Seit jener Zeit treibt dort ein graues Männchen sein Wesen, das einst einem Försterburschen eine Thür zeigte, durch die er in ein großes Zimmer im Berge trat. Das Männchen erlaubte ihm auch, von dem vielen hier aufgespeicherten Gelde täglich eine bestimmte Summe zu holen. Als der Bursche aber noch einen seiner Kameraden mitbrachte, damit auch dieser die Schatzkammer kennen lerne, blieb er in der Höhle eingeschlossen.
Wenn am Pfingstmontage nach dem Gottesdienste die Lichter in der Kirche ausgelöscht werden, öffnet sich die Thür, und eine weiße Frau kommt heraus, die aber schon wieder nach einer halben Stunde hinter derselben verschwindet. Benutzt man diese halbe Stunde, so kann man die verborgenen Schätze aus der Höhle holen.
Ein Knabe aus dem sächsischen Grenzorte Rothenthal spielte eben auf der Violine, als die weiße Frau aus dem Felsen trat und ihn aufforderte, ihr etwas vorzuspielen. Furchtlos überschritt er den Grenzbach und spielte der Frau seine schönsten Melodien vor, in der Meinung, von ihr reich belohnt zu werden. Als die halbe Stunde verflossen war, nahm ihn aber die Frau nicht, wie er vermutet hatte, mit in den Berg, sondern füllte nur seinen Geigenkasten mit Laub.
Ärgerlich warf er dasselbe heraus und lief heim. Dort sah er noch einmal in den Kasten und fand drei Thaler darin. Eilends kehrte er zurück, fand aber weder die Frau, noch das weggeworfene Laub.
Ein andermal saß ein Mann am Ufer der Natschung und fischte. Da öffnete sich wieder die Thür im Raubschloß, und drei weiße Frauen traten heraus, gingen zum Bache und wuschen ihre Hände. Als sie den Mann sahen, riefen sie ihm zu, er möge drei Säcke holen, was sich dieser nicht zweimal sagen ließ. Obwohl die Frauen die Säcke nur mit Laub füllten, trug sie der Mann doch eine weite Strecke. Als sie ihm aber zu schwer wurden, schüttete er das Laub aus. Doch blieben in jedem Sacke einige Blätter, die er später als reines Gold erkannte. So oft er auch später die Stelle wieder aufsuchte, wo ihm das Glück so gelächelt hatte, die Frauen sah er nie wieder.
Am Palmsonntage ging eine Frau mit ihrem kleinen Kinde in derselben Gegend spazieren und kam zu einer Thür, die sie noch nie gesehen hatte. Neugierig versuchte sie die Thür zu öffnen, was ihr auch gelang. Sie trat in ein einfaches Zimmer, in dessen Mitte ein Tisch mit Geld stand. Während sie das Kind auf den Tisch setzte, raffte sie schnell das Geld zusammen und trug es hinaus. Hier sah sie aber nur Laub in ihrer Schürze und fand, als sie ihr Kind wieder holen wollte, die Thür verschlossen. Ein Priester, den sie in ihrer Verzweiflung um Rat fragte, schalt sie ihrer Habsucht wegen und sagte ihr, daß sie in einem Jahre genau um dieselbe Stunde wieder bei der Thür warten müsse, bis sich diese öffne. Sie that dies und fand auch wirklich ihr Kind, mit roten Äpfeln spielend, die sich im Freien in Goldklumpen verwandelten.
43. Die weißen Frauen zwischen Olbernhau und Blumenau.
(Christ. Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 948.)
Am 15. September des Jahres 1695, Sonntags spät, ritt Christoph Kaiser, Müller zu Blumenau, nach Hause, und als er hinter die Pfarrwohnung zu Olbernhau kam, wo ihn sein Weg nach Hause führte, gingen drei Männer geschwind und ohne Gruß vorüber, worüber er sich verwunderte, weil er sie für Blumenauer ansah. Als er ein wenig fortreitet, kommen ihm auf dem Wege vier verschleierte Weiber entgegen, welche eine Totenbahre mit einem Sarge und Leichentuch tragen. Darüber erschrickt er und weiß nicht, wo er ist; bald dünkt ihm, er reite durch ein großes Wasser, bald scheint es ihm, als müsse er einen hohen Berg hinan reiten, bis es ein wenig licht wird und er sich bekennet, daß er auf dem rechten Wege sei. Als er zu des Richters Teich, der nahe bei dem Gerichte ist, kommt, sieht er abermals fünf bis sechs Paar verschleierte Weiber daher kommen, die über den Steig, darüber er auch gewollt, gehen, daß er nicht weiß, was er thun soll. Er lässet aber dem Pferde seinen Gang; dasselbe ist des Weges wohl gewohnt, will jedoch über den Steig nicht gehen, sondern lenket sich mit Schnauben neben demselben durch ein Bächlein, und bringet so seinen Reiter gesund nach Hause, wie wohl es sehr geschwitzet. Des andern Tages hat es der Müller ausgesagt und hat ihm nichts geschadet.
44. Die weiße Frau im Pfarrgarten zu Meerane.
(Leopold, Chronik und Beschr. der Stadt Meerane, S. 252.)
In alter Zeit lebte auf dem Schlosse zu Meerane ein Herzog, der von seiner Gemahlin keine Kinder bekam. Daher nahmen sie ein junges Mädchen, eine Gräfin, an Kindesstatt an. Als diese 17 Jahr alt war, starb des Herzogs Gattin. Sie ward bald vergessen und kurze Zeit darauf von dem Herzoge jenes Mädchen zur zweiten Gemahlin erwählt, welche ihm in der Folge zwei Kinder gebar, einen Knaben und ein Mädchen. Auch der Vater starb, als jener acht, dieses zwei Jahre alt war, und die junge Witwe ließ sich bald darauf den Zutritt eines fremden, ihr nicht ganz ebenbürtigen Mannes gefallen. Als er nun während der Zeit seiner Bewerbungen einmal wieder abreiste, hatte er die Worte fallen lassen: es sei alles gut, wenn nur vier Augen nicht wären. Das verblendete Weib und die dabei unnatürliche Mutter deutete obige Worte so, daß ihr Liebhaber sie gern heiraten würde, wenn nur ihre zwei Kinder nicht wären. Und sofort war auch ihr Entschluß gefaßt. Die Wartefrau mußte mit den beiden Kindern in den nahen Wald, das Gottesholz, gehen und ein gedungener Bösewicht alle drei ermorden. Die Wartefrau fiel als erstes Opfer. Als der Knabe sie in ihrem Blute hinsinken sah, fiel er dem Mörder um den Hals und versprach, er wolle ihm fünf Rittergüter von seinen acht geben, wenn er ihn nur leben ließe. Doch auch ihm senkte der Schändliche den Dolch in die Brust. Das Mädchen hielt ihm zur Abwehr, wie zur Beschwichtigung, in jeder Hand eine Puppe entgegen, die sie mitgenommen hatte. Auch dies Kind wurde nicht geschont. Die Mutter ließ hierauf die drei Leichen heimlich in die Burg bringen, und nach dem sie ausgesprengt, alle drei seien schnell einer bösartigen Krankheit erlegen, in der Burgkirche beisetzen. Ihrem Liebhaber schrieb sie, das Hindernis ihres Ehebundes sei beseitigt und er solle nun kommen. Und er kam – aber mit strafendem Blicke und dem Bedeuten, daß er sie nur habe prüfen wollen, ob bei ihr sinnliche Liebe über Kindesliebe siegen könne, und daß nun ein Ehebündnis mit ihm unmöglich sei. Jetzt überfiel die Unglückliche die entsetzlichste Reue und da sie meinte, daß ihre so große Schuld nur durch die schwerste Buße zu sühnen sei, ließ sie sich beide Knie mit Polstern umkleiden und trat nun in Begleitung ihrer Kammerfrau und in leichtem Gewande ihre Bußreise zu dem Papste nach Rom immer auf den Knien rutschend an. Auf der Hälfte des Weges starb ihre Begleiterin, sie selbst mußte allein weiter reisen. Als sie endlich an dem ihr bezeichneten Kloster in Rom angekommen war, war es nachts 12 Uhr; sie vermochte es nicht mehr, sich aufzurichten und an der Schelle zu ziehen, sank vor Erschöpfung nieder und wurde früh morgens vor der noch ungeöffneten Pforte des Klosters von Vorübergehenden tot aufgefunden. Ihre Seele fand daher keine Ruhe, sondern schweift seitdem als weiße Frau in dem Rotengarten oder Raubgarten, dem jetzigen Pfarrgarten von Meerane, umher.
In einem alten Buche über Meerane soll die Ermordung der beiden Kinder abgebildet sein mit den Unterschriften:
»Mein lieber H., laß mich leben,
Ich will Dir Neudeck und Nossen (?) geben,
Pleißenburg, die neue,
Es wird Dich nicht gereue.« Und:
»Mein lieber H., laß mich leben,
Ich will Dir meine Puppen geben.«
Fast ganz übereinstimmend mit unser Sage ist die von der Gräfin von Orlamünde. (Richter, deutscher Sagenschatz, 4. Heft, No. 51.)
45. Die gespenstische Frau auf dem weißen Fels im Hartensteiner Walde.