»Du vermisst ihn noch immer sehr, nicht wahr?«
»Klar, und das wird niemals aufhören, Martin war die große Liebe meines Lebens, ist der Vater meiner Kinder.«
»Und du bist dir sicher, dass du Christian wirklich willst, wenn er aus Malawi zurück ist.«
Erstaunt blickte Linde ihre Freundin an.
»Aber ja, ich will ihn. Wieso fragst du?«
Bettina druckste herum. »Nun, wegen deiner Gefühle für Martin.«
Lachend hakte Linde sich bei Bettina ein.
»Die sind ganz anders als die für Christian, weil es auch ganz unterschiedliche Männer sind. Christian kann damit umgehen, dass ich kein unbeschriebenes Blatt bin, und er wird auch die eine oder andere Macke haben, die erst so allmählich ans Tageslicht kommen wird. Martin und ich kannten uns unser ganzes Leben lang, da konnte es keine böse Überraschung geben …, und im Übrigen hat die Schauspielerin Brigitte Bardot was Tolles gesagt – der ideale Ehemann ist nur ein unbestätigtes Gerücht, und die muss es wissen, schließlich hat sie mehrere Männer verschlissen.«
Bettina wollte gerade eine Antwort geben, als sie durch die Auslage eines Schaufensters abgelenkt wurde. Sie zerrte Linde, die gar nicht wusste, was auf einmal los war, vor das Fenster.
»So was habe ich schon immer gesucht«, sagte Bettina.
»Was?«
»Na, so was wie diesen Mantel, komm mit in den Laden, wenn der in meiner Größe da ist, dann kaufe ich ihn.«
»Der ist doch schon für den Herbst, und wir haben noch nicht einmal richtig Sommer, außerdem, ich finde ihn spießig.«
»Er ist nicht spießig, sondern klassisch, und ein Burberry kommt niemals aus der Mode, ich habe einen, der ist bestimmt schon zehn Jahre alt.«
»Und jetzt brauchst du einen für die nächsten zehn Jahre?«, neckte Linde ihre Freundin.
»Der, den ich habe, ist klassischer, aber was sollen wir jetzt diskutieren, vielleicht steht er mir nicht, sondern sieht nur an der Schaufensterpuppe gut aus.«
Eine freundliche Verkäuferin kam auf sie zu, der Bettina ihren Wunsch vortrug.
»Ja, es ist das Neueste von Burberry, die Ware ist gerade erst hereingekommen und wird uns, trotz der sommerlichen Temperaturen, so richtig aus der Hand gerissen.«
Linde verdrehte die Augen und ließ sich auf einen der grazilen Sessel fallen, die so aussahen, als könnten sie einen schwergewichtigen Menschen nicht tragen. Dass Verkäuferinnen immer einen solchen Stuss erzählen mussten, aus den Händen gerissen, dafür war der Laden aber proppevoll, nirgendwo war eine Lücke zu sehen, und außer ihnen war kein Kunde da.
Ehe die Verkäuferin den Mantel holen ging, blieb sie vor Bettina und Linde stehen.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, vielleicht ein Gläschen Champagner?«
Champagner, damit die Kauflaune stieg?
»Nein, danke, für mich nicht«, sagte Linde, und auch Bettina lehnte ab.
Die Verkäuferin war irritiert,
vermutlich ließen die anderen Kundinnen sich Champagner servieren, um dann mit ihren aufgepolsterten Lippen daran zu nippen. Aber vielleicht zogen diese Frauen, die Linde jetzt in den Sinn kamen, Burburry-Mäntel nicht an. Die waren ja nichts Neues, nichts Aufregendes, nichts Hippes.
In wenigen Minuten war die Frau wieder da, reichte Bettina den Mantel so an, dass diese sofort hineinschlüpfen konnte. Er passte perfekt.
»Wie für Sie gemacht«, rief die Verkäuferin entzückt, und auch Linde musste neidlos eingestehen: »Du siehst wirklich klasse darin aus, hätte ich nicht gedacht, und an dir wirkt das Teil auch überhaupt nicht spießig … Du solltest den Mantel wirklich kaufen, wenngleich es natürlich irre ist, sich jetzt schon was für den Herbst zu kaufen.«
Bettina trat an den großen Spiegel heran, betrachtete sich von allen Seiten.
Ja, sie gefiel sich.
Der camelfarbene Mantel war antailliert, doppelreihig mit sechs schönen Knöpfen und hatte einen verknöpften Stehkragen, innen hatte er das typische Burberry-Futter.
Sie zögerte nicht lange.
Normalerweise gab sie nicht so viel Geld für einen Mantel aus, aber sie würde ihn, das stand fest, wieder Jahre tragen, und von daher lohnte sich die Investition.
»Ich nehme den Mantel«, sagte Bettina, zog ihn aus und reichte ihn der Verkäuferin, die damit beglückt zur Kasse zog. Ihr Bonblock würde auf jeden Fall heute nicht leer sein.
»Ich will jetzt auch was haben«, maulte Linde. »Lass uns gleich mal auf die andere Straßenseite gehen, dort habe ich einen Laden entdeckt, der so ähnliche Sachen hat wie damals diese Boutique … wie hieß sie noch …«
»Gipsy«, half Bettina ihr weiter. »Also, wenn dort annähernd so hübsche Sachen sind, da schlage ich auch noch mal zu, ich bin heute in Kauflaune, wenn mein Jan wieder zurückkommt, möchte ich für ihn traumschön sein.«
»Du sagst doch immer, dass man es für sich selbst tun muss«, erinnerte Linde sie.
Bettina winkte ab.
»Muss man in erster Linie auch, aber was spricht dagegen, wenn man es auch für den Mann seiner Träume tun will?«
Linde hatte einen Satz auf den Lippen, den sie vorsichtshalber lieber nicht aussprach, denn dann würde sie unweigerlich Ärger mit Bettina bekommen. Sie hätte ihr nämlich gesagt, dass Jan van Dahlen nicht der Mann ihrer Träume war, sondern dass Thomas Sibelius es gewesen war. Jan war nur die zweite Wahl, und das würde er für Linde auch immer bleiben. Sie mochte den wortgewandten Journalisten, sehr sogar, aber Thomas …, der war doch ein ganz anderes Kaliber gewesen. Aber vielleicht war sie auch ungerecht. Thomas war ein Relikt aus einer unbeschwerten Jugendzeit, und so was verklärte man immer.
Sie waren zwischen den Edelkarossen hindurch auf die andere Straßenseite gelangt, und Linde hatte recht gehabt, es waren hübsche Sachen dekoriert, deren Preise akzeptabel waren, aber denen auch das gewisse
Etwas fehlte, wie es früher bei ›Gipsy‹ gewesen war. Der Laden hatte sich ja leider nicht halten können, weil die Kundinnen in Bad Helmbach ganz einfach etwas anderes bevorzugten, Edelmarken eben wie Versace, Armani und wie sie alle hießen. Und das normale Volk fuhr halt nach Steinfeld zum Einkauf, weil dort die Preise moderater waren.
Auch diesem Geschäft gaben die Freundinnen nicht lange, was für die Besitzerin traurig war, denn sie hatte nicht nur Geld investiert, all ihre Träume würden auch zerplatzen wie Seifenblasen.
Bettina fand nichts, was ihr auf Anhieb gefiel, und auch Linde bewegte die Kleiderbügel ziemlich lustlos hin und her. Sie waren eben beide keine Frauen, die um des Kaufens willen Klamotten erstanden. Sie bedankten sich bei der enttäuscht dreinblickenden Verkäuferin und verließen den kleinen Laden.
»So, jetzt in den Kinderladen«, sagte Linde, »dort weiß ich, dass ich auf jeden Fall etwas finden werde.«
»Das weiß ich auch«, lachte Bettina.
Linde blieb für einen Moment stehen.
»Du musst dich nicht verpflichtet fühlen, für Amalia und Frederic auch etwas kaufen zu müssen. Du verwöhnst sie ohnehin viel zu sehr.«
»Könnte es vielleicht sein, dass es mir Freude macht, für die kleinen Mäuse was zu kaufen?«, rief Bettina. »Außerdem macht es mir Spaß. Am liebsten würde ich mir selbst noch etwas von diesen kuscheligen Stofftieren kaufen.«
Linde grinste ihre Freundin an und zog sie wieder weiter, weil sie es wirklich kaum erwarten konnte, in dieses El Dorado für Kinder zu kommen.
»Liebste Bettina, aus dem Alter sind wir raus, jetzt kuscheln wir mit knackigen