Aber das erst eine Woche darauf, nachdem der Erzbischof sie zusammengesprochen hatte; wobei die gute Stadt Tours die schönste Hochzeit und jedenfalls die schönste Neuvermählte sah seit langen Jahren.
Die genannte Blancheflor war frisch und anmutreich wie nicht leicht eine und so jungfräulich rein, als man es nur sein kann, nicht nur unschuldig, sondern auch unwissend, ein Menschenkind, das sich nicht genug verwundern konnte, was andere Leute im Bett für ungereimtes Spiel trieben, kurz, ein junges Ding, das an das Märchen vom Storch und vom Kinderbrunnen glaubte wie ans Evangelium. Sie war wie eine frisch erblühte Blume, leuchtend im Glanz ihrer Schönheit, wie ein Engel, dem nur die Flügel fehlten, um sich unerkannt unter die himmlischen Scharen zu mischen.
Als sie das arme Haus ihrer gerührten Mutter verließ, um als Braut in die Kathedrale einzuziehen, strömte das Landvolk scharenweise herzu, um die schöne Neuvermählte und auch die schönen Teppiche zu sehen, die man vor ihr her auf dem ganzen Weg über das Pflaster gebreitet hatte, und alle waren einig, dass niemals ein schönerer Fuß den Boden von Touraine berührt, niemals leuchtendere Augen in den Himmel geblickt und niemals die Stadt festlicher mit Blumen und Kränzen geschmückt war. Die Dirnen der Stadt, die von St-Martin und die aus der Vorstadt Chasteauneuf, wurden blass vor Neid beim Anblick ihrer aschblonden Flechten, mit denen sich die Blancheflor, denn nicht anders war es möglich, einen Grafen eingefangen hatte, und ganz und gar krank wurden sie beim Anblick des golddurchwirkten Brautkleides, der funkelnden Edelsteine aus dem fernen Morgenlande, der blitzenden Diamanten und der schweren goldenen Ketten, womit das Bräutchen nach Kinderart spielte und die sie für immer an den Seneschall banden.
Der alte Kriegsmann an ihrer Seite schien wie verjüngt, er schwitzte sozusagen sein Glück aus allen Poren. Obgleich sein Rücken ungefähr so gerade war wie ein Heidensäbel, stolzierte er doch voll Selbstbewusstsein an der Seite seiner Braut und drückte die Knie durch wie ein Landsknecht bei der Parade, wenn es um den Preis geht. Er hielt sich das Zwerchfell zu beiden Seiten wie einer, der ersticken will an seinem Behagen; und als nun die Glocken läuteten von den Türmen und die ganze Stadt sich hinzudrängte, um den hochzeitlichen Zug zu sehen, wovon später die Greise den Enkeln erzählten, da wünschten die genannten Dirnen, dass es Mohrinnen regnen und Seneschalle hageln und dass doch jeden Tag eine Ägyptianerin getauft werden möchte; aber wie jene die erste, so blieb sie auch die letzte im Lande Touraine, das von Bohemia oder Ägyptia weit abliegt.
Nach den Trauungsfeierlichkeiten erhielt die Dame von Azay eine beträchtliche Summe, die es ihr ermöglichte, nach der Stadt Acre im Morgenland ihrem Gemahl entgegenzuziehen; aber nicht nur Geld gab ihr der Seneschall, auch mit Kriegsvolk und was man sonst zu einer solchen Reise braucht, rüstete er sie aus. Am Tage der Hochzeit, nachdem sie ihre Tochter dem Grafen übergeben und sie ermahnt hatte, ihm eine fromme Hausfrau zu werden, reiste die gute Mutter beruhigt ab, und erst viel später kam sie mit dem Ritter von Azay zurück; er war aussätzig, sie aber pflegte und heilte ihn trotz aller Gefahr der Ansteckung, was allgemein bewundert wurde.
Drei Tage hatte das Hochzeitsgelage gedauert zur großen Befriedigung des Volkes, dann führte der gute Ritter sein Bräutchen mit großem Pomp und Gepränge auf sein Schloss La Roche-Corbon, und nach der Sitte der Neuvermählten hielten sie zusammen in feierlicher Zeremonie ein Schaubeilager auf dem neuen Ehebett, über das der Abt von Marmoustiers das Weihwasser sprengte, das Rauchfass schwang und den Segen sprach. Nach der Feierlichkeit aber, als sich nun der alte Bruyn in dem herrschaftlichen Schlafgemach, das man mit den kostbarsten Tapeten aus grünem Brokat mit goldenen Borten neu ausgeschlagen hatte, gebadet und gesalbt, Seite an Seite sah mit seiner jungen Frau, da küsste er sie zuerst auf die Stirne, dann auf die blütenweiße Rundung der Brust, dort, wo sie ihm erlaubt hatte, das Schloss der goldenen Kette selber zu befestigen. Und dabei blieb's.
Denn bald merkte jetzt der alte Knickebein, dass er sich zuviel zugetraut, indem er gehofft hatte, das Süpplein, das er sich da eingebrockt, auch ausessen zu können. Amor saß weit weg im Winkel und schmollte, trotz der ausgelassenen Hochzeitsgesänge und frechen Schalksliedern, die unter schallendem Gelächter von der Halle herauftönten, wo Gelage und Tanz die ganze Nacht hindurch dauerten.
Der Ritter setzte den bräutlichen Stärketrank an seine Lippen, der, wie es die Sitte verlangte, ebenfalls geweiht und gesegnet war und in einem goldenen Pokal vor ihnen stand; das stark gewürzte Getränk erhitzte ihm wohl den Magen und die Gedärme, aber nicht das Herz in der Hose.
Die schöne Blancheflor verwunderte sich nicht im geringsten über die Schnödigkeit ihres Mannes; denn sie war jungfräulich nicht nur am Leib, sondern auch an der Seele und sah in der Heirat, was eben junge Mädchen darin sehen, nämlich schöne Kleider, Feste, Pferde, Dame und Gebieterin sein, eine Grafschaft haben, einer Dienerschaft befehlen können et cetera. Als das Kind, was sie war, spielte und tändelte sie mit den goldenen Eicheln der Bettgehänge und konnte sich nicht genug erstaunen über die reiche Zurüstung, worin ihre Jungfernschaft begraben werden sollte.
Zu spät fühlte nun der alte Seneschall sein Unrecht; er hoffte aber auf die Zukunft, die ihm doch logischerweise von Tag zu Tag immer mehr von dem nehmen musste, wovon er schon jetzt soviel wie nichts besaß.
In Ermanglung von Taten nahm er einstweilen seine Zuflucht zu Worten und suchte seine Frau zu unterhalten, so gut es gehen mochte. Er versprach ihr die Schlüssel zur Schatzkammer, zum Vorratsspeicher und allen Schränken sowie die Verwaltung der Einkünfte aus seinen Häusern und Landgütern, ohne dass er ein Wort dreinreden wolle, kurz, hielt ihr einen Köder nach dem andern vor und machte ihr, wie man zu sagen pflegt, den Mund wässerig nach tausend Dingen.
Ihr wurde es dabei wohl wie einem jungen Streitross vor der vollen Krippe, sie fand ihren Trottel von Ehemann charmant über alle Maßen; und indem sie sich im Bett aufsetzte und mit vergnügtem Lächeln umblickte, hatte sie eine neue Freude an dem großen und reichen Bett mit grünem Brokat und goldenen Borten, in dem sie nun jede Nacht schlafen durfte. Diese heitre Laune missdeutete aber der ungewitzigte Ehemann, der wohl mit allen Hunden gehetzt war, aber, was eine Jungfrau ist, kaum anders als vom Hörensagen kannte. Er beurteilte das liebe Ding nach den Weibsbildern, mit denen er sich immer abgegeben, und meinte nicht anders – denn er wusste aus Erfahrung, dass die Frauen keineswegs so weiß von Seele sind wie von Haut –, als dass sie nun mit Gehätschel und Getätschel und heimlichen Manipulationen das bekannte Spiel und Scharmützel einleiten wolle, dem er sich ehemals sicher nicht entzogen hätte, das ihn aber jetzt so kalt ließ wie eine Seelenmesse für den Papst. Er wich ihr also aus bis zum Rand des Bettes, voller Angst vor dem drohenden Unglück.
»Nun, mein Liebchen«, sagte er, »da bist du also jetzt Seneschallin, und wahrlich, der Schalk schaut dir aus den Augen. Man sieht dir an, dass du glücklich bist.«
»Nicht im geringsten«, sagte sie.
»Wie!« rief er erschrocken; »habe ich Euch nicht zu einer großen Dame gemacht?«
»Nein«, sagte sie wieder, »ich bin ja noch immer ein Mädchen. Eine Frau bin ich erst, wenn ich ein Kind habe.«
»Habt Ihr die schönen Wiesen gesehen beim Ritt hierher?«
»Ja«, antwortete sie.
»Nun, sie sind Euer.«
»Oh!« rief sie lachend, »so will ich darauf nach Schmetterlingen jagen.«
»So gefallt Ihr mir. Und den Wald nach der andern Seite, habt Ihr den gesehen?«
»Darin würde ich mich fürchten allein, da müsst Ihr mich begleiten; aber gebt mir doch ein wenig von dem Trank, den die Barbara mit so großer Sorgfalt für Euch zubereitet hat.«
»Nicht doch, mein Kind, er würde dir die Eingeweide verbrennen.«
»Oh, ich will ihn versuchen«, rief sie voll Unwillen über seine Weigerung, »denn ich möchte Euch sobald wie möglich ein Kindlein schenken, und man hat mir gesagt, dass der Trank zu diesem Zweck gemacht ist.«
»Mein Liebes«, sagte der Seneschall, der jetzt wohl sah, ein wie unschuldiges Ding seine Frau war, »dazu gehört zweierlei: erstens, dass es der Wille Gottes