Das erste Schuljahr. Agnes Sapper. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Agnes Sapper
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 4064066111458
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Sie: Margarete Reinwald.«

      »Weißt du auch, wann du geboren bist?«

      »An meinem Geburtstag,« antwortete Gretchen.

      »Den weiß ich eben nicht, das ist der Fehler!« sagte der alte Herr freundlich. Die Mutter aber, die bemerkte, daß schon mehrere Väter und Mütter mit ihren Kindern warteten, beeilte sich nun, das Nötige anzugeben. Als sie fertig waren, sagte der junge Mann zu Gretchen: »Am 10. April morgens um 9 Uhr hast du zum erstenmal zu mir zu kommen.«

      Daran merkte Gretchen, daß dies der Lehrer für die Kleinen war. Herr Stein war sein Name. Als sie eben weggingen, trat ein kleiner Bursche vor in einem recht verflickten Jäckchen. Er kam ganz allein, während doch alle andern Kinder von Vater oder Mutter begleitet waren.

      »Sieh doch, Mutter, der kommt ganz allein,« flüsterte Gretchen. Die Mutter bemerkte den Kleinen nun auch. Er war ärmlich gekleidet, sah aber kräftig und rotbackig aus und blickte mit großen blauen Augen treuherzig um sich.

      »Wer bist du?« fragte ihn der Lehrer.

      »Des Schäfers Hans,« war die Antwort.

      »Warum ist niemand mit dir gekommen?«

      Hans antwortete nicht, aber er zog ein zerknittertes Blättchen aus seinem Wams und reichte es dem Lehrer. Dieser studierte eine Weile daran und sagte dann:

      »Ich will's gelten lassen. Daß du mir aber am 10. April in die Schule kommst! Sonst geht's schlecht.«

      »Ich komm' schon,« antwortete der Kleine zuversichtlich, und trabte ganz wohlgemut wieder zur Türe hinaus.

      Als Gretchen mit der Mutter die Treppe hinunterging, begegnete sie der Frau Apotheker. Die führte eben ihre kleine Emilie herauf.

      »Sieh, sieh,« sagte die Frau Apotheker erfreut, »da kommt ja Gretchen schon herunter und sieht ganz vergnügt aus. Meine Emilie hat so Angst,« sagte sie zu Frau Reinwald, »sie ist ein gar schüchternes Dinglein; ich will nur sehen, wie es ihr in der Schule geht.«

      »Es wird sich bald machen,« tröstete Frau Reinwald, und Gretchen flüsterte der Kleinen zu:

      »Darfst keine Angst haben, man darf gleich wieder fort.« Die Kleine ging aber doch mit Herzklopfen hinauf, während Gretchen gar fröhlich die Treppe heruntersprang, der Mutter Hand losließ und sich wieder sorglos auf ihrer Schleife tummelte – bis jetzt war ja alles so gut gegangen!

       Der erste Schultag.

       Inhaltsverzeichnis

      Gretchen lehnte an der Haustüre und sah der Lene zu, die eben die messingene Türschnalle schön blank putzte.

      »Morgen ist Ostern und wenn dann noch ein Sonntag vorbei ist, geht die Schule an; weißt du das auch schon, Lene?« fragte Gretchen.

      »Daß morgen Ostern ist, kann ich wohl merken, denn deswegen hab' ich so viel zu putzen, und daß du dann in die Schule kommst, ist mir schon recht, dann bist du doch aufgehoben und mir nicht immer im Weg.«

      Gretchen merkte, daß Lene wieder in ihrer Samstagsstimmung war; da ließ sich nie gut mit ihr plaudern. So ging sie vors Haus, um sich nach besserer Unterhaltung umzuschauen. Da erblickte sie den Vater, der eben heimkam, und sprang ihm vergnügt entgegen.

      »Vater, hast du auch schon dran gedacht, daß morgen Ostern ist und ich schon so bald in die Schule komme?«

      »Ja, ja,« sagte der Vater freundlich, »ich habe es schon dem Osterhasen gesagt, damit er auch passende Ostereier für mein Schulkind legt.«

      »Passen denn die gewöhnlichen Ostereier nicht?«

      »Natürlich nicht; den Kindern, die in die Schule kommen, legt er viereckige Eier. Hast du das noch nicht gewußt?«

      »Nein, und ich glaub's auch nicht,« sagte Gretchen. Vater und Tochter waren inzwischen miteinander ins Haus gegangen und fanden die Mutter im Wohnzimmer, wo sie eben die frischgewaschenen Vorhänge an den Fenstern aufgemacht hatte. Alles sah dort schon rein und festtäglich aus. Gretchen war nun sehr begierig auf ihre Ostereier und als am Ostersonntag die Eltern aus der Kirche heimkamen, sprang sie ihnen voll Erwartung entgegen.

      »Wo legt der Has?« fragte sie, »im Garten?«

      »Nein, da ist alles noch naß vom Regen.«

      »Also im Zimmer. Soll ich gleich draußen bleiben?«

      »Meinetwegen,« sagte der Vater und ging mit der Mutter hinein, während sich Gretchen in der Küche umschaute. Lene schälte gerade Kartoffeln zum Salat; sie sah heute auch festtäglich aus mit ihrer frischen weißen Kochschürze, und daß sie guter Laune war, durfte Gretchen gleich erfahren, denn sie bekam einen frischen Kartoffelschnitz. Sie hatte ihn kaum verzehrt, als ihr auch die Mutter schon rief und nun fing Gretchen an, nach ihrem Hasen zu suchen. Als sie den Deckel vom Holzkasten aufschlug, der neben dem Ofen stand, sah sie etwas darin – viereckig und groß: ein wunderschöner Schulranzen war es, mit dunkelgrünem Plüsch überzogen und silbern glänzten daraus hervor die zwei Anfangsbuchstaben von Gretchens Namen. Ganz entzückt nahm Gretchen den Ranzen heraus, lief jubelnd damit auf die Eltern zu und dankte ihnen. Unter dem Ranzen war eine Tafel und ein Federkästchen gelegen.

      »Die will ich gleich in den Ranzen packen,« sagte Gretchen und machte ihn auf; er war aber ganz angefüllt mit Moos und in diesem steckten allerhand Häschen und Eier.

      Das war nun ein glücklicher Ostertag für Gretchen und als nach Tisch die Sonne so schön schien, huckelte sie ihren Ranzen auf und ging ganz stolz mit ihm im Garten hin und her spazieren.

      Durch den Zaun bemerkte sie bald einen kleinen Buben, der neugierig hereinsah, und als sie näher trat, merkte sie, daß es ein künftiger Schulkamerad von ihr war, nämlich des Schäfers Hans, der bei der Anmeldung ganz allein gekommen war.

      »Hast du auch schon einen Ranzen?« fragte ihn Gretchen.

      »Den alten von meinem Bruder,« antwortete der Hans.

      »Und einen Federkasten?« Der Hans schüttelte den Kopf.

      »Ich hab' heut einen bekommen und auch Eier und Hasen. Du auch?«

      Der Hans schüttelte wieder nur den Kopf.

      »Legt bei dir der Has so spät?«

      »Er legt gar nicht.«

      »Gar nicht?« wiederholte Gretchen erstaunt und sah den Hans ganz mitleidig an.

      »O dann bekommst du von meinen Eiern! Wart nur, ich komme gleich wieder!« Und hinauf sprang sie so eilig, wie wenn zu fürchten wäre, daß der Hans ihr durchginge, und der dachte doch gar nicht daran. Er hätte wohl noch eine Stunde gewartet. Droben in einem Körbchen lagen Gretchens Eier und Hasen. Sie nahm davon in ihr Schürzchen, ohne lang zu wählen, und sprang wieder hinunter in den Garten. Durch den Zaun reichte sie nun dem Hans ein Stück nach dem andern und der Hans schob alles ein, bis die Taschen in seinem Wams und in seinen Hosen ganz eckig herausstanden. Sein ganzes Gesicht strahlte vor Vergnügen, als er mit seinen Schätzen heimging. So ein reiches Ostern hatte er wohl noch nie erlebt! Gretchen aber sprang wieder lustig im Garten herum, wo schon die ersten Veilchen blühten, und jubelte vor sich hin: »In die Schul', in die Schul', ich hab' ja schon den Ranzen!«

      Am Abend bemerkte die Mutter die große Lücke in Gretchens Hasenkorb und erfuhr auf ihre Fragen, wohin alles gekommen war.

      »Du hättest mich vorher fragen sollen,« sagte sie zu Gretchen.

      »Ist dir's denn nicht recht, daß ich dem Schäferhans etwas gegeben habe?«

      »O ja, ich gönne es ihm, er ist gewiß ein armer Tropf; aber du sollst mich immer vorher fragen, ehe du etwas hergibst.«

      »Ja, das will ich,« sagte Gretchen und nun nahm sie ihren schönen Ranzen und ordnete ihn wieder; er