J'accuse (Ich klage an). Max Georg Brausewetter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Max Georg Brausewetter
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066112615
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       Max Georg Brausewetter

      J'accuse (Ich klage an)

      Zwei Jahre in französischer Gefangenschaft

      Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2021

       [email protected]

      EAN 4064066112615

       Wo warst Du?

       Frioul I.

       Frioul II.

       III. Casabianda.

       Kerker in Casabianda.

       Uzès!

       Weihnachten.

       Nachspiele von Casabianda.

       Meine Anerkennung als Offizier.

       Inhaltsverzeichnis

      Einstellen aller Fehden,

      Befehl, Gewehr in Ruh!

      Nun, Deutschland, frage jeden

      Das eine: Wo warst du?

      Hast du den Ruf vernommen

      Vom heil’gen Deutschen Reich?

      Bist du zurückgekommen,

      Und kamst du alsogleich?

      Uns hat ein Heimatkünden

      Wie Schreckensruf gejagt,

      Der Weg war schwer zu finden,

      Wir haben ihn gewagt — — —

      Und dann in Kerkermauern

      Den falschen Weg gebüßt,

      Doch ohne Reu und Trauern,

      Weil wir es so gemüßt. —

      Wag’ einer, uns zu schmälen,

      Weh dem, der unser spott’!

      Den Weg galt’s uns zu wählen,

      Wohin er führte, Gott. —

      Wir haben schwer gelitten,

      Daß noch das Inn’re brennt,

      So wie wir keinem Dritten

      Zu leiden je gegönnt.

      Eh’ wer uns höhnend stelle,

      Ballt uns’re Faust sich zu:

      Auf Widerfrag’, Geselle,

      Sag’ an: Wo, wie warst du?

      Es war eine klägliche Rolle, die mir im Weltkriege 1914 zufiel, ich hatte mir alles so anders gedacht, als ich auf den ersten Kriegsruf hin von Malaga nach Barcelona fuhr, mich zu stellen. Zweimal machte ich die Fahrt, war inzwischen auch in Valencia, um dort einen Weg nach der schwerbedrohten Heimat zu suchen. Die Würfel fielen ungleich. Während einige von uns mit gutem Glück nach Genua gelangten, wurden wir trotz der Zusicherung, die wir von der deutschen, französischen und spanischen Regierung erhielten, in Marseille gefangengenommen und zur Untätigkeit rettungslos verdammt. Wenn mir je ein Wort Goethes Trost gewesen, so war es in dieser trostlosen Zeit Fausts Mahnung an den Menschen: Er stehe fest und sehe hier sich um, dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm. Dieses weltumfassende Wort verkleinerte ich mir für meine augenblickliche Lage so: Nicht jedem ist es vergönnt, in so gewaltiger Zeit da zu stehen, wo der Tod oder das E. K. winkt. Auch andere Posten verteilt das eherne Kriegsgesetz, und wen es auf minderwertigen gestellt, von dem fordert es gleiche Hingabe wie vom Vorposten. Fest soll er stehen und sich umsehen, dem Tüchtigen weist auch geringe Stellung seine Aufgabe, und ein Zusammenarbeiten aller erfordert so ernste Zeit. So lernte ich mich bescheiden und gewöhnte mich daran, dem Kasernenton französischer Korporale zu gehorchen und die hämische Behandlung unserer Vorgesetzten zu ertragen, unter der wir mehr litten, als unter schlechter Behausung und Ernährung. Ich suchte meinen Anteil am Kriege zu gewinnen, so klein er sei, und es ist mir oft gelungen, nicht immer.

      Was ich bringe, ist wahr, mag es auch romanhaft klingen. Alle Briefe sind authentische Kopien, mit Ausnahme der Briefe an meine Frau, welche nur meinem Bedürfnis Rechnung trugen, mich ihr mitzuteilen, die ebenso litt wie ich. Sie hätten natürlich in dieser Form die Zensur nie passiert. So mag das Buch von seelischen und körperlichen Leiden erzählen. Es bringt davon vielleicht mehr, als sonst Gefangene erduldet haben; es mag auch berichten von einer Auferstehung unserer selbst, die viele, nicht alle, feiern durften.

      Da unsere Beglaubigungen, die der Sisterleute, in Bausch und Bogen gemacht sind, bringe ich diejenigen zur Veröffentlichung, mit welchen versehen zwei Herren, auf demselben Wege wie wir, drei Wochen später unser Schicksal zu teilen gezwungen wurden. Die beiden Herren, Herr Müller und Herr Weißschedel, trugen folgendes Schriftstück in spanischer und französischer Sprache und amtlich beglaubigt bei sich:

      Staatsministerium: Als Resultat der vom Staatsministerium bei Empfang der Verbalnote der deutschen Gesandtschaft vom 24. August d. J. unternommenen Schritte, gibt die Regierung der französischen Republik die Zusicherung, daß die deutschen Untertanen — Nichtkombattanten —, welche, von Barcelona kommend, auf der Heimreise einen französischen Hafen berühren und mit einem Ausweis des deutschen Generalkonsulats, der vom Zivilgouverneur von Barcelona visiert ist, versehen sind, weder angehalten noch belästigt werden sollen. San Sebastian, 28. August 1914.

      In den ersten Morgenstunden des 24. August fuhren wir auf dem spanischen Schiff „Sister“ an den Inseln „Château d’If“ und „Frioul“ vorüber in den Hafen von Marseille, von wo wir, nach kurzem Aufenthalt, nach Genua sollten. Die Gestalt der durch Dumas Grafen von Monte Christo, genugsam bekannten Insel in der fahlen Dämmerbeleuchtung reizte uns zur üblichen Unterhaltung. Wir ahnten nicht, wie tief wir in die Geheimnisse der sagenumsponnenen Ruine eindringen sollten. Aber der Anblick allein warf seine Schatten voraus. Es ging wie ein banges Ahnen durch unsere Reihen, und die frohe Stimmung des gestrigen Abends wollte nicht mehr aufkommen. Wir verloren an dem bedrückenden Morgen mehr und mehr die Zuversicht, und wie ein Alpdruck legte sich langsam die Erkenntnis unserer Lage auf uns. Nachmittags war es bestimmt: 72 Männer, also fast alle, gleichviel ob sie über 45 Jahre, ob sie Invaliden, Aerzte oder Priester waren, wurden zu Kriegsgefangenen der französischen Republik gemacht. Wehrlos mußten wir den Bajonetten der französischen Soldaten gehorchen, und nach einem kurzen und würdigen Abschied von den Unseren — ich reiste mit meiner Frau und meiner 16jährigen Tochter — wurden wir aufs Ponton kommandiert, von Bajonetten umschlossen, und fuhren, zuerst von dem erschütternden Jammern der Unseren, dann von dem Johlen und Kreischen der Marseiller Weiber: à bas! à bas! à la mer! à la mer! begleitet nach Château d’If. —

      Wir langten etwa um 4½ Uhr nachmittags an der Landungsbrücke an, mußten unsere Koffer usw. bis nach oben zum Platze, der das eigentliche Château umgibt, tragen, dann kam die Revision des Gepäcks auf Waffen, Ferngläser und photographische Apparate, eine Untersuchung, die sich in der Zeit unserer