»Ja, ja,« sagte Graf Mensdorff nachdenklich, »die Gesandtschaften berichten, daß keine preußisch-italienische Allianz da sei, ich weiß es wohl — und doch bin ich vom Gegentheil überzeugt — ich bin auch überzeugt, daß die ersten Fäden dieser Allianz in Paris zusammenlaufen, — ich habe ein Gefühl für so etwas — wenn es auch nicht in den Berichten der Akten steht —«
»Aber,« warf Herr von Meysenbug ein, »der Herzog von Gramont würde doch nicht —«
»Gramont!« unterbrach ihn Graf Mensdorff lebhafter als bisher, — »und glauben Sie denn, daß Gramont weiß, was in Paris vorgeht? Glauben Sie, daß der Kaiser Napoleon das letzte Wort seiner labyrinthischen Politik in offiziellen Expeditionen an Gramont schreiben lassen wird? — Gramont weiß, was er sagen soll — und,« fügte er leiser und langsamer hinzu, — »er soll gewiß nichts sagen, was den Krieg verhindern könnte, denn dieser Krieg paßt zu sehr in die französischen Interessen; die preußisch-österreichische Waffenbrüderschaft in Holstein hat in Paris große Furcht erregt, darum soll Deutschland in blutigem Riß auseinanderklaffen, — wer in diesem Kriege geschlagen wird, in dem wird Deutschland besiegt, und wer da siegt — soll für Frankreich siegen!«
»Eure Excellenz sehen aber in der That Schwarz in Schwarz,« sagte Herr von Meysenbug mit leichtem Lächeln, — »im Gegentheil, ich hoffe, daß der Sieg der österreichischen Waffen Deutschlands Einigkeit unter der kaiserlichen Fahne wieder herstellen wird — und wenn Italien sich rührt, so werden wir diesem wüsten Königreich, das Kirche und Staatsordnung mit Vernichtung bedroht, ein schnelles Ende machen!«
»Wollte Gott, ich könnte Ihren Glauben theilen,« sagte Graf Mensdorff trübe, »allein ich kann an den Sieg der österreichischen Waffen nicht glauben, und wenn Benedek die Armee und ihre Verhältnisse kennen wird, wie ich sie kenne, so wird er dasselbe sagen. — Ich habe das auch dem Kaiser Alles gesagt,« fügte er noch leiser hinzu, »und habe gebeten, mir dieß Ministerium abzunehmen, das mir die Verantwortung für eine Politik auflegt, die schweren Katastrophen zuführt.«
»Aber Excellenz!« riefen die Herren von Meysenbug und Biegeleben erschreckt.
»Nein, nein,« sagte Graf Mensdorff mit mattem Lächeln, — »ich gehe noch nicht, Seine Majestät hat mir befohlen, auf dem Posten zu bleiben, und als Soldat bleibe ich, — als Soldat,« wiederholte er mit Betonung, »denn wäre ich ein politischer Minister der modernen Schule, so bliebe ich nicht, — so aber — nun die Ordre ist gegeben, jetzt also heißt es vorwärts. — Wie also können wir es machen, daß die Sache zur Entscheidung, zum Entweder, Oder kommt? — denn wenn einmal gehandelt werden soll, so bin ich für baldiges Handeln, jeder Tag gibt unseren Gegnern neue Stärke.«
»Das Mittel ist einfach,« sagte Herr von Biegeleben, indem er sich noch gerader auf seinem Stuhl aufsetzte und die rechte Hand in dozirender Bewegung erhob, — »die holsteinischen Stände wünschen dringend einberufen zu werden, um sich über die Lage des Landes und die Erbfolge auszusprechen — rufen wir sie zusammen; das durchkreuzt alle Absichten Preußens und zwingt die Herren in Berlin, Farbe zu bekennen; zugleich aber erhalten wir dadurch eine gewaltige Stütze in der Sympathie der Herzogthümer und der großdeutschen Partei in Deutschland.«
»Aber wir sind nur ein Kondominus in den Herzogtümern,« warf Graf Mensdorff ein, »die Souveränetätsrechte üben wir nach dem Gast einer Vertrag nur mit Preußen gemeinschaftlich aus —«
»Gerade dieser Punkt, — erlauben Eure Excellenz.« unterbrach ihn Herr von Biegeleben, »führt den Konflikt herbei, und kommt er, so tritt er für uns unter den günstigsten Bedingungen ein, für eine volkstümliche Sache.«
»Nun, mir scheint es nicht ganz recht,« sagte Graf Mensdorff, »und auf die Sympathieen der Bierhausredner in den Herzogtümern und in Deutschland, auf die Sänger und Turner gebe ich sehr wenig — lieber hätte ich eine Armee wie die preußische, — aber seien Sie so gut, mir ein kleines Memoire darüber zu machen mit der Instruktion an Gablenz, damit ich es Seiner Majestät vorlegen kann.«
Herr von Biegeleben verneigte sich im rechten Winkel und über Herrn von Meysenbug's Gesicht flog ein leichtes Lächeln der Befriedigung.
»Wie sieht es in Deutschland aus?« fragte Graf Mensdorff, »wie steht es in Sachsen? Ist man dort fertig?«
»Vollkommen,« erwiederte Herr von Biegeleben. »Herr von Beust ist sehr ungeduldig und hat eine Denkschrift gesendet, in welcher er die Notwendigkeit schnellen Handelns auseinandersetzt. Auch er hält die Einberufung der holsteinischen Stände für das beste Mittel, Licht und Klarheit in die Situation zu bringen. Die Stimmung der Bevölkerung in Sachsen ist vortrefflich. Wollen Eure Excellenz die Note des Herrn von Beust lesen?«
Er öffnete das Portefeuille, das er vor sich auf den Tisch gelegt hatte.
Graf Mensdorff wehrte mit der Hand ab.
»Wo der Beust nur die Zeit hernimmt, das Alles zu schreiben!« sagte er mit mattem Lächeln und einem leisen Seufzer. — »Wie steht es mit Hannover?« fuhr er dann fort, »haben wir dort Hoffnung?«
»So eben ist der Kurier mit dem Bericht des Grafen Ingelheim angekommen,« erwiederte Herr von Biegeleben, indem er aus seiner Mappe eine Depesche nahm und sie leicht durchblätterte, — »er ist zufrieden. Graf Platen ist von Berlin zurückgekommen und hat versichert, daß alle dort gemachten Versuche, ihn zu gewinnen und die hannöverische Politik nach Preußen herüberzuziehen, vergeblich gewesen seien. Er habe nichts versprochen und hat dem Grafen Ingelheim gesagt, er hoffe, man werde in Wien seine Gesinnungen kennen.«
»Ja wohl kenne ich ihn,« sagte Graf Mensdorff halb für sich mit leichtem Achselzucken. — »Und der König Georg?« fragte er dann.
»Der König,« erwiederte Herr von Biegeleben, »will von Krieg nichts wissen, er betont jedesmal, das gute Einvernehmen zwischen Oesterreich und Preußen sei Deutschlands Heil — indeß, wenn es zum Bruch kommt, so wird der König gewiß auf unserer Seite stehen.«
»Das scheint mir nicht sicher,« sagte Graf Mensdorff, »der König Georg ist, wie ich ihn beurtheile, deutsch und welfisch, — aber nicht österreichisch. Auch sollen die Traditionen des siebenjährigen Krieges in ihm lebendig sein.« —
»Es ist richtig,« nahm jetzt Herr von Meysenbug das Wort, »daß der König von Hannover nicht österreichisch gesinnt ist, und doch glaube ich, ist er uns sicher, trotzdem mächtige preußische Einflüsse ihn umlagern. Man muß zunächst versuchen, ihm etwas zu bieten, das seinen Ideen entspricht; der König träumt von der Größe Heinrich's des Löwen — Graf Ingelheim weiß durch den Doktor Klopp, daß er sich viel mit der Geschichte seines großen unglücklichen Vorfahren beschäftigt —«
»Doktor Klopp? Was ist das?« fragte Graf Mensdorff mit leichtem nervösem Gähnen.
»Ein früherer Lehrer, der im Jahre 1848 sich als Demokrat und Vertheidiger der Reichsverfassung schwer kompromittirte, jetzt aber konvertirt ist.«
»Zu unserer Kirche?« fragte Graf Mensdorff.
»Das — nicht« — erwiederte Herr von Meysenbug nach leichtem Zögern — »aber zu unseren Gesinnungen und Interessen. Er zeigt große Gewandtheit für historische Darstellungen in unserem Interesse und man hat ihm einen gewissen Ruf gegeben, so daß ihm die Herausgabe der Leibnitziana übertragen ist. Er sieht Graf Platen viel und ist uns sehr nützlich.«
»So so,« sagte Graf Mensdorff lächelnd, »das ist wohl Ihre Privatdomäne, lieber Meysenbug?«
»Ich interessire mich allerdings sehr für den strebsamen Schriftsteller,« erwiederte Herr von Meysenbug ruhig, »den übrigens Graf Ingelheim ganz besonders in Hannover protegirt.«
»Nun — und die Anerbietungen an den König Georg?« fragte Graf Mensdorff.
»Meine Meinung ist,«