Тотеnтаnz / Пляска смерти. Книга для чтения на немецком языке. Бернгард Келлерман. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Бернгард Келлерман
Издательство: КАРО
Серия: Моderne Prosa
Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 1948
isbn: 978-5-9925-0204-6
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Fabian voller Pathos, die geistigen Motoren der Stadt müssen angeworfen werden, die schlummernden seelischen Kräfte und Energien geweckt! Fort mit der Gleichgültigkeit, Gedankenlosigkeit, Trägheit, ja, zum Teufel mit ihnen! Wie Sturmwind in halberloschene Glut fährt, so müsse ein neuer Geist in die Asche fahren und eine züngelnde Lohe emporschlagen, eine helle, heilige Lohe!

      Taubenhaus hob das Gesicht und nickte befriedigt.

      Und Fabian baute vor seinen Augen die neue «Stadt mit den goldenen Türme». auf, gebettet in Grün, funkelnd wie ein Garten. Als er ihm seine neue Brücke zeigte, die «Heldenbrück». mit den Germanen, Trommlern, Grenadieren, Friedrich dem Großen in ihrer Mitte, setzte Taubenhaus sich aufrecht, er machte Miene aufzuspringen und rief ein paarmal halblaut: «Gut, gut».

      Fabian baute unaufhaltsam weiter. Der neue Rathausplatz mit der Rolandstatue, Symbol des Rechts und der Gerechtigkeit, das neue Theater, das Museum, Sportplätze, Schwimmhallen, der Straßendurchbruch Nord-Süd, der neue Bahnhofsplatz mit dem heiter sprudelnden Springbrunnen, er fand kein Ende. Taubenhaus nickte und rief zuweilen «Gut! Ausgezeichnet». dazwischen. Sein Lob trieb Röte in Fabians Wangen.

      Er hatte einen guten Tag. Er sprach ausgezeichnet und trug große Teile der Rede völlig frei vor. «Es gibt hier einen Museumsverei», rief er aus. «Er schläft, es gibt einen Historischen Verein, auch er schläft. Und dabei gab es prähistorische Grabstätten nahe der Stadt. Es gibt hier einen Fremdenverkehrsverein, einen Verschönerungsverein, auch die schlafen, schlafen. Wacht auf, wacht auf! Die Zeiten, da man nur Geld verdienen will und andere für sich denken lässt, sie sind vorbei».

      Taubenhaus lachte. Doch das war seine letzte Äußerung, fortan hielt er sich ganz still. Er saß mit ausgestreckten Beinen und blickte zur Decke empor, als sei er müde und gleichgültig geworden. War er müde? Ganz und gar nicht, dachte Fabian, der seiner Sache gewiss war. Er spielt den Gleichgültigen. Ich kenne dich sehr gut, Taubenhaus.

      Als Fabian geendet hatte, stand Taubenhaus langsam auf und putzte sehr umständlich die goldene Brille. «Gu», brummte er in etwas zu deutlich gespielter Gleichgültigkeit vor sich hin. Dann blickte er auf Fabian, der in bescheidener Haltung neben dem Schreibtisch stand. «Sie haben meine Andeutungen ganz vorzüglich aufgegriffe», sagte er, «als Unterlage ist Ihr Entwurf recht gut geeignet, ich danke Ihnen. Wollen Sie mir bitte eine Liste aller prominenten Persönlichkeiten aufstellen, die unbedingt eingeladen werden müssen».

      Wie gut ich dich doch kenne, dachte Fabian und verbeugte sich.

      In glänzender Laune kam er in sein Büro zurück.

      «Wir haben einen äußerst ehrenvollen Auftrag erhalten, Fräulein Zimmermann». begann er, und die hagere Sekretärin wurde blutrot vor Freude. «Wir sollen eine Liste aller prominenten Persönlichkeiten der Stadt aufstellen, die zur Rede des Bürgermeisters eingeladen werden müssen».

      «Sind Sie sich darüber im klaren, welch bedeutende Leute wir geworden sind? Es liegt in unserer Macht, jemand eine hohe Ehre zu erweisen oder aufs tiefste zu verletzen. Verstehen Sie».

      Am späten Abend erschien er im «Ster». und bestellte sich eine Flasche Sekt und ein halbes Dutzend der besten Zigarren. «Wir haben es uns verdien», sagte er zu sich.

      XIX

      Das kleine «Residenzcaf». lag in einem barocken Pavillon neben dem früheren bischöflichen Schloss. Es bot einen schönen Ausblick auf die alte Lindenallee, war aber nur an Sonn- und Feiertagen während des Promenadenkonzertes stärker besucht. Sonst traf man dort nur stille Zeitungsleser und häufig Damen, die ihren Kaffeeklatsch veranstalteten. Als Fabian um fünf Uhr die Promenade überschritt, fühlte er, dass Christa schon anwesend war. Er empfand es an dem stärkeren Daseinsgefühl, das ihn durchströmte, augenblicklich fühlte er sich freier, leichter und fröhlicher. Sein Gefühl hatte ihn nicht getäuscht. Als er die Tür öffnete, sah er Christa an einem kleinen Fenstertisch sitzen. Sie hob in diesem Augenblick den Kopf, sah ihn mit einem zarten Lächeln ihrer braunen Augen an, und ihr Lächeln und ihr Blick erfüllten ihn mit Freude. Er war von diesem Augenblick an ein völlig neuer, verwandelter Mensch.

      «Sie kommen gerade zur rechten Zei», begrüßte sie ihn, «nehmen Sie bitte hier an meiner Seite Platz, wir können so die Photos zusammen besser betrachten».

      «Das also ist die Ausbeute Ihrer letzten Spanienreise». fragte Fabian, indem er Platz nahm. «Sie sind außerordentlich fleißig gewesen».

      Auf dem Tisch vor Christa lag ein großer Stapel Photos, in denen sie soeben geblättert hatte. Es waren kleinere und größere Aufnahmen, viele hatte sie mit der eigenen Kamera festgehalten.

      Christa Lerche-Schellhammer hatte sich einige Jahre mit Modellieren und Malen beschäftigt, war aber nunmehr endgültig, wie sie sagte, zur Architektur übergegangen, um die sie sich mit größtem Ernst bemühte. Zusammen mit ihrer Mutter unternahm sie jedes Jahr eine Reise im Auto, das die beiden Frauen abwechselnd steuerten. Im vergangenen Jahr hatten sie einige Monate Spanien bereist und all diese Photos mitgebracht, meist Aufnahmen von Bauwerken und architektonische Einzelheiten, Portale, Treppen, Kapitäle und andere Details, die Christa besonders interessierten.

      Christa nickte. «Warten Si», begann sie eifrig, «ich will Ihnen zuerst diese herrliche kleine Kapelle aus Toledo zeigen, eben hatte ich sie noch in der Hand, ich glaube, sie ist eine der ältesten Kirchen Spaniens. Im Kirchenschiff hängen einige der herrlichsten Grecos[55]. Hier ist sie».

      Und sie erzählte, dass gegenüber von dieser Kapelle eine Weinkneipe lag, in die sie sich beide verliebt hatten, besonders ihre Mutter. Das war ein kleiner Keller, in dem Reihen von mannshohen Weinkrügen, Amphoren, standen. Die riesigen Amphoren waren aus rotem Ton, und der ganze Keller sah wohl überhaupt noch ebenso aus wie zur Zeit der alten Römer. Es war einfach herrlich! Es gab hier die köstlichsten alten Weine, und sie tranken beide hier jeden Tag ein Gläschen. Ihre Mutter pflegte zu sagen: «Gehe du ruhig zu deinen Grecos, ich bleibe hier bei meinen Amphoren».

      Sie erzählte reizend, mit einer seltenen Anschaulichkeit. Jede Einzelheit schien ihr in der Erinnerung plastisch vor Augen zu stehen. Ihre schlanken Hände formten die hohen Amphoren, und die herrlichen Grecos leuchteten im Glanz ihrer Augen. Fabian genoss erneut den Klang ihrer weichen Stimme und die Klarheit ihrer Sprache. «Ich bin erstaun», sagte er, «dass Sie sich an jede Kleinigkeit erinnern».

      «Man erinnert sich immer gut an Dinge, die man lieb», erwiderte Christa.

      Sie waren so eifrig mit dem Studium der Photos und dem Austausch ihrer Meinungen beschäftigt, dass sie alles ringsum vergaßen. Wenn der eine einen Gedanken nicht mit voller Klarheit auszudrücken vermochte, so kam ihm der andere zu Hilfe, und wenn auch das mißlang, so genügte ihnen eine Geste oder ein Lächeln.

      An einem Nebentisch hatte sich nach und nach ein Kaffeekränzchen weißhaariger Damen zusammengefunden, die lebhaft schnatterten. Sie beachteten es kaum. Sie übersahen auch die beiden jungen Herren, die dicht neben ihnen die Schachfiguren aufzustellen begannen, während sie Kaffee bestellten und ihre Zigarren anzündeten.

      Christa zeigte nun einige Klosterhöfe, die sie meist selbst aufgenommen hatte. Es waren Bilder, die den Frieden, die Stille und Unwirklichkeit einer anderen Welt verkörperten.

      «Sie wisse», wandte sie sich an Fabian, «man hat zuweilen solche Anwandlungen. Hatten Sie nicht auch einmal den Wunsch, Priester zu werden? Erzählten Sie es nicht».

      Fabian antwortete nicht sofort. Er betrachtete Christas Hand, die auf den Photos lag, und es schien ihm, als ob er zum erstenmal sehe, wie frauenhaft zart ihre Hand war. Wolfgang hatte sie einmal modelliert. Ihre Hand hatte Grübchen an den Knöcheln, wie man es oft bei Kindern sieht. Zum erstenmal sehe ich, wie frauenhaft schön ihre Hand ist, ging es ihm durch den Sinn, dann erst erwachte Christas Frage in seinem Ohr, und er sagte, während er flüchtig errötete: «Gewiss, ich habe es erzählt. Es war damals eine fixe Idee von mir, nun, ich war noch sehr jung. Ich sagte Ihnen auch, dass ich bereits in einem Priesterseminar ausgebildet wurde».

      Christa streifte sein Gesicht mit den flachen Wangen und dem frauenhaften Mund, sie blickte auf seine männlich geformte Hand und dachte: In der Tat, er hätte recht wohl einen Priester abgegeben Скачать книгу


<p>55</p>

El Greco – Эль Греко (1541-1614), испанский художник греческого происхождения