»Hier ruht Pistache, einer der gescheitesten Hunde, welche je gelebt haben.«
Es war nichts gegen dieses Lob einzuwenden und Herr von Chavigny konnte es nicht verhindern.
Der Herzog sagte nun ganz laut, man habe an seinem Hunde den Versuch mit der Drogue gemacht, der man sich gegen ihn bedienen wolle, und eines Tage legte er sich nach dem Mittagsbrod zu Bette und schrie, er habe Kolik und Herr von Mazarin habe ihn vergiften lassen.
Dieser neue Muthwille kam dem Cardinal zu Ohren und machte ihm große Angst. Der Kerker von Vincennes galt für sehr ungesund und Frau von Rambouillet sagte einst, das Zimmer, in welchem Puylaurens, der Marschall Ornano und der Großprior von Vendome gestorben, sei Arsenik werth, und dieses Witzwort machte Glück. Er befahl daher, daß der Gefangene nichts mehr genießen solle, ohne daß man zuvor den Wein und die Speisen versucht habe. Der Gefreite La Ramée wurde sofort unter dem Titel einen Vorkosters zu ihm gebracht.
Herr von Chavigny hatte indessen die Beleidigungen, welche dem unschuldigen Pistache das Leben kosteten, dem Herzog nicht vergeben. Herr von Chavigny war eine Creatur des verstorbenen Cardinals. Man sagte sogar, er sei sein Sohn. Er mußte sich also einigermaßen auf Tyrannei verstehen. Herr von Chavigny fing an, Herrn von Beaufort seine Kränkungen zurückzugeben. Er nahm ihm, was man ihm bin dahin gelassen hatte, die eisernen Messer und die silbernen Gabeln, und ließ ihm dafür silberne Messer und hölzerne Gabeln geben. Herr von Beaufort beklagte sich, aber Herr von Chavigny ließ ihm antworten, er sei benachrichtigt worden, der Cardinal habe Frau von Vendome gesagt, ihr Sohn müsse sein ganzen Leben im Kerker von Vincennes bleiben, und er habe befürchtet, bei dieser unglücklichen Kunde könnte sein Gefangener sich zu einem Selbstmordversuche verleiten lassen. Vierzehn Tage nachher fand Herr von Beaufort zwei Reihen Bäume, so dick wie ein kleiner Finger, an den Weg gepflanzt, der zum Ballspiele führte. Er fragte, was dies zu bedeuten hatte, und man antwortete ihm, es wäre, um ihm eines Tages Schatten zu geben. Einen Morgens endlich suchte ihn der Gärtner auf und meldete ihm unter dem Anschein, ihm gefallen zu wollen, man lege Spargelbeete für ihn an. Allgemeine aber ist es bekannt, daß diese Beete, um genießbare Pflanzen zu treiben, gegenwärtig vier Jahre brauchen, während sie damals, wo die Gärtnerei minder vollkommen war, fünf Jahre brauchten. Diese Höflichkeit setzte Herrn von Beaufort in Wuth.
Herr von Beaufort dachte nun zu einem von seinen vierzig Mitteln Zuflucht zu nehmen und versuchte es zuerst mit dem einfachsten, mit dem, La Ramée zu bestechen. Aber La Ramée, der seine Gefreitenstelle um 1500 Thaler gekauft hatte, hielt große Stücke auf sein Amt. Statt in die Absicht des Gefangenen einzugehen, eilte er stehenden Fußes zu Herrn von Chavigny und machte ihm Meldung. Sogleich stellte Herr von Chavigny acht Mann in das Zimmer des Prinzen, verdoppelte die Wachen und verdreifachte die Posten. Von diesem Augenblick an ging der Prinz nur noch wie ein Theaterkönig einher, nämlich mit vier Mann vor sich und vier Mann hinter sich, diejenigen nicht zu rechnen, welche in einem Hintergliede marschierten.
Herr von Beaufort lachte Anfangs viel über diese Strenge, welche ihm eine Zerstreuung bereitete. Er wiederholte so oft als möglich: »Das belustigt mich, das ergötzt mich!« Dann fügte er bei: »Wenn ich mich übrigens Euern Ehrenbezeigungen entziehen wollte, so hätte ich noch neununddreißig andere Mittel.«
Aber diese Zerstreuung wurde am Ende eine Langweile. Aus Prahlerei hielt es Herr von Beaufort sechs Monate aus. Als er aber nach Ablauf von sechs Monaten sah, daß die acht Mann sich setzten, wenn er sich setzte, aufstanden, wenn er aufstand, stehen blieben, wenn er stehen blieb, so fing er au, die Stirne zu runzeln und die Tage zu zählen.
Diese neue Verfolgung führte eine Verdoppelung des Hasses gegen Mazarin herbei. Der Prinz schwor vom Morgen bis zum Abend und sprach nur von Zerhacken und Einmachen Mazarinischer Ohren. Das war zum Schauern. Der Cardinal, welcher Alles erfuhr, was in Vincennes vorging, drückte unwillkürlich sein Baret bis zum Halse hinab.
Eines Tages versammelte Herr von Beaufort die Wächter und hielt, trotz der sprichwörtlichen Schwierigkeit, mit der er sich ausdrückte, folgende Rede, welche allerdings von ihm vorbereitet worden war:
»Meine Herren, werdet Ihr es dulden, daß ein Enkel des guten Heinrich IV. mit Beleidigungen und Schmach überhäuft wird.. Ventre-Saint-gris! wie mein Großvater sagte, ich habe in Paris beinahe geherrscht, wißt Ihr! Ich habe ein ganzes Jahr lang den König und Monsieur zur Bewachung gehabt. Die Königin schmeichelte mir damals und nannte mich den rechtschaffensten Mann des Reiches. Meine Herren Bürger, bringt mich jetzt hinaus, ich gehe geraden Wegs nach Louvre. Ich drehe dem Mazarin den Hals um, Ihr werdet meine Leibwache, ich mache Euch alle tu Offizieren, und zwar mit guten Pensionen. Ventre-Saint-gris! vorwärts, marsch!«
Aber so pathetisch auch die Beredtsamkeit des Enkels von Heinrich IV. war, so rührte sie doch diese Steinherzen nicht; nicht Einer bewegte sich von der Stelle. Als Herr von Beaufort dies sah, sagte er ihnen, sie wären insgesamt Lumpenkerle, und machte sich dadurch grausame Feinde aus ihnen.
Wenn ihn zuweilen Herr von Chavigny besuchte, was er unfehlbar zwei bis drei mal in der Woche that, so benützte der Herzog diese Gelegenheit, ihn zu bedrohen.
»Was werdet Ihr thun, mein Herr,» sprach er zu ihm, »wenn Ihr eines Tages ein Heer bis unter die Zähne bewaffneter Pariser erscheinen seht, welche kommen um mich zu befreien?»
»Monseigneur,« antwortete Herr von Chavigny, indem er sich tief vor dem Prinzen verbeugte, »ich habe auf meinen Wällen zwanzig Feldstücke und in meinen Casematten dreißigtausend Schüsse: ich werde sie nach Kräften mit meinen Kanonen bearbeiten.«
»Ja, aber wenn Ihr Eure dreißigtausend Schüsse abgefeuert habt, so werden sie den Thurm nehmen, und wenn sie den Thurm genommen haben, so bin ich genöthigt, Euch von ihnen hängen zu lassen, was mir allerdings sehr leid thun wird.«
Und der Prinz verbeugte sich ebenfalls mit der größten Höflichkeit vor Herrn von Chavigny.
»Ich aber, Monseigneur,« versetzte Herr von Chavigny, »wäre, sobald der erste Schlucker die Schwelle meiner Schlupfpforten betreten oder den Fuß auf meinen Wall setzen würde, zu meinem größten Bedauern genöthigt, Euch mit eigener Hand zu tödten, insofern Ihr mir ganz besonders anvertraut seid, und ich Euch todt oder lebendig zurückgeben muß.«
Und er verbeugte sich abermals vor seiner Hoheit.
»Ja,« fuhr der Herzog fort; »da aber diese braven Leute sicherlich nicht hierher kommen würden, ohne vorher Herrn Giulio Mazarini gehenkt zu haben, so würdet Ihr Euch wohl hüten, Hand an mich zu legen, und ließet mich wohl leben, aus Furcht, auf Befehl der Pariser von vier Pferden zerrissen zu werden, was noch viel unangenehmer ist, als das Heulen.«
Diese süßsauren Scherze gingen so zehn Minuten, eine Viertelstunde, zwanzig Minuten höchstens fort und endigten stets auf folgende Weise.
Herr von Chavigny wandte sich nach der Thüre um und rief:
»Holla, La Ramée!«
La Ramée trat ein.
»La Ramée!« fuhr Herr von Chavigny fort, »ich empfehle Euch ganz besonders Herrn von Beaufort. Behandelt ihn mit aller seinem Range und seinem Namen schuldigen Rücksicht und verliert ihn zu diesem Behufe nicht einen Augenblick aus dem Gesichte.«
Dann, entfernte er sich, Herrn von Beaufort mit einer ironischen Höflichkeit grüßend, die diesen so zornig machte, das er blau wurde.
La Ramée war also der obligate Tischgenosse des Prinzen, sein ewiger Wächter, der Schatten seines Leibes geworden. Man muß aber dabei gestehen, die Gesellschaft von La Ramée, einem heiteren Lebemann, einem offenherzigen Gaste, einem anerkannten Trinker, einem großen Ballspieler, einem guten Teufel im Grunde seines Herzens, der für Herrn von Beaufort keinen andern Fehler hatte, als daß er sich nicht bestechen ließ, war für den Prinzen mehr eine Zerstreuung, als eine Pein.
Leider war nicht dasselbe der Fall bei Meister La Ramée, und obgleich er die Ehre mit einem Gefangenen von so hoher Bedeutung eingeschlossen zu sein, bis auf einen gewissen Grad zu schätzen wußte, so glich doch das Vergnügen, im vertraulichen Umgange mit dem Enkel Heinrich IV. zu leben, nicht das aus, welches er gehabt haben würde, wenn er von Zeit zu Zeit hätte seiner Familie einen Besuch machen dürfen.