Sagenbuch des Erzgebirges. Johann August Ernst Köhler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johann August Ernst Köhler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066112486
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gefreut, als es geboren worden, denn es werde sie erlösen. Wirklich hatte man bemerkt, daß seit der Geburt dieses Kindes sich das Gespenst sehen ließ; es kam auch mit einem großen Bund Schlüssel in die Kammer, wo die Schwester des Superintendenten schlief, und sagte: Nun ist der geboren, der mich erlösen wird! Als später die Kindermagd einmal das Knäblein mit sich ins Bett genommen, ist das Gespenst darauf losgegangen und hat es aus dem Bett reißen wollen mit den Worten: »Harre, harre, Du bist mein!« Darüber ist die Magd aufgewacht, hat aber das Kind so fest an seinem Hemdchen gehalten, daß dasselbe entzweiriß, das Gespenst aber hat das Kind fahren lassen und ist auf die Magd gefallen und hat solche dermaßen gedrückt, daß sie kaum mehr Atem holen können. Von dieser Zeit an hat sich das Gespenst aber auch in der eigenen Schlafkammer des Superintendenten, wo dessen Söhnlein in einem Gitterbettlein schlief, eingefunden, hat dasselbe öfter beunruhigt, die Flügel in dem Bettchen aufgemacht und es gereizt, es solle aufstehen und mitgehen, sie wolle ihm schöne gelbe Pfennige geben, es hat auch dergleichen Goldstücke mitgebracht und dem Kinde gezeigt. Während dem ist aber die Nähterin einmal über das andere von dem Gespenste genötigt worden, sie möge doch nur einmal mitgehen, weil auch das Kind mitkommen werde, es solle weder ihr noch dem Kinde ein Leid geschehen, und sie werde soviel finden, daß sie für ihre Lebtage daran genug haben werde. Daher hat sie eines Tages ihre Zeit und Gelegenheit abgesehen, ist auf das Geheiß des Gespenstes aufgestanden und in die Studierstube gegangen und hat dort so lange geharrt, bis die weiße Frau das Knäblein aus seinem Bettchen genommen, auf den Arm gehoben und hineingebracht hat, welches in der Nacht zwischen 1 und 2 Uhr geschehen ist. Nachdem sich aber mit der Thüre ein großes Gerassel erhoben, auch der Wachsstock, den das Gespenst nebst einem langen Briefe mit Mönchsschrift beschrieben, in der rechten Hand gehabt, sehr helle, wie wenn des Morgens die Sonne aufgeht, geleuchtet, ist das Knäblein gleich darüber aufgewacht und hat dem Gespenst eine Ohrfeige nach der anderen gegeben, daß sie es endlich vom Arme herabgelassen und mit der linken Hand fortgeführt, weil es nicht weiter hat mitgehen wollen. Da dann der ganze Saal zur rechten und linken Hand voller schwarzer und weißer Mönche gestanden, mitten durch ist ein enger Durchgang geblieben, und haben sich auf beiden Seiten Musikanten gefunden, welche mit Geigen, Posaunen und Trompeten aufs Lieblichste musiciert, wie solches alle im Hause gehört. Als nun das geängstigte Kind samt der Nähterin an die Treppe kommt, sieht es daselbst einen großen schwarzen Hund sitzen, der eine feurige Zunge aus seinem Rachen reckt, ist aber davon noch mehr erschrocken, und fängt an zu schreien: Ach, Hund beißt! Hund beißt! worauf es sich aus den Händen des Gespenstes gerissen und wieder in die Studierstube gelaufen ist. Da nun die Nähterin solches gesehen, entfällt ihr der Mut auch, sie kehrt ebenfalls um, allein es ist ihr wie das erste Mal nicht wohl bekommen, sondern die bösen Geister haben sie bei den Haarzöpfen ergriffen, zurückgezogen und etliche Mal wider den Boden gestoßen, wobei es ihr vorgekommen ist, als wenn neben ihrem Kopfe lauter Pistolen losgeschossen würden. Indem sie nun noch mit großer Mühe in die Studierstube gekommen und niedergesunken, nicht wissend, wo sie sei noch wie ihr geschehen, da hat sich das Knäblein umgewandt, sie bei der Hand genommen, und vollends in seines Vaters Schlafkammer geführt, wohin die Frauenzimmer aus der anderen Kammer gelaufen kamen und sie hier zu erquicken suchten. Der Superintendent hat nun die ganze Zeit hindurch mit seiner ganzen Familie und Gesinde des Morgens und Abends seine Andacht gehalten, die Nähterin aber, weil sie zum zweiten Male nicht gefolgt, wegziehen heißen. Kaum ist sie jedoch fort gewesen, so hat das Gespenst sich die folgende Nacht darauf in der Kammer, wo die Nähterin sonst gelegen, mit vernehmlicher Stimme hören lassen: »Wo Ihr mir die Marie Sabine nicht wieder herschafft, so will ich auf den dritten Abend so turnieren, daß Ihr nicht sollt darinnen bleiben können.« Worauf der Herr des Hauses, der solches gehört, geantwortet: »Der Teufel ist ein Lügner, er wird's auch diesmal bleiben!« Und wirklich ist es in der darauf folgenden Nacht ganz still geblieben und hat sich seit der Zeit nichts wieder von dem Spuk hören lassen.

       Inhaltsverzeichnis

      (Nach Iccander, Sächs. Kernchronik, bei Gräße, Sagenschatz des K. S., No. 453.)

      In Olbernhau starb im Jahre 1719 eine hochschwangere Frau und ward gewöhnlicher Weise begraben. Da kommt einige Tage darauf ein Student auf den Kirchhof und liest dort die Inschriften der Grabsteine. Plötzlich sieht er auf einem Grabe eine weinende Frauensperson stehen, die auf sein Befragen, warum sie das thue, antwortet: »Ach, daß Gott erbarm, ein Kind und keine Windeln!« Da hat der Student aus Mitleid sein Halstuch abgebunden und es ihr zugeworfen, worauf sie sogleich verschwunden war. Nun hat den Studenten eine große Angst befallen, es möge diese Person kein lebendes Wesen, sondern ein Gespenst gewesen sein, er ist also sogleich zum Ortsgeistlichen und in's Amt gegangen und hat die Sache angezeigt, worauf die Obrigkeit jenes Grab öffnen ließ und man fand, daß jene Frau im Grabe ein Kind geboren hatte, welches tot zu ihren Füßen in das Halstuch des Studenten, welches dieser, durch seinen darin gestickten Namen als sein recognosciert hat, eingewickelt lag.

       Inhaltsverzeichnis

      (F. A. Türke im Glückauf, Jahrg. 2, No. 3.)

      Zwischen den Feldern von Neudorf und Crottendorf liegt ein schmaler Streifen Staatswaldung, die Braunelle genannt, in welchem die Sage den Katzenhans des Nachts sein Wesen treiben läßt. Sein weithin tönendes »hollerndes« Geschrei schreckt den Einsamen und treibt ihn auf Irrwege. Zuweilen begiebt er sich auch durch die Luft über Crottendorf hinweg nach einer sumpfigen Gegend zwischen diesem Orte und Scheibenberg, um allda sein Wesen zu treiben. Die Sage berichtet aber nicht mehr, wer jener Katzenhans gewesen sei und woher es komme, daß er gerade dort sein Wesen treibe. Sein Parteigänger ist der Glasmeister mit sehr großen Glasaugen, der in der oberen Braunelle, da, wo die Straße von Neudorf nach Crottendorf den Wald durchschneidet, den Wanderer in der Nacht schreckt und irre führt. Ob sein Herkommen auf die ehemalige Glashütte in Ober-Crottendorf zurückzuführen ist, weiß aber niemand zu sagen. – Ist nun der Fußgänger des Nachts glücklich durch Ober-Crottendorf und ein gutes Stück auf der Straße nach Scheibenberg weiter gekommen, so begleitet ihn eine gespenstische Laterne eine gute Strecke.

      In Neudorf berichtet die Sage von einem zweiten Kameraden des Katzenhans, dem Bachreiter, der zuweilen des Nachts den Sehmabach auf- und abwärts durchreitet und durch sein Erscheinen Unglück verkündet, wenigstens macht er darauf aufmerksam, daß in der Nähe des Ortes, wo die Hufeisen seines Rosses Funken schlagen, bald ein Feuer entstehen werde.

      Von einem Bach- oder Schimmelreiter erzählt auch die schwäbische Sage. Derselbe reitet die Wald- und Wiesenthäler entlang, folgt dem Laufe des Wassers oder setzt durch dasselbe des Abends hindurch. Die ihn Begegnenden führt er irre. Sein Roß hat er sich aus dem Meere geholt, vor Sonnenaufgang stieg der herrliche Schimmel daraus hervor, ließ sich vom Reiter an den Ohren fassen und ihn aufsitzen, trug ihn ohne Sattel und Zaum, wohin er wollte. In den Fahrten dieses geisterhaften Reiters lassen sich Nebelbilder erkennen. (Mannhardt, die Götter der deutschen und nord. Völker, S. 54.)

       Inhaltsverzeichnis

      (Nach einer Mitteilung von C. Vieweg aus Aue.)

      In früheren Zeiten lebte in Aue ein Förster mit Namen Rachhals. Derselbe war rauh in seinem Wesen und flößte allgemeine Furcht ein, so daß man seiner Person so viel wie möglich aus dem Wege ging. Nach seinem Tode ging die Sage, Rachhals sei in eine finstere Kammer seines Hauses, durch welche eine Esse führte, verbannt worden und spuke darin um Mitternacht. Die Kammer hatte nur ein kleines Fenster nach dem Hofe, und es wurde erzählt, sobald dieses Fenster geöffnet werden würde, sollte Rachhals erlöst sein, gleichzeitig aber würde auch das Haus abbrennen. Das Haus stand in der Nähe des jetzigen Gasthofs zum Engel. Als daselbst im Jahre 1859 Feuer ausbrach, wurde auch das ehemals Rachhals'sche Haus