Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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sein und es nur der Höflichkeit Ihrer Frau Mutter verdanken, daß ich nicht fortgeschickt werde. — Sehen Sie,« fuhr er nach einem Augenblick freier und wärmer fort, — »ich verspreche mir sehr viel Freude von unserer Reise, — ich liebe die weite freie Natur und die reine Luft der Berge — und ich glaube, daß auch Sie in der Freiheit jener schönen Thäler und Höhen reichen Genuß finden werden, denn Sie haben Verständniß dafür und müssen sich dort wohler fühlen als hier — im Hauch der Grüfte, wie der Dichter sagt —«

      Die junge Dame hatte ihm zugehört, indem ihr Auge immer wärmer und inniger zu ihm empor leuchtete, dann hatte sie plötzlich den Blick gesenkt und unterbrach ihn jetzt mit neckischem Ton, der aber durch das sanfte Lächeln gemildert wurde, das ihre Lippen umspielte: »Und woher wissen Sie, daß ich mich in diesem Grabeshauch der Stadt nicht ganz in meinem Element fühle?«

      »Das weiß ich, Comtesse Clara,« sagte der junge Offizier lebhaft, »und weil ich das weiß, möchte ich gern Ihr Führer sein und das große Gedicht der schönen Natur mit Ihnen lesen — aber nur wenn Sie es ernstlich wollen und mich wirklich gern mitnehmen —«

      »Wir machen da Pläne für den Sommer,« unterbrach sie ihn abermals, »und die ganze Welt spricht von Krieg, — wer weiß,« fuhr sie fort, und ein Schatten lagerte sich über ihre Stirn, — »ob nicht alle Pläne zu Wasser werden — oder in Flammen aufgehen! —«

      »Mein Gott,« rief Herr von Stielow, »wenn der Krieg kommt, so ist natürlich Alles anders — aber das hindert uns doch nicht, Pläne zu machen für den Fall, daß es ruhig bleibt. — Also —«

      »Da kommt Graf Mensdorff,« sagte die junge Dame, indem sie aufstand, »vielleicht wird man etwas Neues hören — und meine Mama winkt mir, verzeihen Sie, wenn ich Sie verlasse, Herr von Stielow, — wir werden Sie ja wohl in diesen Tagen sehen, — dann werden Sie mir erzählen, ob Sie etwas über Krieg und Frieden gehört haben und ob unsere idyllischen Reisepläne Chancen haben oder nicht —«

      »Also wollen Sie mich mitnehmen?« fragte er lebhaft, — »aber ich bitte um keine höfliche, sondern um eine freundliche und aufrichtige Antwort.«

      Sie sah ihn einen Augenblick fest an und sagte dann, indem eine leichte Röthe das zarte Kolorit ihres Gesichtes erhöhte: »Ja — wenn Ihnen diese stille Reise pikant genug ist — und Sie Wien vergessen können.«

      Und mit leichtem, elastischem Schritt schwebte sie über das Parket nach der andern Seite des Salons hinüber, wo ihre Mutier im Kreise einiger Damen stand.

      Herr von Stielow sah ihr einen Augenblick betroffen nach und mischte sich dann unter die übrigen Gruppen.

      Graf Mensdorff war in der Gesellschaft erschienen und hatte sich zunächst eine Zeitlang in dem Kreise aufgehalten, der sich um seine Gemahlin gebildet.

      Die Diplomaten waren unruhig geworden und begannen mit mehr oder weniger höflich versteckter Unaufmerksamkeit sich von den gleichgültigen Gesprächen loszumachen, in welche sie engagirt waren.

      Endlich trat der Minister allein in den zweiten Salon. Man sah den Herzog von Gramont in seiner freien und leichten Haltung ihm entgegentreten und ihn herzlich begrüßen.

      Die beiden Persönlichkeiten waren der Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit — Niemand aber näherte sich, um ihr eifriges Gespräch zu stören, das etwa zehn Minuten dauerte.

      Als Graf Mensdorff den Herzog verließ, stand er bei seiner Wendung dem Herrn von Werther gegenüber.

      Er begrüßte ihn mit vollkommenster Höflichkeit und abermals richtete sich die Aufmerksamkeit der spähenden Seitenblicke aus allen Theilen des Saales auf diese Gruppe.

      Dieselbe löste sich nach zwei Minuten.

      Graf Mensdorff verließ mit tiefer Verneigung den preußischen Gesandten und ging mit lebhaften Schritten durch den Salon auf den General von Knesebeck zu, nahm dessen Arm und führte ihn etwas abseits von den Gruppen zu einem lebhaften und kordialen Gespräch.

      Der Herzog von Gramont hatte sich wieder unter die Gesellschaft gemischt. Die Herren von Meysenbug und von Biegeleben waren erschienen und wurden von den Diplomaten zweiten Ranges umgeben.

      Nach einer Viertelstunde fühlte man, daß eine Atmosphäre voll Eiseskälte den Baron Werther umgab, der Faden eines jeden Gesprächs, das er hier oder dort begann, fiel nach einigen Phrasen voll Höflichkeit zu Boden und nur mit großer Gewandtheit konnte er den Eindruck seiner Isolirtheit verbergen, bis die vorrückende Zeit ihm erlaubte, sich zurückzuziehen.

      Allmälig leerten sich die Salons des Palais am Ballplatze.

      Der Lieutenant von Stielow stieg die großen Treppen hinab und fand seinen Fiaker auf der bestimmten Stelle am Burgplatze.

      Herr von Stielow gab dem Kutscher eine Adresse, stieg ein und hüllte sich in seinen weißen Mantel.

      »Was hat sie sagen wollen mit der Bemerkung über das Vergessen von Wien, — sollte sie wissen? — Nun, ganz Wien weiß ja, was ich thue, und ich verberge mein Leben nicht! — Wenn sie es wollte, würde ich alle Thorheiten abwerfen — aber will sie es? —«

      Er versank in Nachdenken.

      »Sie wird es wollen,« rief er nach einer Weile — »und dann wird mein Lebenslauf dem reinen Stern folgen, — fort dann mit allen Irrlichtern, — die aber doch sehr reizend sind!« — setzte er flüsternd hinzu.

      Der Wagen hielt vor einem großen Hause auf dem Ringe.

      Herr von Stielow verabschiedete den Kutscher, grüßte den Hausmeister mit bekannter Miene und stieg zwei Treppen hinauf. Auf sein Läuten öffnete eine hübsche Kammerjungfer die Glasthüre des Vorsaals.

      Der junge Offizier warf seinen Mantel ab und trat in einen sehr eleganten, dunkelblau möblirten Salon, vor dessen Kamin ein geschmackvoll arrangirter Theetisch von einer mächtigen Carcellampe beleuchtet wurde.

      Auf einer Chaise longue an der Seite des Kamins lag eine schlanke junge Frau in weißem Negligé.

      Ihr blasses Gesicht vom edelsten griechischen Schnitt war theils von dem weichen Licht der Lampe, theils von der rothen Glut des Kamins beleuchtet, und ihre Augen, deren tiefes Schwarz noch die Ebenholzfarbe des glänzenden, glatt gescheitelten Haares überbot, schimmerten bald in weicher, süßer Träumerei, bald funkelten sie in scharfen, blitzenden Strahlen auf.

      Ihre weißen, mehr mageren als vollen Arme, von den weiten Aermeln nur halb bedeckt, ruhten in ihrem Schooße, und die schlanken Finger spielten mit einer Quaste ihres Gürtels.

      Die ganze Erscheinung war von wunderbarer Schönheit, deren dämonischer Eindruck durch die wechselnden Lichtreflexe erhöht wurde, welche über das Gesicht und die ganze Gestalt hinspielten.

      Bei dem Eintritt des jungen Mannes sprang sie auf und aus ihrem Auge leuchtete ein Blitz, von dem man schwer hätte sagen können, ob in seiner Glut mehr Liebe, Stolz oder Triumph flammte.

      So mußte Kleopatra ausgesehen haben, als Antonius zu ihr trat.

      Sie flog dem Offizier entgegen und schlang die Arme um ihn, während ihr Blick sich mit heißer Glut in seine Augen tauchte.

      »Kommst Du endlich, mein süßer Freund?« flüsterte sie, »Du hast mich lange warten lassen!«

      Auf dem Gesicht des jungen Mannes hatte bei seinem Eintritt, etwas wie Kälte gelegen, und in der Bewegung, mit welcher er seinen Arm um ihre Schulter legte, war vielleicht etwas mehr Höflichkeit als Zärtlichkeit gewesen.

      Fühlte dieß die junge Frau?

      Ihr Blick wurde noch tiefer und glühender, ihre Arme rankten sich noch fester um den Hals des Offiziers und durch ihren schlanken Körper zitterte ein leises Beben.

      Ein magnetischer Strom schien von ihr auszugehen und ihren Geliebten zu durchdringen. Er führte sie sanft zu der Chaise longue, kniete vor ihr nieder und küßte ihre linke, herabhängende Hand, während sie mit der Rechten seine Haare von der Stirne strich.

      Der Stern verhüllte sich in Wolken, das Irrlicht