Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen. Sophus Ruge. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sophus Ruge
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 4064066112073
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zu können. Fernandez blieb sieben Monate allein unter den wilden Stämmen im Innern und wurde dann von dem Schiffe des Antonio Gonsalvez wieder aufgenommen und zum Prinzen geführt. Dieser freute sich sehr, ihn wohlauf wieder zu sehen und ließ sich seine Schicksale erzählen. Fernandez berichtete nun, daß ihm die Eingeborenen zunächst, als er sich ohne Waffen und Hilfsmittel unter sie begeben, die Kleider genommen und ihm dafür einen Mantel gegeben, wie sie selbst trugen. Die Leute besaßen Schafe und lebten nomadisch. Aber die Weide war spärlich, das Land öde und sandig. Dornige Mimosen und Palmen waren selten. Diese berberischen Azanaghen waren Mohammedaner, die mit den Negern im Kampfe lebten, dabei Gefangene machten und diese als Sklaven nach Tunis und Marokko verkauften. Auch erhielten sie Gold vom Negerlande.

      Dann machte Fernandez mit den Beduinen einen mehrtägigen Kamelritt zu ihrem Häuptlinge. Der Weg ging durch die Wüste, drei Tage fehlte ihnen Wasser; in dem pfadlosen Sande richtete man sich nach den Sternen und dem Fluge der Vögel. Endlich kamen sie zu dem Häuptling und seinem Völkchen von 150 Köpfen. Fernandez wurde hier sehr gut aufgenommen und mit Milch verpflegt, so daß er, obwohl er von der Hitze und dem Wüstensande viel zu leiden hatte, doch ganz wohl aussah, als er nach sieben Monaten von seinen Landsleuten wieder aufgefunden wurde.

      Auch durch diesen abenteuerlichen Sendling erhielt der Infant wiederum Nachrichten von den reichen Negerländern. Die klareren Vorstellungen, welche der Leiter der Entdeckungen von der Natur der Tropenländer gewann, räumte auch bei seinen Seeleuten den Wust veralteter Theorien auf. Höchst beachtenswerth ist in dieser Beziehung eine Bemerkung des Diogo Gomez über das Land der Dscholoffen am Cabo verde. Er sagt: „Das alles schreibe ich nur mit Verlaub Seiner Gnaden des Ptolemäus, welcher recht gute Sachen über die Eintheilung der Welt hat verlauten lassen, aber in einem Stücke sehr fehlerhaft dachte. Er zerlegt die ihm bekannte Welt in drei Theile, nämlich in den bewohnten mittleren, in den arktischen, welcher wegen seiner Kälte und in den tropischen, welcher wegen seiner Gluthhitze unbewohnbar ist. Nun hat sich aber das Gegentheil bestätigt. Zahllos wohnen am Aequator schwarze Völkerschaften, und zu unglaublichem Wuchse erheben sich die Bäume, denn gerade im Süden steigert sich die Kraft und Fülle des Pflanzenwuchses, wenn auch die Formen fremdartig gestaltet sind.“[74]

      Die Entdeckungen wurden nach solchen glänzenden Resultaten nun eifrig weiter gefördert. Schon im nächsten Jahre nach der Fahrt des Diniz Dias erreichte Nuño Tristão den Gambia und gelangte Alvaro Fernandez fast bis zur Sierra Leona. Aber der Verkehr mit den Völkern war schwierig. Zahlreicher, kühner, tapferer als die armen Wüstenstämme setzten sie, mit vergifteten Pfeilen bewaffnet, sich gegen die Landungen der Portugiesen häufig zur Wehr und tödteten ihnen manchen Mann. Wie schnell aber die Geschicklichkeit und das Vertrauen der Seeleute gewachsen war, lernen wir vor allem bei der Fahrt des Nuño Tristão kennen. Dieser sah sich, als er in den kleinen Fluß Rio Nuñez, südlich vom Rio grande mit einem Boote eingedrungen war, plötzlich von bewaffneten Negerkähnen umringt. Fast die ganze Mannschaft erlag sammt dem tapferen Anführer den vergifteten Pfeilen, so daß nur der Notar und vier Schiffsjungen am Bord der Caravele übrig blieben. Aber sie steuerten getrost nach Norden durchs freie Meer und erreichten ihre Heimat glücklich nach zwei Monaten, ohne unterwegs Land gesehen zu haben. So machte man sich also bereits los von dem ängstlichen Anklammern an das Land und von den langsameren Küstenfahrten und vertraute sich dem unbegrenzten Ocean an. Von großer Bedeutung war auch die Wahrnehmung, daß die afrikanische Küste, die bis zum Cabo verde gegen Südwesten verlaufen war, von diesem Vorgebirge ab nach Südosten umlenkte.

      Daß der Prinz nun wirklich daran dachte, den Seeweg nach Indien zu öffnen, wird von dem Geschichtsschreiber Azurara bezeugt. Aber Indien umfaßte bekanntlich in jenen Tagen alle Länder am indischen Ocean, also auch die Ostküste Afrikas und das äthiopische Hochland, wohin man damals den Sitz des Priesterkönigs Johann verlegte. Das war bestimmt ein christliches Land, dessen Volk mit den Arabern in Aegypten in beständiger Fehde lag, und dessen Bundesgenossenschaft gegen den gemeinsamen Glaubensfeind gewonnen werden konnte. Vielleicht konnte man sogar auf dem weitverzweigten Flußnetz, welches nach den damaligen hydrographischen Hypothesen alle bekannten großen afrikanischen Ströme verbinden sollte, dahin gelangen. Auch Fra Mauro huldigte in seinem Erdgemälde diesen Vorstellungen und noch de Barros bezeichnet den Issa (Niger) bei Timbuktu als den oberen Lauf des Senegal. Und doch hatte Diogo Gomez im Jahre 1457 auch in Erfahrung gebracht, daß im Innern Senegambiens große Ströme ihren Lauf nach Osten nähmen. Der Prinz hatte nämlich drei Caravelen ausgesandt unter Gomez, João Gonsalvez Ribeiro und Nuño Fernandez de Baya mit dem Auftrage, soweit als möglich vorzudringen. Am Rio grande vorbei kamen sie in eine starke Küstenströmung, in welcher kein Anker hielt, so daß die begleitenden Capitäne umzukehren wünschten. Die Expedition lief in den Gambia ein und fuhr den Strom bis zur großen Stadt Cantor hinauf. Hier erfuhr man, daß Karawanen aus Tunis und Cairo aus diesen Gegenden Gold holten, und daß jenseits der Gebirge der Sierra Leona große Ströme nach Osten liefen. Es befand sich auf dem einen Schiffe sogar ein Indier, d. h. ein Abessinier, welcher, wenn man nach Indien gelangte, als Dolmetscher dienen sollte.

      Es war die letzte bedeutende Fahrt, welche auf Befehl des Infanten unternommen war. Prinz Heinrich der Seefahrer starb am 13. November 1460 in Sagres in seinem 67. Lebensjahre. In der eifrigen Verfolgung seines hohen Zieles hatte er seine Mittel vollständig erschöpft, ja er schuldete bereits 1449 seinem Verwandten Don Fernando von Braganza die enorme Summe von 19,394 Goldkronen. Aber diese Gelder waren nicht in der Jagd nach einem Phantom vergeudet. Portugal war dadurch zu einer Seemacht geworden, welche die Leitung der nautischen Entdeckungen in die Hand genommen hatte und welche zu glänzenden Erfolgen berechtigen mußte.

      Noch im Todesjahre Heinrichs entdeckte Diogo Gomez die Capverden in Gemeinschaft mit Antonio de Noli oder Nolle, einem Genuesen. Gomez landete zuerst und zwar auf Santiago, aber Noli kam ihm auf der Rückfahrt zuvor und meldete zuerst die Entdeckung in Portugal. Irrthümlich hat man das Verdienst der Auffindung der Inseln des grünen Vorgebirges da Mosto zugeschrieben; allein sein Reisebericht, der angeblich in das Jahr 1457 fällt, wird durch die innern Widersprüche unglaubhaft, so daß man daraus schließen muß, da Mosto habe sich fremden Ruhm angeeignet. Nach seiner Angabe will er vom Cap Branco in westnordwestlicher Richtung auf die Capverden gerathen sein und zwar schon am Sanct Jakobstage (1. Mai), während er erst im Anfang Mai aussegelte. Dann will er auf der Insel Flüsse gefunden haben, in welche er mit dem Schiffe einlaufen konnte, während ein solcher Wasserreichthum dort nicht existirt.[75]

      Ehe wir dem weiteren Gange der Entdeckungsfahrten folgen, müssen wir einen Blick auf die geographischen Auffassungen und die Karten aus jener Zeit werfen. Nach den Schwankungen des früheren Mittelalters war man seit dem 13. Jahrhundert allgemein zur Annahme der Kugelgestalt der Erde zurückgekehrt. Wenn trotzdem die Erdgemälde sich noch in Scheibenform präsentirten, als ob man noch an der Scheibengestalt der Erde festhielte, so hatte das seinen Grund in einer eigenthümlichen Theorie, welche von Dante’s Zeit bis in den Ausgang des 15. Jahrhunderts hinüberspielt. Man nahm nämlich an, daß die Centren der festen und flüssigen Erdsphäre verschieden seien und daß es außerdem noch ein Gravitationscentrum gebe.

      Die Margarita philosophica des Karthäuserpriors Gregorius Reisch, welche zuerst 1496 erschien und durch das 16. Jahrhundert hindurch in vielen Auflagen verbreitet war, trägt diese Lehre etwa in folgender Weise vor.[76] „Das Wasser umgab ursprünglich die ganze Erdoberfläche wie ein sehr feiner Nebel bis zu den höheren Regionen. Aber auf Geheiß des Schöpfers theilte das Firmament die oberen und unteren Wasser, welche letztere nun in den Vertiefungen der Erde sich an einem Orte sammelten, wodurch Landraum geschaffen wurde für die lebenden Wesen. Aus der ganzen Substanz der Erde und des Wassers wurde ein sphärischer Körper gebildet. Ihm schrieben die Gelehrten ein doppeltes Centrum der Schwere und der Größe zu. Es theilt nämlich das Centrum der Größe die Axe der ganzen Sphäre aus Erde und Wasser und das ist der Mittelpunkt der Welt. Aber das Centrum der Schwere liegt außerhalb, nämlich im Durchmesser der Erde, welcher nothwendigerweise größer ist als der halbe Durchmesser der aus Erde und Wasser gebildeten Sphäre, weil, wenn dies nicht der Fall wäre, der Mittelpunkt der Welt außerhalb der Erde fiele. Etwas abgeschmackteres als dieses könnte aber in Naturwissenschaft und Astronomie nicht behauptet werden.

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