Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen. Sophus Ruge. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sophus Ruge
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 4064066112073
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nebelartige Dunstbläschen sich bilden, die durch die daran haftenden feinsten Staubtheilchen den Horizont noch mehr umschleiern, trotz der Abwesenheit von schweren Wolkenschichten das Himmelsgewölbe niederzudrücken scheinen und mit eigenthümlich mattem Licht den Schiffer umgeben.

      Theobald Fischer[69] macht noch auf einen bisher übersehenen Factor aufmerksam, daß nämlich höchst wahrscheinlich ein kalter, unterseeischer Strom an der Westküste der hesperischen Halbinsel und Afrikas emporsteige, dem die häufigen Nebel von Galicien bis Marokko zu danken seien. Gerhardt Rohlfs fand in Agadir, daß die Sonne den Nebel selten vor Mittag besiegte und erfuhr von den Leuten, daß diese starken Nebel selbst im hohen Sommer bis zur Mittagszeit andauerten.

      Die Schrecken eines „Dunkelmeeres“, von dem die Geographie des Mittelalters manches Unheimliche zu erzählen weiß, finden in diesen Erscheinungen ihre Erklärung. Diese dichten Nebel treten namentlich im Winter auf und sind von einem kalten und trocknen Nordost begleitet, der wohl auch die Ursache ist, daß das Tageslicht einer Dämmerung weicht, in welcher noch jetzt Schiffe in der Nähe der Küsten gezwungen sind, vor Anker zu gehen, bis das Wetter sich wieder aufhellt.

      In der That, der Ocean schien der jugendlich aufstrebenden, portugiesischen Flotte einen zäheren Widerstand entgegenzusetzen als die Heere der Moriscos, und wohl gar vielen ein unüberwindlicher Gegner zu sein, nur nicht dem Infanten, der ihm mit einer Zähigkeit und Ausdauer entgegentrat, welche allen seinen Seeleuten bedenklich, wenn nicht geradezu tollkühn und wahnwitzig vorkam. Zwanzig Jahre hatte der Prinz, unbekümmert um das Murren seines Volkes, ohne Resultat des Vorwärtsdringens gerungen. Er mag wohl oft unter seinen Leuten die sprichwörtliche Warnung vernommen haben: Wer das Cabo de Nao umfährt, weiß nicht, ob er je wiederkehrt. „Die Furcht,“ sagt de Barros, „vor dieser Fahrt war so groß, daß es dem Infanten schwer ward, Leute in seinen Dienst zu bekommen; zumal da das Volk laut murrte, daß er dem vaterländischen Boden seine Bewohner entzöge, um sie auf den Meeren oder in entfernten wüsten Ländern umkommen zu lassen.“

      Unter diesen entfernten wüsten Ländern faßte man aber nichts geringeres zusammen als die ganze heiße Zone. Man weiß, daß das gesammte Mittelalter in seiner wissenschaftlichen Erkenntniß der Erdoberfläche lediglich sich noch von den Brosamen nährte, die von dem Tische der Reichen — der Griechen und Römer des Alterthums — gefallen waren. Seit den Zeiten des letzten großen Geographen von Alexandria bis zum Prinzen Heinrich waren mehr als tausend Jahre verflossen, ohne daß die Entwicklung der physischen Geographie einen Schritt vorwärts gethan hätte. Der Autoritätsglaube, so charakteristisch für das gesammte Mittelalter, hielt auch noch die Zeitgenossen des Infanten in beklemmende Schranken gebannt.

      Die Alten kannten die südlichen Grenzen der großen afrikanischen Wüste nicht, ihre Kunde reichte kaum über die nördliche Oasenreihe hinaus. Aber die zunehmende Verödung gegen Süden, das völlige Absterben aller Vegetation konnte die theoretisch allzeit schlagfertigen griechischen Philosophen leicht zu der Behauptung hinreißen, die ganze heiße Zone sei unbewohnbar. Schon Aristoteles hatte diesen Satz aufgestellt und wenn man weiß, daß Aristoteles sich im späten Mittelalter fast gleichen Ansehens mit der Bibel erfreute, dann darf man nicht erstaunen, daß auch das 14. Jahrhundert noch glaubte, was der große Weltweise von Stagira gesagt, was der letzte Meister der Erdkunde, Ptolemäus bestätigt, was die Wiedererwecker des Aristoteles, die arabischen Gelehrten anerkannt und selbst ein so vielseitig gebildeter Mann wie Albertus Magnus noch im 13. Jahrhundert nur dahin zu modificiren wagte, daß möglicherweise an den Küsten und Inseln der heißen Zone organisches Leben eine kümmerliche Existenz erzielen könne.

      Wenn nun der Infant seine Schiffe in diese unwirthlichen Regionen hinausschickte, wo sie allein auf sich angewiesen im Kampfe gegen die allmächtigen Naturgewalten, wo Land und Luft und Wasser in der feindlichsten Gestalt erschien, als todtenstarre Wüste, als trübverhüllter Luftraum, als zähe unter dem senkrechten Sonnenstande fast zu Leim verdickte See — war es unter der Herrschaft solcher Vorstellungen nicht Menschenpflicht und Nächstenliebe, gegen die nutzlosen Menschenopfer einer unbegreiflichen Fürstenlaune sich zu erheben?

      Und doch blieb der Infant fest, doch blieb er seinem schönen Wahlspruche: talent de bien faire getreu. Die wichtigsten Expeditionen der ersten Decennien waren folgende: 1416 wurde Gonzalo Velho über die Canarien hinausgesandt, 1419 geriethen João Gonçalves Zarca und Tristão Vaz Teyxeyra vom Sturm verschlagen nach Porto Santo und kehrten im nächsten Jahre mit dem Piloten Juan de Morales nach Madeira zurück, und 1431 wurden durch Goncalo Velho Cabral die ersten Inseln der Açorengruppe gefunden.

      Dabei stand der Infant mit seinen Plänen und Zielen weit über seinen Gehilfen. Wir finden unter den Leitern der Expeditionen Leibpagen und Mundschenken des Prinzen, welche also wohl die Intentionen des Prinzen kennen mußten; aber sie kannten kein höheres Ziel als sich mit Mauren und Negern herumzubalgen und Menschen zu stehlen. Man kann von jeder Fahrt fast die Kopfzahl der Menschenbeute nachweisen, allein die wissenschaftlichen Erfolge ihrer Sendung, die nautischen Resultate bleiben vielfach unerwähnt. Die Portugiesen waren zu sehr ritterliche Raufbolde, als daß sich im Fluge Seeleute, geschweige denn gleich Seehelden aus ihnen gestaltet hätten.

      Als Beispiel ihres Verfahrens und Gebahrens sei hier die mit 14 Schiffen ausgerüstete Expedition des Lanzarote erwähnt, der, als die durch Sturm verstreuten Fahrzeuge bei einer Insel an der Küste sich wieder zusammengefunden hatten, vor allem darauf bedacht war, die auf der Insel lebenden Mauren zu fangen. Allein diese waren bei Nachtzeit aufs Festland entwichen und höhnten von hier aus die hintergangenen Portugiesen. Zwei junge Edelleute an Bord des einen Schiffes sprangen, empört über das Hohngeschrei, mit ihren Waffen über Bord und schwammen ans Land, um die Mauren zu züchtigen. Wie diese sie kommen sahen, liefen sie ihnen mit Geschrei entgegen, wodurch auch das übrige Schiffsvolk in Bewegung kam. Alles, was schwimmen konnte, sprang ins Wasser, um die beiden Jünglinge zu unterstützen, und es kam am Ufer zu einem Gefechte, in welchem viele Mauren getödtet und 57 gefangen wurden. In der Nacht griffen die Portugiesen noch ein Dorf an, welches 7 Meilen davon am Ufer lag und wohin, nach der Aussage der Gefangenen, die Mauren geflohen waren. Sie fanden aber ein leeres Nest, weil die Bewohner, gewarnt durch die Flüchtlinge, sich mit ihren Herden vom Ufer entfernt hatten. Wie sie des Morgens zurückkehrten, wurden jedoch noch ihrer fünf aufgegriffen.

      Und bei solchem Raubsystem waren die Portugiesen noch naiv genug, zum Zeichen ihrer Heldenthaten, den Wahlspruch ihres Herrn: talent de bien faire in die Bäume einzuschneiden.

      Zwar kommen nicht alle diese Heldenthaten auf Rechnung jener Geschwader, die der Prinz selbst aussendet, denn er gestattete gegen eine Abgabe vom Gewinn auch anderen, auf Entdeckungen und Abenteuer auszuziehen; ja er ermuthigte dazu. Allein er blieb doch der Mittelpunkt und oberste Leiter. Daß er aber, wie wohl behauptet ist, gleich anfangs einen Seeweg nach Indien habe suchen wollen, ist nirgends gesagt; ein solcher Plan, gleichsam die schönste Frucht aller Arbeiten Dom Enrique’s, entwickelte sich erst allmählich und reifte erst nach des Seefahrers Tode.

      Den ersten namhaften Fortschritt in den afrikanischen Fahrten verzeichnet das Jahr 1434. Gil Eannes, ein Page des Infanten, hatte gegen den Befehl seines Herrn Menschen geraubt. Um die Gunst des Fürsten wieder zu gewinnen, setzte er sein Leben daran, das berüchtigte Cap Bojador, das selbst nach 12jähriger Anstrengung nicht zu überwinden gewesen war, zu bezwingen. Das, wie man meinte, unmögliche Wagniß gelang ohne Unfall, und kühner und sicherer gemacht, erreichte sein Nachfolger Affonso Gonçalez Baldaya den Goldfluß, Rio d’Ouro und damit den nördlichen Wendekreis, also die Grenze der heißen Zone. Am Strande gefundene Fischernetze wiesen darauf hin, daß auch hier das Land noch Menschen beherberge. Die alte Theorie von der Unbewohnbarkeit der heißen Zone begann zu wanken, ohne jedoch zusammenzubrechen, denn man befand sich ja erst am Saume des gefürchteten Erdstriches.

      Aber am Cap Bojador war das Thor der heißen Zone geöffnet und Schiff folgte nun auf Schiff; man erreichte unter Nuño Tristão 1441 das Cap Branco und zwei Jahre später unter Leitung desselben Capitäns die Bucht von Arguim. Es ist zu beklagen, daß der Prinz anfänglich den Befehl ertheilt hatte, die Bevölkerung an der Bucht und auf den kleinen Inseln erst zu tödten oder gefangen zu nehmen, ehe man die Entdeckungen fortsetze. Er sah auch bald den großen Fehler, den er damit begangen ein, und verbesserte ihn, ehe es