Wenn die Träume laufen lernen 1: IBIZA. Gabriele Ketterl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gabriele Ketterl
Издательство: Bookwire
Серия: Wenn die Träume laufen lernen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958694057
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versucht – mit zweifelhaftem Erfolg. Die Kippe landete überall, in meinen Haaren, in meinem Ausschnitt, im Ausschnitt meines Gegenübers, in Silvies Crema Catalán und einmal um ein Haar in meinem rechten Nasenloch. Danach hatte ich es nie wieder versucht. Ich griff nach meinem Glas und kuschelte mich fester an ihn, spürte, wie sein Arm mich umfasste und an sich drückte.

      Seine tiefe, leise Stimme unterbrach kurz darauf die Stille. »Hey, Nando, ein gut gemeinter Rat, da ich dich letzte Nacht mit der schwarzgefärbten Schönheit gesehen habe: Sei da ein wenig vorsichtig.«

      Fernando seufzte herzerweichend. »Was soll ich denn tun? Das ist mein unglaubliches Charisma, sie steht eben auf mich. Gib doch zu, dass sie dir auch aufgefallen ist.«

      Carlos lachte lautlos in sich hinein. »Ja, schon, aber um ehrlich zu sein, war der Blick auf sie meist durch ihren stiernackigen Begleiter verdeckt, der die nicht zu verachtenden Ausmaße eines Profiwrestlers besitzt.«

      »Ja, Himmel, wie soll ich mich denn wehren, wenn sie mich halb anspringt? Zur Seite gehen?«

      Carlos nickte. »Das wäre wirklich die beste Lösung. Du kannst nicht behaupten, dass das Angebot in Sachen Frauen in irgendeiner Form zu klein wäre, oder? Noch mal, pass auf. Der Kerl macht dich alle, wenn er etwas mitbekommt. Schon klar, dass er nicht der Hellste ist, aber selbst der Typ hat sowas wie Instinkt, wenn’s um seine Frau geht. Lass die Finger von ihr, wenn dir dein Gesicht im Urzustand lieb ist.«

      Fernando drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus, der zwischen uns stand. »Du hast leicht reden. Kann ich was dafür, dass ich andauernd Problemfälle anziehe?«

      Ich musste mich nun leider doch einmischen. »Tja, Großer, Gleich und Gleich gesellt sich eben gerne.«

      Fernando beugte sich blitzschnell zu uns und zwickte mich in den Arm.

      »Hier gibt’s kein tja, junge Frau. Was hältst du denn von der Idee, mich endlich zu erhören und mir somit all diese Probleme vom Hals zu schaffen, na?«

      Ich wandte Fernando mein Gesicht zu und lächelte ihn vielsagend an. »Ich dachte, damit sind wir durch? Also noch mal: Träum weiter!«

      Der schöne Canario ließ seinen Blick aus unverschämt blauen Augen über mich gleiten und grinste frech zurück. »Dich krieg ich noch.«

      »Das werde ich zu verhindern wissen.« Carlos‹ Stimme hatte nun einen drohenden Unterton.

      »Okay, schon gut. Ich gebe mich geschlagen … für den Augenblick.« Mit einem Lächeln auf den Lippen lehnte Fernando sich zurück und begann gedankenverloren, sich eine von Robertas dunklen Locken um den Finger zu wickeln.

      Carlos trank den letzten Schluck Kaffee, stellte sein Glas weg, zündete sich eine neue Corona an und legte die Arme wieder um mich. Schweigend sahen wir hinaus aufs Meer.

      Zusammen schweigen, das war nicht einfach, das musste man können. Schweigen, ohne das seltsame Gefühl, unbedingt etwas sagen zu müssen. Carlos und ich hatten es von der ersten Minute an beherrscht.

      

      

       4

      Drei Jahre zuvor

       Teneriffa, Flughafen Reina Sofia, Juni 1985

      Es war früher Nachmittag, als ich vor etwas über drei Jahren nach meiner Abreise aus Deutschland auf Teneriffa gelandet war. Jaimes letzte Nachricht am Telefon hatte gelautet, dass er seinen Chefchoreografen Carlos schicken würde, um mich abzuholen. Er beschrieb ihn mir kurz, und schon da war ich mir sehr sicher, dass ich ihn erkennen würde.

      So war es dann auch. Kaum verließ ich den Zollbereich und hatte meinen Gepäckwagen, der natürlich in eine komplett andere Richtung wollte als ich, mit Müh und Not hinaus ins Getümmel bugsiert, hielt ich nach Carlos Ausschau. Er war nicht schwer zu erkennen. In einem ärmellosen Jeanshemd und einer kunstvoll zerrissenen, ausgebleichten Jeans sowie dunkelbraunen Cowboystiefeln stand er, die Hände tief in den Hosentaschen versenkt, mit mürrischer Miene an eine Säule gelehnt. Er ließ den Blick aus dunklen Augen gelangweilt über die ankommenden Fluggäste schweifen. Sonderlich begeistert von seinem Auftrag, mich hier aufzusammeln, schien er nicht zu sein. Was mich spontan für ihn einnahm, war die Tatsache, dass an seinem rechten Arm annähernd so viele Armbänder und -reifen baumelten wie an meinem. Ich musste ihn wohl angestarrt haben, denn plötzlich blieb sein Blick an mir hängen. Er musterte mich kurz mit ernster Miene, dann erschien ein Lächeln auf seinen Lippen. Er stieß sich von der Säule ab, nahm die Hände aus den Taschen und kam langsam auf mich zu.

      »Caroline? Caroline Montrose?«

      O Mann, was für eine Samtstimme.

      Ich war mir der Funktionstüchtigkeit meiner Sprachwerkzeuge nicht ganz sicher und beließ es bei einem freundlichen Nicken.

      Er sah auf den Gepäckwagen, dessen Griff ich haltsuchend umklammerte. »Ist das dein ganzes Gepäck?«

      Ich räusperte mich umständlich, um mit viel zu hoher Stimme zu antworten. »Ja, das reicht doch eigentlich auch, oder?«

      Er lächelte vielsagend. »Bei euch Frauen weiß man das nie. Hattest du einen guten Flug? War alles in Ordnung?«

      Wieder nickte ich. »Alles super, danke. Der Kaffee hat beschissen geschmeckt, aber sonst war alles gut.«

      Das Lächeln vertiefte sich einige Nuancen. Eigentlich sah das sehr schön aus, doch leider hatte es auf mich den Effekt, dass sich meine Gesichtsfarbe von Schottisch-dezent-Kalkweiß zu Venezianisch-Rot wandelte - ich spürte es genau. Carlos schien es nicht zu bemerken. Er zeigte auf den Gepäckwagen und schmunzelte. »Na komm, ich fahr ihn raus. Lass uns hier verschwinden.«

      Ich fand das eine prima Idee, ehe ich mich noch komplett zum Affen machte. Also ließ ich ihm den Vortritt, umklammerte statt des Griffs die Träger meiner Umhängetasche und trottete hinter ihm her, während er zielsicher und problemlos den Wagen durch die Menschenmenge manövrierte. Nur langsam begann ich meine Umgebung wieder wahrzunehmen, und dazu gehörten auch die zahllosen neidvollen Blicke, die mich verfolgten, als ich hinter Carlos hertrabte. Ich konnte die Gedanken diverser Exemplare holder Weiblichkeit regelrecht auf deren Mienen ablesen: Was will denn der spanische Halbgott mit diesem unscheinbaren, nichtssagenden Wesen?

      Schließlich siegte mein – wenn auch kleines – Ego, ich straffte meine Schultern und setzte meine »Dumm-gelaufen-für-dich«-Miene auf.

      Carlos steuerte auf eine Tür zu und wir verließen das Flughafengebäude. Sofort umfing mich ein Gemisch aus Wärme und salziger Luft, dazu der typische Geruch der Coronas und die Geräuschkulisse, die ich so liebte. Gleich fühlte ich mich besser. Carlos hielt auf einen offenen Jeep Wrangler zu, an dessen Türen das Logo des Costa Azul prangte.

      »Wow, ihr habt neue Autos?«

      Carlos nickte mit strahlendem Lächeln. »Ja, cool, nicht wahr?«

      Er verstaute mein Gepäck und ich brachte den Gepäckwagen zur Sammelstelle. Kaum war der abgestellt, hupte es bereits neben mir und ich glitt, schon wieder leicht errötend, auf den Beifahrersitz. Wenige Minuten später erreichten wir die Autobahn in Richtung Norden. Carlos kramte schweigend im Handschuhfach, schob schließlich eine Kassette in den Rekorder und wir bretterten zu Creedence Clearwater Revivals Who’ll stop the rain über den Highway. Rechts neben uns donnerte der Atlantik an die Küste und zu allen Seiten erhoben sich in unterschiedlichsten Formationen die sandfarbenen Felsen, die so typisch für den Süden der Insel waren.

      Nach etwa fünfundvierzig Minuten verließen wir die Autobahn und bogen ab auf die Straße nach Puerto de la Cruz, die am alten Flughafen Los Rodeos vorbeiführte. Als wir die Bergkuppe erreichten, hinter der man zum ersten Mal den grünen Norden der Insel sehen konnte, bremste Carlos ab. Zu den Klängen von CCRs Lodi fuhren wir langsam auf eine kleine Ausbuchtung am Rand der Straße zu und ich genoss den Ausblick, der sich mir bot. Üppige, dunkelgrüne Bananenplantagen säumten rechterhand die Straße, während sich vor uns eine hügelige Ebene in


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