Empowerment in der Sozialen Arbeit. Norbert Herriger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Norbert Herriger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783170341487
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relativer Machtunterlegenheit austreten und sich ein Mehr an demokratischem Partizipationsvermögen und politischer Entscheidungsmacht aneignen. Diese Begrifflichkeit, die Empowerment explizit in politischen Kategorien buchstabiert, findet sich vor allem in Arbeitsansätzen und Projekten, die dem Kontext der Bürgerrechtsbewegung und anderer sozialer Emanzipationsbewegungen entstammen. Ihnen gemeinsam ist, daß sie in engagierter Parteilichkeit für eine »Bemächtigung der Ohnmächtigen« eintreten und damit die scheinbar unabänderlich festen Webmuster struktureller Macht in Unordnung bringen: radikal-politische Bewußtwerdungskampagnen durch Erziehungs- und Alphabetisierungsprogramme in der Dritten Welt; politische Gemeinwesenarbeit und »radical community organization«; feministische Bewegung; lokalpolitische Bürgerinitiativen und öffentlichkeitswirksame Kampagnen für die Beachtung der Interessen ethnischer und sozialer Minderheiten.

      Empowerment hat »… zum Ziel, die Macht etwas gerechter zu verteilen – und das dort, wo es wichtig ist, nämlich im Hinblick auf die Selbstbestimmung und die Kontrolle der Menschen über das eigene Leben« (Berger/Neuhaus 1996, S. 164).

      »Empowerment beschreibt ein Spektrum von politischen Aktivitäten, das vom individuellen Widerstand bis hin zu kollektiven politischen Widerstandsbewegungen reichen kann, die die basale Machtstruktur einer Gesellschaft zu verändern suchen. Eine solche Definition untersucht Empowerment als einen Prozeß, der auf der gesellschaftlichen Makroebene angesiedelt darauf ausgerichtet ist, die Strukturen und Verteilungen von Macht in einem spezifischen kulturellen Kontext zu verändern« (Browne 1995, S. 359).

      »Im Brennpunkt der Empowerment-Praxis stehen die Erfahrungen von unterdrückten Gruppen, deren Mitglieder faktisch und psychologisch durch den Mangel an Zugang zu Macht und Ressourcen beeinträchtigt sind. Diese Perspektive fokussiert das Interesse auf das Verständnis, in welcher Weise Individuen die Erfahrung personaler Kontrolle und die Fähigkeit zur Einflußnahme auf das Verhalten anderer gewinnen, die schon vorhandenen Stärken von Personen oder Gemeinschaften erweitern und ein neues Gleichgewicht in der Verteilung von Ressourcen herstellen« … »Der Empowerment-Prozeß umfaßt eine kritische Revision der Einstellungen und Glaubensgrundsätze im Hinblick auf die eigene Person und die soziopolitische Umwelt, die Validierung der eigenen Lebenserfahrungen, den Zugewinn eines erweiterten Bestandes von Wissen und Fähigkeiten für kritische Reflexion und Aktion und das Eintreten für personalen und politischen Wandel« (Gutierrez 1994, S. 203 und 1998, S. 20).

      »Empowerment ist ein Mehr-Ebenen-Konstrukt, in dessen Mittelpunkt jene Prozesse stehen, durch die Menschen Kontroll- und Bewältigungskompetenzen für ihr Leben im Kontext der gegebenen sozialen und politischen Umwelt gewinnen. Durch die Teilhabe am demokratischen Leben ihrer Gemeinde und im Wege ihres Eintretens für sozialen Wandel gewinnen sie die Erfahrung von Kontrolle und Gestaltungskraft in der Ausübung von politischer Macht« (Wallerstein 1992, S. 198).

      Empowerment – lebensweltlich buchstabiert

      Einen zweiten begrifflichen Zugang gewinnen wir mit Blick auf einen zweiten Bedeutungsgehalt, der mit dem Begriff »power« verbunden ist. Unser Wörterbuch liefert uns als weitere Übersetzungsmöglichkeit auch »Stärke«, »Kompetenz«, »Durchsetzungskraft«, »Alltagsvermögen«. Verwenden wir diesen zweiten Wortsinn, so meint Empowerment das Vermögen von Menschen, die Unüberschaubarkeiten, Komplikationen und Belastungen ihres Alltags aus eigener Kraft zu bewältigen, eine eigenbestimmte Lebensregie zu führen und ein nach eigenen Maßstäben gelingendes Lebensmanagement zu realisieren. Diese lebensweltbezogene Definition buchstabiert Empowerment somit nicht (allein) in den makropolitischen Kategorien von politischer Entscheidungsmacht. Sie stellt vielmehr eine gelingende Mikropolitik des Alltags in ihren Mittelpunkt und thematisiert so das Vermögen von Individuen, in der Textur ihrer Alltagsbeziehungen eine autonome Lebensform in Selbstorganisation zu leben. Verwendung findet dieser alltagsbezogene Begriff vor allem in der Rezeption des Empowerment-Konzeptes durch Soziale Arbeit und Gemeindepsychologie.

      »Empowerment zielt auf die Stärkung und Erweiterung der Selbstverfügungskräfte des Subjektes; es geht um die (Wieder-)Herstellung von Selbstbestimmung über die Umstände des eigenen Alltags« (Herriger 1991, S. 222).

      »Leitfaden des Empowerment-Konzeptes… ist das Vertrauen in die Stärken der Menschen und der Glaube an ihre Fähigkeiten, Regie über das eigene Leben zu führen. Es formuliert damit eine Absage an den Defizit-Blickwinkel, der bis heute das Klientenbild der traditionellen psychosozialen Arbeit einfärbt. Der Adressat sozialer Dienstleistungen wird hier nicht mehr allein im Fadenkreuz seiner Lebensunfähigkeiten und erlernten Hilflosigkeit wahrgenommen. Im Mittelpunkt stehen vielmehr seine Stärken und seine Fähigkeiten, auch in Lebensetappen der Schwäche und der Verletzlichkeit die Umstände und Situationen seines Lebens selbstbestimmt zu gestalten. Das Empowerment-Konzept zeichnet so das optimistische Bild eines Klienten, der handelnd das lähmende Gewicht von Ohnmacht, Fremdbestimmung und Abhängigkeit ablegt, Autor der eigenen Lebensgeschichte wird und in immer größeren Graden Selbstbestimmung über die Umstände des eigenen Lebens gewinnt« (Herriger 1994, S. 34).

      »Empowermentprozesse erzählen Geschichten von Menschen und ihren Zusammenschlüssen, denen es gelungen ist, ihre eigenen Ressourcen und Stärken zu erkennen und diese in soziale Handlungen umzusetzen. Empowerment ist also als ein Prozeß zu betrachten, in dem Menschen, Organisationen oder Gemeinschaften ihren ökologischen und sozialen Lebensraum gestalten und so mit einschränkenden Bedingungen und problematischen Situationen kreativ und ihren Bedürfnissen gemäß umgehen lernen. Der Blickwinkel richtet sich hier gezielt auf die Ressourcen und Stärken der Menschen, auf ihre Potentiale zur Lebensbewältigung und -gestaltung – auch unter den eingeschränkten Bedingungen des Mangels oder vor dem Hintergrund vielfältiger persönlicher und sozialer Defizite« (Stark 1996, S. 107f.).

      Empowerment – reflexiv buchstabiert

      Definitionen im reflexiven Wortsinn betonen die aktive Aneignung von Macht, Kraft und Gestaltungsvermögen durch die von Machtlosigkeit und Ohnmacht Betroffenen selbst. Reflexive Definitionen kennzeichnen Empowerment in diesem Sinne als einen Prozeß der Selbst-Bemächtigung und der Selbst-Aneignung von Lebenskräften. Diesen reflexiven Definitionen eignet das Bild eines Aufbruches, eines Wechsels des Lebenskurses: Menschen verlassen das Gehäuse der Abhängigkeit und der Bevormundung. Sie befreien sich in eigener Kraft aus einer Position der Schwäche, Ohnmacht und Abhängigkeit und werden zu aktiv handelnden Akteuren, die für sich und für andere ein Mehr an Selbstbestimmung, Autonomie und Lebensregie erstreiten. Empowerment in diesem reflexiven Sinn bezeichnet damit einen selbstinitiierten und eigengesteuerten Prozeß der (Wieder-)Herstellung von Lebenssouveränität auf der Ebene der Alltagsbeziehungen wie auch auf der Ebene der politischen Teilhabe. Diese Definition betont somit den Aspekt der Selbsthilfe und der aktiven Selbstorganisation der Betroffenen. Sie findet sich vor allem im Kontext von Projekten und Initiativen, die auf die produktive Kraft selbstaktiver Felder und sozialer Unterstützungsnetzwerke vertrauen (Bürgerrechtsbewegungen; Selbsthilfeorganisationen; kommunitaristische Projekte).

      »Das Konzept Empowerment bezieht sich auf die Fähigkeit von Einzelnen oder Gruppen, ›eigennützig zu handeln‹ (to act on their own behalf) – und dies mit dem Ziel, ein größeres Maß an Kontrolle über ihr Leben und ihre Lebensziele zu gewinnen« (Staples 1990, S. 30).

      »Empowerment beschreibt als Prozeß im Alltag eine Entwicklung für Individuen, Gruppen, Organisationen oder Strukturen, durch die die eigenen Stärken entdeckt und die soziale Lebenswelt nach den eigenen Zielen (mit-)gestaltet werden kann. Empowerment wird damit als Prozeß der ›Bemächtigung‹ von einzelnen oder Gruppen verstanden, denen es gelingt, die Kontrolle über die Gestaltung der eigenen sozialen Lebenswelt (wieder) zu erobern« (Stark 1993, S. 41).

      »Empowerment meint den Prozeß, innerhalb dessen Menschen sich ermutigt fühlen, ihre eigenen Angelegenheiten in die Hand zu nehmen, ihre eigenen Kräfte und Kompetenzen zu entdecken und ernst zu nehmen und den Wert selbst erarbeiteter Lösungen schätzen zu lernen« … Empowerment-Prozesse vollziehen sich in der Regel im Kontext eines »solidarischen Unterstützungszusammenhangs, der die potentielle Einsamkeit überwindet, in dem Erfahrungen mit adäquaten Bewältigungs- und Normalisierungsstrategien