»Ich kann mir denken, daß die Männer Ihnen keine Pause gönnten.«
Ein Seitenblick aus Inges Augen traf den Mann. Hatte es nicht eben beinahe so geklungen, als wäre er böse? Konnte er es nicht ertragen, wenn sie mit anderen vergnügt war? War er eifersüchtig?
»Ja, da haben Sie recht«, sagte Inge.
»Und was sagt Ihre Tante dazu, wenn man Ihnen hier den Hof macht?«
Befriedigt blickte Inge zu Boden. Ja, Eberhard Sörensen war eifersüchtig. Es fehlte nicht mehr viel, und er würde ihr heftige Vorwürfe machen.
Wie glücklich sie doch auf einmal war!
Plötzlich jedoch packte sie Angst. Wenn er nun wirklich glaubte, daß sie sich hier in einen Mann verliebt hatte?! Mußte er sich dann nicht zurückziehen? Er machte ihr ganz den Eindruck, als würde er vollzogene Tatsachen achten.
Und es war doch gar nicht so. In niemanden hatte sie sich verliebt!
Oder doch, in ihn! Ja, in ihn!
Sie erschrak vor dieser plötzlichen Erkenntnis und war doch gleichzeitig so froh und glücklich darüber.
»Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wie viele Tänzer ich hatte. Ich finde, hier sieht einer wie der andere aus: groß, rot und gesund. Ich glaube, daß ich sie nicht einmal wiedererkennen würde.«
Prüfend blickte sie zu Sörensen hinüber. Ja, seine Miene glättete sich.
Sie hatten inzwischen den Wald verlassen, allmählich näherten sie sich dem Dorf. Inge blieb stehen.
»Dort drüben wohne ich.«
»Das alleinstehende Haus dort gehört Ihrer Tante?«
»Ja!«
Sie wandten sich einander zu und sahen sich an.
»Fräulein Gräfenhan, darf ich Sie wiedersehen? Darf ich Sie bei Ihrer Tante besuchen?«
Inges Augen leuchteten noch stärker.
»Morgen nachmittag?« fragte sie.
»Sehr gern.«
»Die Tante wird Augen machen«, lachte Inge plötzlich laut und herzlich auf vor übermütiger Freude. »Wenn sie erfährt, daß ich den Mann hier wiedergetroffen habe, dessentwegen ich…« Sie hielt erschrocken inne.
»Nun, was ist mit dem Mann?« fragte Sörensen und wußte doch schon, was sie antworten würde.
»Ach«, sagte Inge, »das erzähle ich Ihnen morgen.«
Heftige Röte war in ihr Gesicht gestiegen. Eberhard Sörensen fand, daß sie das noch bezaubernder machte. Er reichte ihr die Hand und hielt die ihre fest umschlossen.
»Bis morgen also!«
»Ja, bis morgen!«
Inge entzog ihm endlich die Hand. Eilig stieg sie auf ihr Rad und fuhr davon. Lange sah er ihr nach. Da drehte sie sich noch einmal um und winkte ihm.
Freudig riß er beide Arme hoch und winkte zurück.
*
Eberhard Sörensen kam am nächsten Tage mit einem Strauß herrlicher Gladiolen. Dora Conradi, der Inge von ihrem Treffen mit Sörensen berichtet hatte und die neugierig war, ihn kennenzulernen, konnte sich nicht verhehlen, daß ihr dieser Mann auf Anhieb gefiel. Aber sie wollte vorsichtig bleiben, das nahm sie sich ganz fest vor. Sie war es ihrer Schwester schuldig.
»Treten Sie ein, Herr Sörensen, meine Nichte erzählte mir schon von Ihrem zufälligen Wiedersehen.«
»Ich störe doch hoffentlich nicht, gnädige Frau?«
Ehrerbietig küßte er ihr die Hand.
Prüfend blickte Dora Conradi den Besucher an. Dieser Mann sollte wesentlich älter als Inge sein? Sie hielt ihn für Anfang dreißig. Zehn Jahre älter als die Frau zu sein, das bedeutete doch nichts.
Und hatte sie sich wirklich verschätzt, dann sprach es erst recht für ihn, daß er sich so jung erhalten hatte.
Aber war sie nicht schon dabei, möglichst viele gute Seiten an ihm zu entdecken? Gerade noch hatte sie sich vorgenommen, kritisch zu bleiben.
»Selbst wenn ich für diesen Nachmittag schon andere Dispositionen getroffen hätte, wäre es mir doch wichtiger gewesen, Sie kennenzulernen«, lächelte die Tante.
»Darin haben Sie nur recht, gnädige Frau, zumal die Bekanntschaft zwischen Ihrem Fräulein Nichte und mir wirklich auf recht ungewöhnliche Weise erneuert wurde.«
Eberhard Sörensen fand diese Frau Conradi sehr sympathisch. Es störte ihn nicht im geringsten, daß sie ihm sehr deutlich zu verstehen gegeben hatte, warum sie mit diesem Besuch einverstanden war. Im Gegenteil, diese Offenheit imponierte ihm. Überhaupt war nach seiner Meinung Frau Conradi in allem das Gegenteil ihrer Schwester, Magdalene Gräfenhan.
Sie hatten den behaglich eingerichteten Wohnraum betreten.
»Meine Nichte erzählte mir schon, daß Sie mit Herrn von Dörendorf befreundet sind, Herr Sörensen.«
»Es ist eine alte Schulfreundschaft. Einige Jahre hatten wir uns aus den Augen verloren – ich war meist geschäftlich im Ausland.«
»So, Sie vertreten eine größere Firma?«
Sie hatten inzwischen Platz genommen. Sörensen erkannte deutlich, wie peinlich Inge die Ausfragerei der Tante war. Er nickte ihr lächelnd zu, sie hatten sich nicht einmal richtig begrüßen können.
Ja, es freute ihn, daß Inge anscheinend so gar keinen Wert darauf legte, Genaueres über seine Lebensumstände zu erfahren. Sollte es wirklich so sein, daß sie ihr Gefühl über alles setzte? Daß es ihr weitgehend bedeutungslos erschien, welchem Beruf er nachging?
Diese beiden hier schienen völlig ahnungslos zu sein, wer er wirklich war. Und das war gut so, sie würden es noch früh genug erfahren. Zunächst einmal machte es ihm Spaß, so unverhohlen von dieser Tante examiniert zu werden.
Dora Conradi wartete immer noch auf eine Antwort. Ihre Stirn umwölkte sich. Denkt der Mann sich jetzt irgend etwas aus, um ihr zu imponieren? Natürlich, da kam es schon!
»Es ist meine eigene Firma, die ich vertrete«, antwortete Sörensen.
»Welche Branche?«
Er hatte Mühe, sich das Lachen zu verbeißen. »Maschinenbau, gnädige Frau.«
»So, so, na dann wollen wir erst mal eine Tasse Kaffee trinken.«
Während Dora Conradi hinausging, wandte Sörensen sich Inge zu.
»Seien Sie meiner Tante nicht böse«, bat sie, »sie hat solche Angst vor meiner Mutter.«
Wieder war es Sörensen, als stände eine Lüge zwischen ihnen, als er jetzt fragte: »Warum denn?«
Inge blickte zur Tür. Kam die Tante schon zurück? Eigentlich wäre es ihre Pflicht gewesen, den Kaffee hereinzuholen. Aber die Tante war so resolut aufgestanden, daß es ganz so ausgesehen hatte, als wollte sie ihre Nichte wenigstens einen Augenblick mit dem Gast allein lassen. Er schien ihr also zu gefallen.
»Ich wollte es Ihnen ja gestern schon erzählen, Herr Sörensen. Es ist nämlich… meine Mutter hat davon erfahren, daß wir einander unten am Fluß trafen, und das wollte sie unterbinden. Darum bin ich hierher zur Tante geschickt worden.«
»Und mußten draußen auf den Feldern arbeiten«, nickte der Mann und sah auf Inges zerkratzte Finger. »Wie kann ich das nur wiedergutmachen?«
In