«Ein perikleisches Zeitalter[65] steigt herauf». prophezeite Justizrat Schwabach am Stammtisch in der «Kuge». begeistert. Er wiederholte das Wort «perikleisc». jeden Abend, wenn er seinen Schoppen Wein trank.
«Wenn Taubenhaus auch nur ein Zehntel seines Programms ausführt, so muss man ihm ein Denkmal setzen». «Taubenhaus ist ein Genie».
Die Tür zum Vorzimmer des Bürgermeisters stand offen, und die Leute kamen, um ihre Zeichnungen einzutragen, die täglich mit voller Namensnennung in den Zeitungen veröffentlicht wurden. «Ich bin mit den Zeichnungen zufriede», sagte Taubenhaus zu einem Pressemann, «die erste Million ist erreicht. Ich kenne aber noch viele, die bis heute nicht einen Heller gezeichnet haben, ich warte auf sie. Ich bin unersättlich».
Ein Kaufmann stiftete einen herrlichen Barockschrank für das Städtische Museum. Der Schrank war eine ganze Woche lang im Juweliergeschäft von Nicolai ausgestellt mit einer zierlichen Tafel davor: Stiftung von Kaufmann Modersohn, Flußhafen 18. Der Verschönerungsverein hielt eine Vorstandssitzung in der «Kuge». ab, die bis zum frühen Morgen dauerte. Der Historische Verein veranstaltete einen Tagesausflug nach Amselwies, wo der weißhaarige Professor Hall auf einem mit Unkraut bewachsenen Schutthaufen einen Vortrag über germanische Gräber hielt.
Die Stadt bewegte sich. Schien es nicht, als ob Taubenhaus’ mächtiger Atem wie ein Sturmwind in verlöschende Glut geblasen hätte?
In allen Kreisen der Stadt, besonders in den Damengesellschaften, wurde häufig der Name Fabians in Verbindung mit der aufsehenerregenden Rede genannt. Nun ja, man wusste ja so manches! «Dieser Hübsche, Sie wissen doch, der eine Pracht heiratete und ein Anwaltsbüro unterhält. Wenn Sie etwas brauchen, gehen Sie zu ihm. Der hellste Kopf der Stadt». An einem der ersten Tage erschien auch Frau von Thünen bei Fabian, um ihn zu dem großen Erfolg zu beglückwünschen. «Ja, bei Gott, welch ein überraschender, aber durch und durch gerechtfertigter Erfolg! Wir sind stolz auf Sie, mein Freund, besonders aber Clotilde! Sie wird nicht müde, Ihr Lied zu singen». Fabian wies den Glückwunsch in aller Bescheidenheit zurück.
«Man weiß ja Bescheid, Verehrteste», versicherte die Baronin lachend und zwinkerte mit ihren kleinen listigen Augen. «Es war natürlich Ihre Pflicht und Schuldigkeit, Taubenhaus etwas zu inspirieren, ich weiß es. Er kann ja die Stadt noch gar nicht ordentlich kennen, nicht wahr? Dieses Gemeinschaftshaus, um nur eines zu nennen, welch eine geniale Idee».
Fabian lächelte. Er erklärte, von dem zwölfstöckigen Gemeinschaftshaus in dieser Form erst bei der Rede gehört zu haben.
Die Baronin lachte ihn aus. «Sie sind allzu bescheiden, mein Lieber». rief sie aus. «Ach, wenn nur alle Menschen solche Idealisten wären, wie wunderbar wäre das, welch ein Segen für unser Vaterland! Der Gedanke, einer gemeinschaftlichen großen Sache zu dienen, ist Ihnen schon Lohn genug. Möge Ihnen der große Erfolg Ansporn zu neuem Schaffen für unser geliebtes Vaterland sein! Leben Sie wohl, ich muss eilen. Meine Stellung bei der Frauenschaft macht mir viele Scherereien und Mühe, aber ich bin glücklich».
Tag für Tag erwartete Fabian, etwas von Taubenhaus zu hören. Aber Taubenhaus schwieg, er hatte vorläufig noch keine Zeit. Der Gauleiter war noch in der Stadt, und man sah ihn täglich im Auto durch die Strassen fahren. Vor dem «Ster». standen noch immer die Kübel mit den Lorbeerbäumchen und das Hotel war die ganze Nacht bis zum frühen Morgen hell erleuchtet. Der Gauleiter liebte Diners, Festessen, Bankette, und es war bekannt, dass er fast ohne jeden Schlaf auskam.
Schließlich wurde Fabian unruhig. Er erschien häufiger in seinem Büro und fragte, ob es etwas von Bedeutung gäbe. Aber es gab nichts von Bedeutung.
Mit besonderem Eifer betrieb er seine laufenden Geschäfte. Er hatte wiederholt Konferenzen mit den Brüdern Schellhammer und war in langen Besprechungen bemüht, die hohe Rente durchzusetzen, die Frau Beate forderte. Er hatte häufig auch Rücksprachen mit Frau Beate selbst, denn solch heikle Dinge ließen sich ja telefonisch schlecht erledigen. In Wahrheit aber kam er nur so oft, um Christa wiederzusehen. Sie war unverändert freundlich zu ihm, plauderte frisch und kameradschaftlich und begrüßte ihn mit ihrem innigen Lächeln, das ihn stets stundenlang verfolgte. Sie errötete jetzt häufig, wenn er kam.
Von ihrer kürzlichen Plauderstunde im «Residenzcaf». wurde mit keiner Silbe mehr gesprochen, weder von Christas Schilderung der Christmesse in Palma de Mallorca, die Fabian bis heute nicht vergessen hatte, noch von seinem Blumengruß. Oft überkam ihn das Verlangen, wieder einmal einige Stunden mit ihr zu plaudern, aber er fühlte sich in diesen Tagen zu rastlos dazu.
Einmal schüttelte Christa den Kopf, während sie ihn prüfend betrachtete, und sagte: «Sie scheinen mir reichlich nervös zu sein in letzter Zeit, mein Freund».
Fabian lachte. «Ich weiß e», entgegnete er. «Die letzten Tage waren etwas anstrengend für mich. Aber ich bekomme jetzt bald eine tüchtige Arbeitskraft für mein Büro, die mich entlasten wird. Dann wird es wieder besser werden».
«Hoffentlich kommt die Hilfskraft bald». sagte Christa lächelnd.
Der warme Ton ihrer Stimme erfreute sein Herz.
Er fand sogar die Muße, nach Amselwies hinauszufahren, um mit Sanitätsrat Fahle eine Stunde lang zu plaudern. «Es bahnen sich neue Verbindungen a», sagte er, bemüht, den alten Mann zu trösten, aber er errötete und brach ab, da er in Fahle keine irrigen Hoffnungen erwecken wollte. «Ich bin neuerdings mit Taubenhaus in engere Beziehungen getrete», fuhr er fort, «und hoffe, auf diesem Wege Ihre Sache fördern zu können. Geduld und Mut, das ist alles, worum ich Sie bitte».
Auch Wolfgang ließ nichts mehr von sich hören. Wenn man ihn anrief, war er am Telefon kurz angebunden und fast schroff. «Ich plage mich mit diesem verfluchten „Kettensprenger“». schrie er in den Apparat und hängte ab. Endlich gelang es Fabian, ihn zu einem Karpfenessen in die «Kuge». einzuladen. Aber er war am ganzen Abend wortkarg und schlechter Laune, obwohl der Karpfen vorzüglich war.
«Du trinkst ja heute gar nicht, Wolfgang». beklagte sich Fabian. Wolfgang warf ihm von unten einen raschen, grimmigen Blick zu, einen förmlichen Hieb von Blick. «Beruhige dich nu», knurrte er. «Ich werde mich heute betrinken! Schon aus Wut darüber, dass mein Bruder diese Komödie mitmacht».
Es war heraus. Fabian schoss das Blut in den Kopf.
«Ich muss dir offen gestehen, Wolfgan», begann er, «dass ich dich nur deshalb so hartnäckig anrief, weil ich diese Aussprache herbeisehnte, die mir notwendig schien».
«Und ich». rief Wolfgang, und seine Augen funkelten. «Ich bin überhaupt nur aus dem Grunde hierhergekommen, um eine Erklärung deines Gesinnungswechsels zu erhalten».
«Gesinnungswechsels». Fabian lächelte. «Ich habe meine Gesinnung nicht im geringsten geändert, ich bin noch ganz der alte. Es handelt sich lediglich um eine Formsache».
«Formsache». Wolfgangs Augen waren glühend auf Fabian gerichtet.
«Ja, um nichts anderes». Wolfgang dürfe nicht vergessen, dass er eine Frau und zwei Jungen zu ernähren habe. Bei der Stadt habe man ihn kaltgestellt, als Anwalt habe man ihn boykottiert. Er musste der Partei beitreten, oder sein wirtschaftlicher Untergang war besiegelt. Da er Offizier war, forderte man von ihm, sich einer militärischen Organisation anzuschließen. «Vergiss all das nicht, bevor du urteilst, Wolfgan», schloss Fabian. «Es war die höchste Zeit für mich, zu einem Entschluss zu kommen. In drei Wochen hätte man mir das Büro geschlossen».
Der Bildhauer knüllte seine Serviette zusammen und warf sie auf den Tisch. Er war dunkelrot vor Zorn geworden, und die Purpruröte blieb lange Zeit in seinem Gesicht stehen. «Gewiss, es sind Erpresse», knirschte er, «aber