Wladimir kam und Tania erschrak fast. Wladimir sagte ihr über den Schmuck des Zimmers kein böses Wort. Er ging schweigend auf sie zu, zog sie an seine Brust und küßte sie herzlich.
»Ach Wladimir, sieh doch; alles das hat Colja getan. Was für herrliche Osterpalmen!«
Aber Wladimir teilte ihr Entzücken nicht, Wladimir war eifersüchtig auf diese Bestie von Colja. Dieser Mensch hatte seiner Geliebten die letzte reine Freude in ihrem Leben bereitet.
Colja kam auch später nicht, die beiden blieben allein. Tania strahlte vor Glück, denn es war gar nicht zu sagen, wie freundlich Wladimir an diesem gesegneten Tage gegen sie war, ordentlich zärtlich. Sie bereitete für ihn, der die heiligen Feste nicht hielt, das Frühstück, setzte sich neben ihn und sah zu, wie er aß. Aber es schmeckte ihm nicht, und sie hatte ihm doch schon jetzt ein Festessen vorgesetzt – Gott verzeih ihr die Sünde! Da kam der große Moment: das Kind erwachte! Tania lief in die Kammer, hob den kleinen Burschen auf und brachte ihn, in eine Decke gewickelt, seinem Vater. Und der Knabe, obgleich noch ganz verschlafen, mit hochrotem Gesichtchen, lachte Wladimir an, strebte mit Händen und Füßen nach ihm hin, wobei er Laute ausstieß, welche Tania voller Entzücken für des Kindes erstes Wort erklärte: Papa!
Darauf sah Wladimir zum erstenmal zu, wie sein Sohn gebadet wurde, wobei der Zukünftige große Volksmann so jammervoll schrie, daß es Wladimir angst ward, das lauwarme Wasser könnte seinem Erstgeborenen ernstlichen Schaden zufügen. Nachdem das Schreckliche vorüber, der junge Held sich beruhigt hatte, abgerieben und in das weißeste und weichste Linnen gebettet worden war, durfte Wladimir seinen Sohn auf den Arm nehmen, ihn schaukeln und wiegen, mit ihm im Zimmer umherspazieren und ihm nach Herzenslust Kapriolen vormachen, damit der kleine Herr der Schöpfung nur ja zufrieden war und still blieb, denn sein Mütterchen konnte sich jetzt nicht mit ihm abgeben, unmöglich! Sein Mütterchen mußte für die Osterfestnacht Kuchen mengen und kneten, backen und braten, hatte keinen Augenblick Zeit für Vater und Sohn und lief doch jeden Augenblick von ihrem Mehl, ihren Eiern und Gewürzen fort, um zu sehen, was die beiden ohne sie wohl anfingen. So verstrich der Morgen, ohne daß Colja gekommen wäre; Tania dachte schließlich gar nicht mehr an ihn.
Später begaben sich alle drei hinauf zu Natalia, die immer erst gegen Mittag erwachte, und brachten ihr heißen Tee. Sie fanden die Kranke bereits aufgestanden und völlig angekleidet am Fenster sitzen.
Natalia war sehr heiter und sagte, daß sie sich so wohl befände, wie seit langem nicht; jetzt würde sie sich gewiß schnell erholen und bald wieder vollkommen gesund sein. Sie war überaus freundlich gegen Tania und tat, was sie noch niemals getan, sie liebkoste das Kind.
Auch am Mittag war von Colja nichts zu hören und zu sehen; Wladimir blieb mit Tania allein und wich nicht von ihrer Seite. Selbst als Tania das Kind säugte, entfernte er sich nicht, war dann auch dabei, wie sein Sohn zu Bette gebracht und von der Mutter in Schlaf gesungen ward. Als das Kind fest schlummerte, begaben sich beide ins Zimmer zurück und Wladimir sah den Knaben nicht wieder.
Es begann zu dämmern. Sie saßen beide auf der Bank am Ofen und blieben lange Zeit stumm. Als die Schatten des Abends mehr und mehr das Zimmer füllten, der Schein der Kerzen vor dem Heiligenbild heller und heller ward, fing Wladimir
zu sprechen an, so leise, daß Tania Mühe hatte, ihn zu verstehen: »Colja ist eigentlich ein guter Mensch.«
»Das ist er.«
»Und wie der grobe Bursche an dir hängt.«
»Es ist wahr.«
»Ich glaube, das Kind betet er an.«
»Freilich.«
»Colja wird dich und das Kind niemals verlassen.«
»Natürlich nicht.«
»Natürlich nicht! Du hast recht; darüber kann ich ruhig sein.«
Er schwieg. Nach einer Weile begann er von neuem: »Eigentlich warst du in Eskowo recht glücklich.«
»Ach, Wladimir – –«
»Nun ja, warum soll man nicht davon reden?«
»Reden können wir davon.«
»Ich habe nämlich daran gedacht, dich nach Eskowo zu schicken – mit Colja natürlich! Es ist mir erst vor einigen Tagen eingefallen. Was hast du?«
»Du schickst mich fort von dir?«
»Nein! Nein! Welch ein Gedanke! Wie würde ich mich jemals von dir und dem Kinde trennen. Ich glaubte nur, es möchte dich freuen, wenn du für einige Zeit mit Colja nach Eskowo zu deinen Eltern gingest, um diesen das Kind zu zeigen. Deine Eltern würden dich doch freundlich aufnehmen?«
»Gewiß würden sie das. Meine Mutter hat mir schreiben lassen, daß sie mir vergeben hätten.«
»Das freut mich! Aber jetzt ist es wohl noch zu kalt, um mit dem Kinde die weite Reise zu machen?«
»Wir haben schon recht schöne Tage gehabt.« »Ich will es überlegen. Vielleicht begleitet euch Wera Iwanowna.«
»Wo ist sie? Ist sie in Moskau? Warum kommt sie nicht?«
»Sie war abwesend; aber heute kommt sie wieder zurück, spätestens morgen; gleich morgen kommt sie zu dir.«
»Wie mich das freut!«
»Und Sascha auch.«
»Der gute Sascha.«
»Wera und Sascha sind gleichfalls deine treuen Freunde. Sie haben dich sehr lieb.«
»Alle sind gut gegen mich. Ich habe von den Menschen nur Liebes und Gutes erfahren,«
»Ja, du – –«
Er verstummte, ließ den Kopf sinken, drückte die Hand vor sein Gesicht.
»Was ist dir, Lieber?«
»Ich bin müde, ich will einen Augenblick ruhen, bleibe sitzen.«
Er umfing sie mit beiden Armen, legte seinen Kopf an ihre Brust und schloß die Augen. Tania glaubte ihn eingeschlafen und regte sich nicht.
Es ward dunkel.
*
Tania war allein. Vor dem Muttergottesbilde brannten die Kerzen noch immer und Tania deckte den Festtisch. Dann zog sie ihr weißes, feierliches Gewand an, löste sich das Haar und wand sich einen Zweig Osterpalmen um die Stirn. Nachdem sie das getan hatte, setzte sie sich und wartete auf Wladimir, der versprochen hatte, bis Mitternacht zurück zu sein, und auf Colja, der immer noch abwesend war.
Endlich kam er. Noch war er auf dem Hofe, als Tania ihn bereits an seinen schweren, stampfenden Schritten erkannte. Sie wollte ihm entgegengehen und ihn mit Schelten empfangen, dafür, daß er sich den ganzen Tag nicht um sie gekümmert hatte; aber sie blieb ruhig sitzen und als er polternd eintrat, lächelte sie ihn an.
Dieser Colja! Da stand er, ließ die Tür weit offen und starrte auf seine Gebieterin, als hätte er sie in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Tania mußte ihn laut anrufen.
»Aber Colja, so mach doch die Tür zu, es wird ja ganz kalt.« Colja machte die Tür zu. »Aber Colja, so komm doch.«
Colja kam.
»Aber Colja, so sprich doch!«
Colja sprach. Es wurde ihm nicht leicht, indessen er sprach, mürrisch genug.
»Täubchen Tania Nikolajewna, nun ja!«
Tania mußte lachen; gleich darauf traten ihr die Tränen in die Augen.
»Ach, Colja, was hast du getan!«
Colja erschrak, als hätte ihn das Täubchen