59. Eine Verstorbene verhilft ihrer Schwester zu ihrem Rechte.
(Lehmann, Hist. Schauplatz, S. 947.)
Im Jahre 1694 hat sich im September in einem Bergstädtchen zugetragen, daß eines Fleischhackers Frau vier Wochen nach ihrem Begräbnis wieder kam. Sie hatte sonst den Nachruf eines frommen und eingezogenen Lebens und man sagte von ihr, daß sie sich zu ihren Lebzeiten unterschiedlichemal über das böse Leben beklagt habe, so ihr zweiter Mann mit Fluchen und Streit nebst den Kindern treibe, und daß sie es nicht vertragen könne, sie müsse viel leiden, daß es kein Wunder wäre, sie ließe sich lebendig begraben. Als sie kurz darauf starb, hinterließ sie auch eine arme Schwester, welche bei dem Witwer allerhand Erbstücke suchte, aber nichts erhalten konnte. Ungeachtet nun diese Erbforderung gerichtlich beigelegt worden war, wollte sich doch die blutarme Schwester nicht so abweisen lassen und vergoß viel Thränen. Der Witwer lag nebst seinem Sohne krank in der Unterstube. Da kommt ein Gespenst zu Mitternacht in Gestalt der Verstorbenen und setzt sich vor sein Bette. Er erschrickt und fängt an zu beten: Gott, der Vater steh' uns bei! zu dreien malen, aber die gespenstische Frau will nicht weichen, der Kranke kann nicht fort und schwitzet gar sehr. Es schlägt 12 Uhr, da meint er, nun werde sie fortgehen, aber sie bleibet sitzen bis nach 2 Uhr. Da fängt er an: Alle guten Geister loben Gott den Herrn. Sie antwortet, zwei Schritte zurücktretend: Ich auch. Der Kranke fragt: Was wollet ihr hier? Gehet hin, wo ihr hingehöret. Sie antwortet: Ihr sollt meiner Schwester Magdalena nicht alles nehmen. Und damit fuhr der Geist zum vordern Fenster hinaus. Eine Hausgenossin wohnte in der Oberstube, die auf der Bank liegend eben dieses Gespenst gesehen, welches sie angegriffen und begehrt, man solle ihre Schwester nicht kränken; damit warf's ein Biermaß nach ihr und blieb außen.
60. Die umherwandelnde Gräfin in der Kirche zu Wildenfels.
(Mündlich.)
In der früheren, jetzt nicht mehr vorhandenen Kirche zu Wildenfels befanden sich die Begräbnisse der verstorbenen Glieder der erlauchten gräflichen Familie der Herrschaft. Alte Leute erzählen noch jetzt, einst habe eine verstorbene Gräfin daselbst nicht Ruhe finden können, sondern sei oft in der Kirche umhergewandelt und habe die Orgel gespielt. Als sich endlich der Pfarrer des Ortes entschloß, sie zur Ruhe zu bringen, habe er den Kantor vor der Kirchthüre mit der Weisung stehen bleiben lassen, während seiner, des Pfarrers Abwesenheit in der Kirche, ein Gebet zu verlesen. Als der Kantor aus Neugierde durch ein Schlüsselloch sah, soll eine Stimme gerufen haben: »Es guckt!« Nach Beendigung der Beschwörung trat der Pfarrer aus der Kirche und verkündete dem Kantor, daß sie beide in dem Jahre sterben müßten. Solches soll dann auch geschehen sein.
61. Die grüne Frau zwischen Altenberg und Zaunhaus.
(Gießler, Sächs. Volkssagen. Stolpen, S. 618.)
Auf der Straße zwischen Altenberg und Zaunhaus, in der Nähe des Kahlenberges gesellt sich nach der Sage manchmal eine schweigsame, dunkelgrün und nach längst vergessener Mode gekleidete Frau zu dem Wanderer, geht neben ihm her, ohne ihm Rede zu stehen, biegt auch wohl auf einen sonst nicht sehr betretenen Waldweg ein und verschwindet daselbst. Dieselbe zeigte sich zumeist nach Eintritt der Abenddämmerung, seltener des Nachts, ist aber auch schon im Morgengrauen bemerkt worden. Ein Mann erzählte, daß er in seiner Jugend, als er am frühesten Morgen der verbotenen Lust des Vogelstellens in der Nähe von »Paradies-Fundgrube« am Kahlenberge nachgehen wollte, einer lustwandelnden Dame begegnete, die er höflich begrüßte und anredete, da er selbige für die alte Schwester des damaligen Bergmeisters hielt. Der junge Mann erhielt keine Antwort; die Frau ging an ihm vorbei, in einen Waldweg hinein und verschwand dort vor seinen Augen.
Diese Sage könnte vielleicht besser unter den Dämonensagen stehen, da die grüngekleidete Frau an Holzweibchen erinnert, welche im Vogtlande grün erscheinen. Ebenso erzählen Tyroler Sagen von den grüngekleideten Norgen oder Wildmänneln, die zu den Pflanzendämonen gehören und mit denen auch die grünen, in Menschengröße erscheinenden Männchen der Burgundischen und Schweizer Sage, welche die Leute im Walde irre führen, verwandt sind.
Grün ist auch die Farbe des Teufels. Auf dem Blocksberge erschien der Teufel grün und ebenso waren auch die Hexen bei ihren Tänzen in Grün gekleidet. (Österreich. Touristenzeitung, I. No. 5.)
62. Das Fräulein auf der Mulde bei Klösterlein Zelle.
(Nach einer Mitteilung von L. Fischer aus Aue.)
Vor langer Zeit war auf dem Rittergute Klösterlein bei Aue ein Fräulein gestorben, welches nach seinem Tode des Nachts auf der Mulde dahin schweben sollte. Da geschah es, daß zwei Bergleute einst eines Sonntags in einer schönen Sommernacht von Schlema nach Zelle gingen, um daselbst Musik zu machen. Ihr Weg führte sie über die sogenannte Ochsenwiese und den Klostersteg. Als sie an die Ochsenwiese kamen, setzten sie sich nieder, um ein wenig auszuruhen; dabei kamen sie auf den Gedanken, dem Fräulein ein Morgenständchen zu bringen, und als sie eine Weile geblasen hatten, näherte sich ihnen das in einen Schleier gehüllte Fräulein und warf jedem ein Sträußchen in den Schoß. Der eine von ihnen steckte dasselbe in eine Tasche seines Kittels, der andere aber warf es weg. Als am nächsten Morgen derjenige, welcher sein Sträußchen eingesteckt hatte, den Kittel wieder anziehen wollte, kam ihm derselbe so schwer vor, und da er in die Tasche griff, um nachzusehen, zog er sein Sträußchen heraus, welches sich in pures Gold verwandelt hatte. Voll Freude teilte er dies seinem Kameraden mit. Da nun derselbe eilends nach der Ochsenwiese lief, um das andere Sträußchen zu suchen, konnte er es nirgends finden und er mußte unverrichteter Sache wieder nach Hause zurückkehren.
Ähnlich ist die Sage von den Musikanten aus Kleingölitz, welche des Nachts am alten Schlosse vorbeigehen und dem alten Grafen, welcher in der Burg umgeht, ein Ständchen bringen. Jeder von ihnen erhält ein grünes Buchenreis, welches jedoch nur einer behält; am andern Morgen sieht er, daß es vom reinsten Golde ist. (Witzschel, Sagen aus Thüringen, No. 193.)
63. Gespenstische Frauen in Eibenstock.
(Mündlich.)
Wenn man in Eibenstock in der Johannisnacht um 12 Uhr um eine gewisse Straßenecke geht, so sieht man eine weiße Frau mit einem weißen Tragkorbe. Redet man dieselbe furchtlos an, so wird man von ihr beschenkt. – Auf dem alten Gottesacker befindet sich eine Begräbnishalle, in welcher oft des Nachts eine Frau mit einem Kindlein auf dem Arme gesehen wurde, die heftig weinte. Welche Bewandnis es mit dieser Frau hat, kann niemand sagen.
64. Die alte Frau in der Isenburg.
(Mündlich.)
In dem jetzigen Mehlhornschen Gute neben der Pfarre in Wildbach diente vor Jahren ein Mädchen, welches