Sagenbuch des Erzgebirges. Johann August Ernst Köhler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johann August Ernst Köhler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066112486
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Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 101.)

      In der zur Gemeinde Breitenbach gehörigen Ortschaft Ziegenschacht lebte vor langer Zeit eine Jungfrau, welche ihres Geizes und ihrer Ungerechtigkeit wegen gefürchtet war. Seit ihrer Verlobung kannte ihre Habsucht keine Grenzen. Um ihr Heiratsgut, woran ohnedies schon die Thränen der Armut hingen, zu vergrößern, bediente sie sich sogar beim Verkaufe der Milch eines so schlechten Maßes, daß sich darüber allgemeine Klagen erhoben. Als die hartherzige Jungfrau dieselben jedoch nicht berücksichtigte, wurde sie von einer Milchkäuferin verwünscht. Von dieser Stunde an wandelt die Jungfrau auf dem Ziegenschachter Wege noch bis heute herum. In der Hand trägt sie ein Milchseidel und auf dem Kopfe einen grünen Kranz. Doch sehen die verwünschte Jungfrau, die bloß zu gewissen Zeiten erscheint, nur wenige Menschen.

      Auf die mögliche Verwandtschaft der Ziegenschachter Jungfrau mit der Huldra wurde bereits in der Einleitung hingewiesen. Eine thüringische Sage ist übrigens der unsrigen sehr ähnlich. Eine Krämerin, welche ihre Käufer durch falsches Gewicht und Maß betrog, wandelt ebenfalls als Gespenst in der Nähe von Mehlis bei dem Reißigersteine umher und ruft dabei: »Drei Viertel für ein Pfund! Drei Quärtchen für eine Kanne!« (O. Richter, Deutscher Sagenschatz, 3. H. No. 10.) Daß aber gerade der Betrug beim Milchverkauf mit dem gespenstischen Umherwandeln der Betrüger bestraft wird, ist eine in der Volkssage erhaltene Erinnerung an den hohen, alle übrigen Besitztümer überragenden Wert der Milch und Milch gebenden Tiere aus dem frühesten Zeitalter der indoeuropäischen Völker.

       Inhaltsverzeichnis

      (Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 64 etc.)

      Sehr viel wird von der Grauensteiner Jungfrau erzählt, welche keinen Kopf hat und sich zuweilen blicken läßt. Einst ging ein Weib von Joachimsthal nach Holz, da bemerkte sie einen schönen rasigen Platz, auf dem sich Wäsche ausbreitet fand. Darauf zugehend, um es näher anzuschauen, bemerkte sie, daß die Wäsche immer reiner und schöner ward. In ihrem Innern regte sich der Wunsch, ein Stück Wäsche zu nehmen, was sie auch that. Plötzlich hörte sie hinter sich ein Geschrei; als sie aber, sich umsehend, niemanden bemerkte, nahm sie noch ein Stück Wäsche und ging ihren Weg, auf ein abermaliges Rufen nicht achtend. Sie erreichte eben einen Kreuzweg, als die unbekannte Stimme zum dritten Male sich hören ließ: »Wenn kein Kreuzweg gekommen wäre, wärest Du des Todes!« Hätte sie alle Wäsche gestohlen, so wäre die Grauensteiner Jungfrau erlöst worden.

      Es geht noch die Sage, daß das Weib an derselben Stelle, wo es ein Stück Linnen erbeutete, um Mitternacht eine wundersam blaue Flamme als Wahrzeichen eines verborgenen Schatzes emporschlagen sah. Als sie, um den Geist zu bannen und den Schatz zu heben, ihren Rosenkranz in den blauen Flammenschein geworfen hatte, siehe da! des Morgens lagen an dieser Stelle zwei funkelnde Silbersiebzehner.

      Eines Tages ging ein altes, gebücktes Mütterchen in den Wald, um dürre Reiser zu sammeln. Als die Alte in der Nähe des Grauensteines das aufgeschichtete Reisigbündel zusammengebunden hatte und es auf den Rücken nehmen wollte, tönte ihr von dort bezaubernder Gesang entgegen. Das Mütterchen lauschte eine Weile, faßte sich dann ein Herz und schritt dem Grauensteine zu. Doch welch eine Überraschung! Es erblickte daselbst ein prächtiges Schloß, vor dem eine schöne, weißgekleidete Jungfrau Wäsche bleichte. Kaum wurde die Jungfrau des Weibes ansichtig, so zog sie sich stillschweigend und langsam hinter die Mauern des Schlosses zurück. Als aber das herzhafte Mütterlein nach einem Stück Wäsche griff und mit dem gestohlenen Gut davontrippelte, verschwand unter Blitz und Donner das Zauberschloß, an dessen Stelle wieder die Halde war. – Wie die Sage weiter erzählt, soll das Weib, das auf diesen weggenommenen Linnen ein paar Jahre gelegen hat, darauf schmählich verkommen sein.

      Der Bergschmied Bernhard ging eines Tages nach der Schönerzzeche, um dort sein Gezähe in Ordnung zu bringen, all die Fäusteln und Stopfer, Stecher und Bohrer, Hacken und Sägen, mit denen der Bergmann hantiert. In der Mondscheinnacht kam er zwischen elf und zwölf Uhr am Grauensteine an. Potztausend! Auf der blanken Wiese, wo weitum keine Einschichte liegt, rings Wäsche um Wäsche, die ganze Wiese ist von Linnen vollauf überspannt. Bernhard nahm sich sein klopfendes Herz in die Hand, und eine innere Stimme sagte ihm: Ei! für wen liegt so herrliche Wäsche ausgespannt? die Geister haben genug daran, unsereins wäre reich fürs ganze Leben! Greif zu, Bernhard! Nimm, so viel du schleppen kannst! Und er griff zu, faßte die Wäsche mit beiden Händen, schlug sie über den Rücken, wand sie um den Leib und lief hastig; doch horch! Hollah! hinterher welch ein Gepolter, welch ein Getümmel, welch ein Gekrach! Ist der Grauenstein geborsten? Schnell, wie er sie zusammenraffte, warf er die Wäsche wieder von sich. – Da hat er die Poltergeister versöhnt; denn mit einemmale ist es stille geworden ringsum, und die Wäsche war verschwunden, als er sich umsah, und er lief voll Entsetzen nach der Schönerzzeche.

      Einem Weibe aus Joachimsthal träumte in einigen aufeinander folgenden Nächten, sie solle auf ihre unweit des Grauensteins gelegene Wiese gehen, dann könne sie reich werden. Als sie sich endlich in einer mondhellen Nacht auf den Weg machte und zwischen 11 und 12 Uhr auf der Wiese anlangte, sah sie zu ihrer Verwunderung auf derselben ringsum Kinderwäsche ausbreitet. Find' ich auch kein Geld, dachte sie, so lasse ich doch auch dieses Zeug nicht liegen. Sie nahm also die Wäsche in ihre Schürze und trat die Heimkehr an. Doch siehe! Kaum näherte sich das Weib einem Graben, da rührte es sich mit einemmale in der Schürze und als sie dieselbe öffnete, erblickte sie darin lauter zischende Ottern. Vor Furcht und Ekel warf sie alle in den Graben und lief bestürzt nach Hause; nur zwei Schlangen erreichten den jenseitigen Rand. Als das Weib des anderen Tages zu dieser Stelle kam, fand sie zwei Häufchen Gold.

       Inhaltsverzeichnis

      (Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 943.)

      Im Jahre 1666 im September hat sich in einer Bergstadt folgendes begeben. Eine Frau war in der Fastenzeit gedachten Jahres Todes verblichen. Da nun der Witwer zur andern Heirat schreiten wollte, kam immer ein Gespenst in der Gestalt der verstorbenen Frau und ängstigte ihn, daß er keine Ruhe haben konnte. Daher gebot er seinem Gesinde, sie sollten in der Stube schlafen und ihr Bette vor seine Schlafkammer schieben. Am Donnerstage zuvor spricht das Gesinde: Herr, wenn ihr doch zuvor, ehe ihr wieder Bräutigam seid, eurer vorigen Frau einen Leichenstein legen ließet, vielleicht bliebe sie außen. Er bestellte am Freitage die Maurer und läßt ihn legen und sagt: Nun habe ich meine Alte fein eingeschwert, sie wird nicht wiederkommen, der Teufel müßte sie denn heraus führen. Er nimmt die Maurer mit sich nach Hause, ißt und trinkt mit ihnen, bestellt einen Boten, der morgens frühe soll weglaufen, gehet zu Bette, und das Gesinde liegt vor der Kammerthür. Zur Mitternacht kommt ein Gespenst in die Stube, sucht erst in den Registern und blättert darin, darnach rauschet es über das Gesindebette weg, kam in die Kammer und würgte den Mann. Früh kam der bestellte Bote und wartete zwei Stunden; das Gesinde hieß ihn anpochen, rufen und gar hinausgehen, da findet er ihn tot. Und dieser Mann hat sich nach dem Tode gleichfalls sehen lassen.

       Inhaltsverzeichnis

      (Lehmann, Hist. Schauplatz, S. 946.)

      In Joachimsthal hat sichs begeben, daß ein Gespenst in Gestalt einer daselbst verstorbenen Frau immer in ihres hinterlassenen Mannes Haus kam und ihn bei Tag und Nacht beunruhigte. Der Witwer klagte seine Not dem Pfarrer und bat, ob er nicht gegen Mittag zu ihm kommen und wider den Geist beistehen möchte. Der Pfarrer kam endlich auf des Mannes inständiges Bitten, und da erschien die gespenstische Frau gleich am Mittage in ihrem Todeshabit, wie sie im Sarg war beschicket worden. Der Pfarrer redete den Geist getrost an und fragte ihn, was er hier im Hause zu schaffen habe. Das Gespenst sagte: Ich habe eine Kette verborgen,