Nach dieser Theorie sind also die Landmassen bei A, die Wassermassen, das Weltmeer bei B vereinigt. Der Kugelabschnitt, welcher die Landmassen umfaßt, wird sich natürlich in Kreisform darstellen. Dieser Theil der Erdoberfläche verdiente allein, als Wohnstätte der Menschen, kartographisch gezeichnet zu werden. Daher bieten uns alle Weltkarten von Marino Sanudo (1320) bis auf Fra Mauro (1459) im Grunde dasselbe Weltbild: die von einem schmalen Ocean umfluteten Continente der alten Welt.
Eine Darstellung der Wasserseite der Erde, der Weltmeere hatte noch niemand versucht und schien alles Reizes zu entbehren, bis etwa ums Jahr 1474 Toscanelli von Florenz den ersten Versuch wagte. Das war aber zu einer Zeit, als ein anderer wichtiger Factor die bisherigen Methoden und Theorien zu reformiren begann: das Studium des Ptolemäus. Wir finden den Geographen von Alexandrien zuerst um 1410 in dem Werk des Cardinal Pierre d’Ailly (geb. 1350) Bischof von Cambray erwähnt. Es ist in dem vielgenannten Werke de Imagine Mundi, welches auch Columbus mit besonderer Vorliebe als seine Rüstkammer benutzte, um seinen Plan einer Westfahrt nach Indien mit Aussagen classischer Autoren belegen zu können. Seit 1470 wurden die Werke des Ptolemäus durch Nicolaus Donis in lateinischer Uebersetzung und mit Karten veröffentlicht, nachdem durch den Cardinal Bessarion das griechische Original in die Hände unseres größten Astronomen jener Zeit, des berühmten Regiomontan (1436–76), gelangt war.
Durch die Anwendung der Astronomie auf die Bestimmung geographischer Ortslagen, in den ersten Jahrhunderten allerdings nur der geographischen Breitenbestimmung, wurden für ein correctes Kartenbild die einzig sicheren Stützpunkte gewonnen. Regiomontan berechnete behufs dieser Fixirungen im Jahre 1473 die Ephemeriden auf 32 Jahre, so daß dieselben zunächst in der wichtigsten Zeit der Entdeckungen fast bis zum Todesjahr des Columbus genügten. Er erfand aber noch ein, auch auf Schiffen anwendbares, handliches Instrument, um die Polhöhe eines Sternes zu messen, den s. g. Jakobstab, welcher aus einem Stabe mit rechtwinklich daran befestigten, aber schiebbaren Querstabe bestand. Dieses Instrument wurde in der Folge durch seinen Schüler Martin Behaim in Portugal eingebürgert. Aber die Breitenmessungen der portugiesischen Seeleute ließen, gegenüber den Resultaten der Astronomen in Europa, noch viel zu wünschen, denn es steigerten sich die Beobachtungsfehler auf drei Grad. So lange man den nördlichen gestirnten Himmel über sich hatte, waren die Ephemeriden des Regiomontan stets anwendbar; aber als die portugiesischen Entdecker die äquatoriale Linie überschritten hatten und eine unerwartet andere Gruppirung der Sternbilder als auf der nördlichen Hemisphäre erblickten, war es nothwendig, andere astronomische Tafeln zu entwerfen. Zu dem Zwecke setzte König Johann IX. von Portugal (1481–95) eine astronomische Commission (Junta) nieder, welche unter Leitung des Bischofs Diogo Ortiz und mit Hinzuziehung Behaims diese Lücke ausfüllen sollte und die Sonnenhöhe für südliche Breiten zu berechnen und in Tafeln zusammenzustellen hatte.
Facsimile einer alten Abbildung des Jakobstabes und seiner Anwendung.[77]
Aus der 1584 zu Antwerpen gedruckten Cosmographia Petri Apiani et Gemmae Frisii.
Von solchen Hilfsmitteln unterstützt, konnte man die von den Schiffern befahrenen Küstensäume immer bestimmter zeichnen, daß sie ein der Wahrheit sich annäherndes Bild boten, während man für die noch nicht wieder erreichten Küsten Asiens vorläufig das von Ptolemäus überlieferte Gemälde Südasiens beibehielt und erst bei fortschreitender Erforschung behutsam abänderte. Die Karten jener Epoche bieten darum die interessante Verschmelzung neuer wissenschaftlicher Bestimmungen mit der Erbschaft aus classischer Zeit.
Indien trat immer entschiedener als Ziel aller nautischen Unternehmungen hervor und was in den letzten Jahren des Prinzen noch ziemlich unklar den Wünschen vorgeschwebt hatte, ward immer bestimmter ins Auge gefaßt.
Da die Erde als eine Kugel angesehen wurde, auf deren Oberfläche allerdings das Verhältniß zwischen der Größe der Wasserbedeckung und der der auftauchenden Landmassen noch verschieden beurtheilt wurde, und da jedenfalls das Weltmeer sich nach verschiedenen Richtungen ausdehnte und im Zusammenhange stand, so mußten auch allmählich Projecte auftauchen, über diesen einen Ocean nach verschiedenen Richtungen den Weg einzuschlagen, um Indien zu erreichen.
Am einfachsten erschien das portugiesische Project, den altherkömmlichen Randocean, der die Feste der alten Welt umflutete, als Fahrbahn zu wählen und so gleichsam, wie es die Sicherheit mittelalterlicher Schifffahrt vorschrieb, in einer großen Küstenfahrt um Afrika herum zu dem gesegneten Osten zu gelangen. Eine Seefahrt quer über ein weites unbegrenztes Weltmeer blieb hierbei außerhalb des Planes.
Da der wichtigste Abschnitt der Geschichte der großen Entdeckungen die Versuche umfaßt, welche die europäischen See-Nationen in directe Verbindung mit den Gewürzländern und China setzen sollten, so werden wir zur Erleichterung der Uebersicht die einzelnen Richtungen der Fahrten im Zusammenhange darstellen und beginnen mit den Unternehmungen der Portugiesen, welche zuerst auf dem Schauplatze erschienen waren, und zuerst nach Indien gelangten.
Drittes Buch.
Die Seewege nach Indien.
Erstes Capitel.
Die Bahn der Portugiesen nach Südosten.
1. Diogo Cão und seine Vorläufer.
Nach dem Hinscheiden des großen Prinzen, seines Oheims, nahm König Affonso V. in den ersten Jahren noch ein lebhaftes Interesse an den weitern Fahrten. Pedro de Cintra befuhr von Rio Grande aus die Küste im Jahre 1461 oder 1462, erreichte zuerst das Cap Verga (10° 12′ n. Br.) und benannte weiterhin ein kühn vorspringendes Vorgebirge, wie man es von solcher Höhe an der Küste bisher noch nicht angetroffen hatte, zu Ehren des Infanten und der Stätte seines Wirkens das Cap Sagres. Die schwarzen Strandbewohner zeigten in ihrem Ohren- und Nasenschmuck einen Reichthum an Goldringen, schienen aber kein Eisen zu besitzen.
Die Küste wurde felsig, hoch, bot aber geeignete Ankerplätze. Hier erhob sich ein Berg, in dessen Wolkengipfel beständige Gewitter zu zürnen schienen. Nach dem grollenden Donner erhielt derselbe den Namen Sierra Leona. Dahinter öffnete sich ein von Sandbänken erfüllter Golf, in welchem das Meer gewaltig brandete. Den jenseitigen Abschluß der Bucht bildete das Vorgebirge der heiligen Anna (Cabo de Sa. Anna), (7° 34′ n. Br.), am 26. Juli, als am Tage der Heiligen benannt. Dann folgte das Cap Mesurado[78] (6° 19′ n. Br.), wo die Bewohner das Nahen des Schiffes durch eine große Anzahl Feuer signalisirten, in ähnlicher Weise, wie es in dieser Gegend fast 2000 Jahre früher der carthaginiensische Admiral Hanno mochte gesehen haben.
Wenige Meilen jenseit dieses Küstenvorsprungs, in der Nähe des heutigen Monrovia endigte die Fahrt. In der Folgezeit wurde der König von den Seeunternehmungen abgezogen durch die politischen Angelegenheiten des Heimatlandes und dadurch, daß er sich in den castilischen Erbschaftsstreit mischte. Indessen wurde, um den immer schwunghafter betriebenen Handel mit Sklaven und Gold zu decken, in Arguim ein Castell gebaut und das Handelsmonopol einem Portugiesen für den jährlichen Preis von 250 Ducaten (100,000 Realen) verliehen. Im Jahre 1469 wurde auch das Monopol des Handels an der Guineaküste für die doppelte Summe jährlich an Fernão Gomez vergeben, und zwar auf fünf Jahre; doch mußte derselbe sich auch noch verpflichten, auf seine Kosten die Fahrten fortzusetzen zu weiteren Entdeckungen, und von der Sierra Leona an gerechnet,