrümpfen, den knappen Höschen darüber und der Corsage, die den Oberkörper nicht unnötig einzwängte. Um den Hals lag ein blendend weißer Eckkragen mit einer schwarzen, groß gebundenen Schleife. Auf dem Kopf saß ein eng anliegendes Käppchen, aus dem zwei große Hasenohren hervorragten.
Die beiden Häschen in Menschengröße knicksten gleichzeitig und produzierten ein gekonntes Lächeln, das jeder Zahnpastareklame zur Ehre gereicht hätte.
„Wir möchten Ihnen helfen“, sagte der erste Hase und kümmerte sich um Mike Rander, der äußerst wohlwollend zurücklächelte.
„Sie werden sich bestimmt wohl fühlen“, sagte der zweite Hase und kümmerte sich um Josuah Parker.
„Würden Sie die Freundlichkeit haben und uns die Räumlichkeiten zeigen?“ Parker schüttelte seinen Hasen ab, der ihm zu routiniert wirkte.
„Das ist schnell getan“, sagte der Hase, der etwa fünfundzwanzig Jahre alt sein mochte und dem weiblichen Geschlecht angehörte, wie ganz offensichtlich zu erkennen war, „hier unten haben Sie den Salon, die Pantry, wo Sie sich selbst einen Imbiß außerhalb der Essenszeiten herstellen können und ein Arbeitszimmer. Oben befinden sich drei Schlafräume, die Toilette und das Bad!“
„Das hier ist das Grundprogramm“, sagte der zweite Hase und drückte Mike Rander eine Mappe in die Hand, die in rotem Saffianleder eingebunden war, „Sie können sich heraussuchen, worauf Sie Spaß und Lust haben. Obligatorisch ist nur der wöchentliche Arztbesuch, aber auf den werden Sie freiwillig wohl kaum verzichten.“
„Bestimmt nicht“, erwiderte Rander lächelnd. Er gestand sich ein, daß ihm dieses Hotelpersonal ausnehmend gut gefiel. Es erinnerte ihn an den Playboy-Club in Chikago, den er einmal zusammen mit Geschäftsfreunden besucht hatte.
„Sollten Sie aber Sonderwünsche haben, Sir“, schaltete der zweite weibliche Hase sich ein, „so wenden Sie sich bitte an den Manager Ich bin sicher, daß man Ihnen alle Wünsche erfüllen wird. So, dürfen wir uns jetzt um das Gepäck kümmern?“
Sie durften.
Als Josuah Parker, höflich wie immer, die Koffer tragen wollte, wurden die beiden reizenden Häsinnen fast böse. Sie bestanden darauf, daß Parker sich wie Mike Rander in einen Sessel verfügte und sich bedienen ließ.
Während die beiden Hasen das Gepäck hinauf in die Schlafräume trugen, schüttelte Rander zweifelnd den Kopf.
„Sie