Mein Magen knurrte und mein Kopf schmerzte davon, dass ich zu wenig getrunken hatte. Und müde war ich auch. Ich schloss die Augen.
In diesem Moment drehte sich ein Schlüssel im Schloss und die Tür wurde aufgerissen. Erschrocken verlor ich das Gleichgewicht und fiel buchstäblich mit dem Rücken voran in den Laden hinein, wo mir ein Schwall warmer Luft entgegenschlug.
„Wer klopft da so wild gegen meine Tür? Und wer tritt da unerlaubt über die Schwelle meines bereits geschlossenen Ladens?“, fragte eine laute, harsche Stimme.
Wie ein umgekippter Käfer rollte ich mich schwerfällig auf den Bauch, stützte meine Hände auf den Holzdielen ab und rappelte mich auf. Vor mir stand ein kleiner, hagerer Mann mit weißem, langem Ziegenbart und einer winzigen Brille auf der Nasenspitze. Er trug ein weißes Hemd und darüber eine schwarze Weste, die selbst im schwachen Schein der Beleuchtung aus dem Hinterzimmer abgetragen und alt wirkte. Böse sah er mich aus zusammengekniffenen Augen an.
Das konnte ich auch. Ohne den Blick von ihm abzuwenden, klopfte ich den Staub aus meiner Decke, die mir von den Schultern gerutscht war, als würde das etwas nützen. „Sie meinen, wer hat da vor einer guten Viertelstunde wild gegen Ihre Tür geklopft und ist in Ihren bereits geschlossenen Laden gefallen, nachdem Sie ihn so elegant geöffnet haben?“ Waise hin oder her, auf den Mund gefallen war ich nicht. Und wenn es das einzige Nützliche war, das ich mir über die Jahre hinweg angeeignet hatte.
„Gesindel können wir hier nicht gebrauchen!“, rief er, gab mir einen leichten Stoß gegen den Brustkorb und wollte mir die Tür vor der Nase zuschlagen. Schnell schob ich meinen Fuß zwischen Tür und Rahmen und fluchte laut, als dieser eingequetscht wurde. Der alte Mann hatte einen energischeren Schwung drauf, als ich angenommen hatte. Wütende Augen blinzelten mich über den Brillenrand hinweg an.
„Aber, aber“, sagte ich, „wer redet denn von Gesindel?“ Meine Mundwinkel zogen sich auseinander und entblößten meine Zähne. Für ein richtiges Lächeln reichte es heute nicht mehr, aber der gute Wille zählte.
„Was willst du?“, knurrte er und zog die Tür einen Spalt weiter auf.
„Das, was Leute gewöhnlich in Läden wollen.“
„Du meinst stehlen? Denn dass du kein Geld hast, kann ein Blinder mit Augenbinde sehen.“ Er zupfte am Saum meiner löchrigen Decke, wie um seine Aussage zu bekräftigen.
Ich rollte sie zusammen. Schelmisch grinste ich ihn an. „Wollen wir das Sehen doch den Sehenden überlassen.“ Ich zog den gestohlenen Geldbeutel hervor, öffnete ihn weit genug, um seinen Inhalt im Lichtstrahl glitzern zu lassen, und hielt ihn ihm unter die gekrümmte Nase.
Die kleinen Augen wurden groß und er begann, nach links und rechts die Straße entlangzuschauen. Dann zog er mich schwungvoll in den Laden hinein und schloss hinter uns ab. Wärme umfing mich und ich seufzte leise. Ich fühlte mich wie ein großes Stück Eis, das man in die Sonne gelegt hatte. Es würde dauern, bis die Kälte ganz aus meinen Gliedern gewichen war, aber zweifelsohne fühlte es sich gut an.
„Dass das nicht dein hart verdientes Geld ist, weiß ich von selbst. Ich will gar nicht erst fragen, wie du da drangekommen bist.“
Staunend blickte ich mich im Laden um, während ich weiter hineinlief, dem warmen Licht aus dem Hinterzimmer entgegen. Die zusammengerollte Decke legte ich achtlos auf einem Stapel Bücher an der Wand ab. Der Duft von Hagebuttentee hing in der Luft.
Die verschiedensten Gegenstände stapelten sich in Haufen und Türmen bis an die Decke und ich hatte im Vorübergehen Angst, gegen einen davon zu stoßen und ihn zu Fall zu bringen. Da war ein Regal voll mit altem Geschirr und Besteck, Kerzenleuchter, aufeinandergestapelte Tierfallen, Tücher und Vorhänge in verblassten Farben, Brettspiele, Petroleumlampen mit Sprung, Flöten und Zupfinstrumente, aus Holz geschnitzte Tierfiguren, große und kleine Bilderrahmen, Bücher mit vergilbten Seiten – und das war nur ein Bruchteil dessen, was mich umgab.
Ich wandte mich wieder dem kleinen Mann, dem Trödelhändler, zu, der mich auf Schritt und Tritt verfolgte. „Wenn Sie mich klopfen gehört haben, warum haben Sie erst jetzt die Tür geöffnet?“
Stolz reckte er das Kinn in die Höhe. „Um dich Geduld zu lehren! Glaubst wohl, ich eile, wenn mir jemand fast die Tür einschlägt? Oho, nein, einen Tee habe ich mir stattdessen aufgesetzt.“
Ich konnte nicht anders, mein Mund verzog sich von ganz allein zu einem erleichterten Lächeln. Ich war so froh, dass sich das Männchen dazu entschieden hatte, trotz der späten Stunde zu öffnen und sich von seiner Habgier leiten zu lassen. Und ein für den Kern ärmlicher Trödler wie er stellte keine Fragen über verdächtige Geldsummen, so wie ich es mir gedacht hatte. Genau deshalb war ich hergekommen. „Haben Sie auch Mäntel?“, wollte ich wissen.
Der Verkäufer schenkte mir einen herausfordernden Blick. „Die Frage, mein Junge, lautet nicht ob, sondern wo. Hier entlang.“ Er führte mich durch das Labyrinth des Trödelwirrwarrs.
„Machen Sie das oft?“, fragte ich.
„Was denn?“
„Lärmende Jugendliche nach Ladenschluss einlassen?“
Er schenkte mir einen flüchtigen Schulterblick, bevor er sich durch ein herabhängendes Fischernetz kämpfte. „Wenn sie das nötige Kleingeld dabeihaben. Wie man so schön sagt: Geld öffnet Türen. Manchmal eben auch wortwörtlich.“ Dann tauschten wir die Rollen, ich verfing mich im Netz und er stellte eine Frage: „Du lebst noch nicht sehr lange im Kern, oder?“
„Nein. Ist mein erster Tag heute. Ich wohne in der Villa am Ende der Straße.“
„Ja, ja, Junge, mach du nur deine Scherze. Wenn es anfängt zu schneien, wird dir das Lachen noch früh genug vergehen. Tust gut daran, nach Mänteln zu schauen.“
Das Netz war überwunden, ich pflückte ein paar alte Fischschuppen aus meinem Haar und fand mich vor einem Kleiderständer wieder, an dem Jacken, Hemden und Mäntel in mehreren Schichten übereinanderhingen.
„Staubfänger“, murmelte er leise. „Welche Farbe bevorzugt der feine Herr?“, fragte er mich, die Hand bereits ausgestreckt, um sofort nach dem Stoff meiner Wahl zu greifen.
Ich ließ meinen Blick über die Kleidungsstücke schweifen. Grau, braun, blassblau. Es hätte mir nicht gleichgültiger sein können.
„Die Farbe, die zum wärmsten Mantel gehört“, entgegnete ich.
Er zog mit einiger Mühe einen dunklen Mantel unter mehreren anderen zum Vorschein. Zwei Hemden fielen dabei achtlos zu Boden. „Der scheint mir warm zu sein.“ Er hielt ihn mir unter die Nase.
Ich rieb den Stoff zwischen Daumen und Zeigefinger und begutachtete kritisch die fehlende Knopfleiste. Ich schüttelte den Kopf. „Knöpfe wären großartig.“ Immerhin wollte ich im Winter nicht dazu gezwungen sein, meinen Mantel offen tragen zu müssen.
Der kleine Mann schaute mich ungeduldig an, immerhin strapazierte ich gerade seine freie Zeit nach Ladenschluss. Ich ließ meinen Geldbeutel klimpern, um ihn daran zu erinnern, warum er das tat. Ich kam mir dabei sehr gut vor. Und es wirkte; mit neuem Elan durchstöberte er die Kleiderschichten. Er hielt mir einen weiteren Mantel hin, den ich auch ablehnte, da er löchriger war als meine Decke.
Schließlich reichte er mir einen verwaschenen blauen Mantel mit tiefen Taschen, dem nur ein einziger Knopf fehlte und der ansonsten in einem guten Zustand zu sein schien.
„Na los, probier ihn an!“, forderte er mich auf.
Ich