Vasco da Gama hatte mehrere Verbrecher an Bord, die ihm mitgegeben waren, um an gefährlichen Stellen ans Land geschickt zu werden. In der Ausführung eines lebensgefährlichen Auftrages bestand die eigenthümliche Art der Begnadigung. João Machado, so hieß der zu dieser Mission ausersehene Sträfling, wurde ans Land gesetzt, um dem Scheich die Botschaft zu übermitteln, daß, da man an seiner Ehrlichkeit zweifele, der weitere Verkehr mit ihm abgebrochen werde. Machado richtete seinen Auftrag aus und gelangte später unter allerlei Abenteuern über Kiloa und Mombas nach Indien. Gama aber hielt noch an einer unbewohnten Insel vor Mosambik an und ließ zu Ehren des heil. Georg den Wappenstein San Jorge setzen. Dann stach er wieder in See. Davané war an Bord geblieben und begann bereits etwas Portugiesisch zu lernen, so daß man sich mehr und mehr verständigen und manche werthvolle Mittheilungen über den Seehandel durch ihn gewinnen konnte.
Der streng bewachte, aber treulose Lotse brachte bald darauf die Schiffe zwischen die Untiefen einer Inselgruppe und wurde, als man seine Verrätherei erkannte, dafür durchgepeitscht. Die Inseln erhielten aber zum Andenken daran den Namen Ilhas do Azoutado, d. h. die Inseln des Durchgepeitschten. An der Küste entlang ging die Fahrt nun weiter auf Kiloa, welches als ein vielbesuchter Handelshafen galt, wohin sogar christliche Armenier gelangen sollten. Aber widrige Winde trieben die Schiffe ab. Das Schiff S. Rafael unter dem Commando des Vasco da Gama gerieth sogar auf eine Sandbank, wurde aber glücklich wieder losgebracht. So kamen sie in der letzten Woche des April[86] nach Mombas. Wieder erschien ein Fahrzeug der Einwohner, um sich nach den Zielen der Fremdlinge zu erkundigen. Gama erklärte, er komme, auf dem Wege nach Indien, sich in dem Hafen mit einigen Bedürfnissen zu versehen. Der Scheich, auch hier anfangs freundlich, mußte bald den falschen Einflüsterungen nachgegeben und schon von Mosambik Nachrichten erhalten haben, daß die Fremden Seeräuber seien und den Handel nur zum Vorwand nähmen. Als Gama in den Hafen einlaufen wollte, kamen viele kleine Schiffe heran, wie um die portugiesischen Fahrzeuge mit festlicher Musik an die Stadt zu geleiten. Aber man ließ höchstens 10 bis 12 Personen an Bord eines jeden Schiffes kommen. Vielleicht war es dabei auf eine Ueberrumpelung oder eine Verrätherei abgesehen, denn als das eine Schiff, rückwärts treibend, auf den Grund gerieth, da es dem Steuer nicht folgte, so gab der Capitän rasch Befehle, Anker auszuwerfen. Die dadurch hervorgerufene Unruhe machte die Araber auf den andern beiden Schiffen besorgt; sie fürchteten vielleicht, ihr Anschlag sei verrathen und sprangen eiligst wieder in ihre Schiffe. In einer hellen Mondnacht wurde der Hafen von Mombas verlassen und die Fahrt mit großer Vorsicht, weil man dem Lotsen nicht traute, fortgesetzt. Bald stießen sie auf zwei Sambuken, welche nach Mombas steuerten. Eine derselben wurde genöthigt, ihnen den Weg nach Melinde zu zeigen, wobei man die arabische Mannschaft auf die Schiffe vertheilte. Nach einer günstigen Fahrt von drei Nächten und zwei Tagen langten sie in den letzten Tagen des Monats April dort an und fanden hier endlich eine wohlgemeinte freundliche Aufnahme. Aber der Einladung des Fürsten, in dem Hafen anzulegen, folgte Gama, durch die Vorkommnisse in Mosambik und Mombas mißtrauisch gemacht, nicht sogleich, sondern schickte zunächst den Capitän Coelho und in seiner Begleitung den Davané ans Land. Am Ufer hatten sich so viele Menschen versammelt, daß die Beamten nur vermittelst ihrer Stöcke für die fremden Sendlinge Bahn schaffen konnten. Der Fürst ließ Coelho neben sich auf einem Stuhle niedersitzen, erkundigte sich vor allem nach europäischen Verhältnissen und ließ sich vom großen König Emanuel erzählen. Gegen Sonnenuntergang nahm der portugiesische Capitän Abschied und wurde, vom Herrscher von Melinde mit weißen und bunten Seidenkleidern und einem kostbaren Ringe beschenkt, an den Strand zurückgeleitet. Die von Gama auf einem Sambuk gewünschte Zusammenkunft fand in den nächsten Tagen statt. Der ganze Strand, die weißen Häuser und die Mauern der Stadt waren mit Schaulustigen dicht besetzt, als die beiden Flottenführer, Vasco und sein Bruder Paulo da Gama, im vollsten Schmucke, unter dem Donner der Salutschüsse in ihren beflaggten Böten von den Schiffen abstießen und sich dem Audienzschiffe näherten. Bei der herrschenden Rivalität zwischen Melinde und den anderen bereits besuchten Häfen war die Aufnahme eine sehr günstige. Dem arabischen Herrscher wurden ein kostbares Schwert, eine Lanze und ein Schild verehrt und beide Theile schieden in Freundschaft. Gama bat, die Piloten und übrigen Insassen des zur Mitfahrt gezwungenen Bootes sicher wieder in ihre Heimat befördern zu wollen, was auch zugesagt wurde. Die Portugiesen erhielten Lebensmittel und Wasser und konnten sich am Lande erholen, denn sie hatten an der ungesunden Ostküste Afrikas viel durch Krankheiten zu leiden gehabt und manchen Mann am Scharbock verloren.
Später besuchte Gama den Scheich in seinem Schlosse und wurde von diesem am Thor empfangen. Im Verlaufe des Gespräches erklärte der Araber, daß der Gewürzhandel in Kalikut seinen Hauptstapel habe und daß er dem Geschwader einen zuverlässigen Piloten dahin mitgeben werde. Auch rieth er den Portugiesen, die gewünschten Waaren nicht zu hoch zu bezahlen, um dadurch nicht den Markt zu verderben.
Davané erbot sich bis Indien mitzugehen. Vor dem Abschiede stattete der Fürst den Schiffen noch einen Besuch ab. Auf einer besonders angelegten Treppe leitete man ihn an Bord, wo eine festliche Tafel hergerichtet war. Dann ließ Gama mit Bewilligung des Herrschers einen marmornen Wappenpfeiler in Melinde setzen, segelte, von tüchtigen Lotsen geführt, am 24. April von der afrikanischen Küste ab und erreichte unter günstigem SW. Monsun in 22 Tagen die Gestade Indiens. Die Berge von Kananor traten hervor, die Häuser der Stadt zeigten sich bei dem Vorübersegeln. Fischerböte nahten sich und waren über die seltsam gebauten Schiffe und die weißen Menschen darin sehr verwundert. Am 20. Mai langte das Geschwader endlich im Hafen von Kalikut an.
Indien zerfiel damals in eine große Anzahl selbständiger Reiche, Barros nennt darunter die Königreiche von Multan, Delhi, Cospetir, Bengalen, Orissa, Mando, Tschitor, Guzarat oder Cambaya, Dekhan, Bisnaga und viele andere kleinere. Am Westfuße der Ghats erstreckte sich vom Flusse Karnat, nahe beim Vorgebirge Komorin bis zu der weit übers Meer sichtbaren Landmarke des Berges d’Ely (de Ly) oder Delly unter 12° n. Br., das Reich und die Landschaft Malabar mit der Hauptstadt Kalikut. Sechs bis zehn Leguas breit und 80 Leguas lang breitete sich dieser Landstrich aus, über welchen ein Kaiser die Oberherrschaft besaß. Der Titel dieses Oberherrn war eigentlich Samudrin, d. h. Herr der See, die Portugiesen nannten ihn Samorin. Zahlreiche Lehnsfürsten standen nominell unter ihm, wußten sich aber mehrfach seinem maßgebenden Einflusse zu entziehen oder fügten sich, wie die Fürsten von Kotschin und Kollam, nur widerstrebend. Das Uebergewicht