»Ah!« rief d’Artagnan.«
Und er dachte, der Augenblick zur Eröffnung der Feindseligkeiten wäre gekommen.
»Wenn Ihr wollt,« sprach er, »so können wir diesem jungen Menschen ein Schicksal machen.«
Ah!« rief Athos ebenfalls.
»Ich will Euch sogar über etwas um Rath fragen, was mir im Kopf umher geht.«
»Thut es.«
»Glaubt Ihr, die Zeit sei gekommen, um Dienst zu nehmen?«
»Aber Ihr seid ja noch im Dienste, d’Artagnan.«
»Verstehen wir uns recht, thätigen Dienst. Hat das ehemalige Leben nichts mehr für Euch, was Euch reizen könnte, und wenn Euch wirklich Vortheile erwarteten, wäre es Euch nicht angenehm, in meiner Gesellschaft und in der unseren Freunden Porthos die Unternehmungen unserer Jugend wieder zu beginnen?«
»Macht Ihr mir einen Vorschlag,« sagte Athos.
»Frei und offenherzig.«
»Um wieder in das Feld zu ziehen?«
»Ja.«
»Von wem und gegen wen?« fragte Athos plötzlich und heftete sein so klaren und so wohlwollenden Auge auf den Gascogner.
»Ah, Teufel! Ihr seid dringend.«
»Und besonders genau. Hört mich wohl, d’Artagnan. Es gibt nur eine Person, oder vielmehr eine Sache, der ein Mann wie ich nützlich sein kann, die Sache des Königs.«
»Das ist es gerade,« sprach der Musketier.
»Aber verständigen wir uns,« versetzte Athos ernst.
»Wenn Ihr unter der Sache den Königin die Sache von Herrn von Mazarin versteht, so hören wir auf, uns zu begreifen.«
»Ich sage das nicht gerade,« antwortete der Gascogner verlegen.«
»Hört, d’Artagnan,« sprach Athos, »spielen wir nicht bis zu Ende. Euer Zögern, Eure Umwege sagen mir, von welcher Seite Ihr kommt. Diese Sache wagt man allerdings nicht laut zu gestehen, und wenn man für dieselbe wirbt, so thut man es mit gesenktem Ohre und mit verlegenem Tone.«
»Ah, mein lieber Athos!« rief d’Artagnan.«
»Ei, Ihr wißt wohl,« versetzte Athos, daß ich nicht von Euch spreche, der Ihr die Perle der braven, kühnen Männer seid. Ich spreche von dem schmutzigen, intriganten Italiener, von dem Pedanten, der eine Krone auf sein Haupt zu setzen versucht, die er unter einem Kopfkissen gestohlen hat, von dem Schurken, der seine Partei die Partei des Königs nennt und die Prinzen von Geblüt in das Gefängniß zu stecken trachtet, da er es nicht wagt, sie zu tödten, wie es unser Cardinal machte, der große Cardinal; ein Wucherer, der seine Goldthaler abwägt und die beschnittenen behält, aus Furcht, obgleich er betrügt, sie beim Spiele am nächsten Tage zu verlieren; ein Schuft, der die Königin mißhandelt, wie man versichert – übrigens desto schlimmer für sie! – und in drei Monaten einen Bürgerkrieg anfangen wird, um seine Pensionen zu behalten. Das ist der Herr, den Ihr mir vorschlagt, d’Artagnan? Großen Dank!
»Gott vergebe mir, Ihr seid lebhafter, als früher,« sprach d’Artagnan, »und die Jahre haben Euer Blut erhitzt, statt es abzukühlen. Wer sagt Euch, daß dies mein Herr ist, und daß ich Euch denselben aufbringen will?«
»Teufel!« hatte der Gascogner zu sich gesagt, »einem so schlecht gestimmten Manne wollen wir unsere Geheimnisse nicht anvertrauen.«
»Aber, mein lieber Freund,« versetzte Athos, »worin bestehen dann Eure Vorschläge?«
»Ei, mein Gott, nichts ist einfacher, Ihr lebt auf Euern Gütern und seid, wie es scheint, glücklich auf Eurer goldenen Mittelstraße. Porthos hat vielleicht 50 bis 60,999 Livres Renten; Aramis hat immer noch fünfzehn Herzoginnen, die sich um den Prälaten streiten; wie sie sich um den Musketier stritten; er ist immer noch ein verdorbenes Kind den Schicksals. Aber ich, was thue ich in der Welt? Ich trage meinen Küraß und mein Büffelleder seid zwanzig Jahren an den ungenügenden Grad angeklammert, ohne vorzurücken, ohne zurückzuweichen, ohne zu leben. Ich bin todt mit einem Worte. Wenn es sich für mich darum handelt, wieder ein wenig zu erwachen, so kommt Ihr alle und sagt mir: Er ist ein Schurke! es ist ein Schuft! es ist ein Wucherer! es ist ein schlechter; Herr! Ei, bei Gott! ich bin auch Eurer Meinung, aber; findet mir einen bessern oder macht mir Renten!«
Athos dachte drei Sekunden nach, und nach diesen drei Sekunden begriff er die List von d’Artagnan, der, weil er von Anfang zu weit gegangen war, nun abbrach, um sein Spiel zu verbergen. Er sah deutlich, daß die Vorschläge, die man ihm gemacht hatte, ernst gemeint; waren, und sich in ihrer ganzen Entwicklung erklärt haben würden, wenn er ihnen etwas länger sein Ohr geliehen hätte.
»Gut,« sagte er sich, »d’Artagnan ist Mazarin.«
Von diesem Augenblick an beobachtete er ihn mit außerordentlicher Klugheit.«
D’Artagnan seinerseits spielte verschlossenen als je.
»Aber Ihr habt einen Gedanken?« fuhr Athos fort.
»Allerdings, ich wollte von Euch Allen Rath einholen, um darauf bedacht zu sein, etwas zu thun, denn die Einen ohne die Andern sind wir immer unvollständig.«
»Allerdings. Ihr spracht mir von Porthos; habt Ihr ihn bestimmt, Vermögen zu suchen. Aber er besitzt Vermögen?«
»Ganz gewiß, er besitzt. Doch der Mensch ist einmal so, er wünscht immer etwas Anderes.«
»Und was wünscht Porthos«
»Baron zu sein.«
»Ah, das ist wahr; ich hatte es vergessen,« sprach Athos lachend.
»Es ist wahr?« dachte d’Artagnan, »und woher hat er es erfahren? Sollte er mit Aramis im Briefwechsel stehen? Ah! wenn ich das wüßte, so wüßte ich Alles.«
Hier endigte die Unterredung, denn gerade in diesem Augenblick erschien Raoul. Athos wollte ihn ohne Bitterkeit zanken, aber der junge Mensch sah so betrübt aus, daß er nicht den Muth hatte und sich unterbrach, um ihn zu fragen, was ihm wäre.
»Sollte es bei unserer jungen Nachbarin schlimmer gehen?« sprach d’Artagnan.
»Ach! Herr,« versetzte Raoul, beinahe unter dem Schmerze erstickend, »ihr Fall ist sehr ernst und der Arzt befürchtet, sie werde, wenn auch ohne scheinbare Mißstaltung, ihr ganzen Leben hinken.«
»Ah, das wäre furchtbar!« sprach Athos.
D’Artagnan hatte einen Scherz aus den Lippen, als er aber sah, welchen Antheil Athos an dem Unglück nahm, hielt er ihn zurück.
»O, Herr, was mich am meisten hierbei in Verzweiflung bringt,« versetzte Raoul, »ist der Umstand, daß ich die Ursache dieses Unglücks bin.«
»Wie Du, Raoul?« fragte Athos.
»Allerdings: ist sie nicht um zu mir zu laufen, von dem Holzstoße herabgesprungen?«
»Es bleibt Euch kein anderen Mittel, mein lieber Raoul, als sie zur Sühnung zu heirathen,« sagte d’Artagnan.
»Mein Herr,« entgegnete Raoul, »Ihr scherzt mit einem wahren Kummer: das ist schlimm!«
Und Raoul, der der Einsamkeit bedurfte, um nach Belieben weinen zu können, ging in sein Zimmer, das er erst zur Frühstücksstunde wieder verließ.
Das gute Einverständniß der zwei Freunde hatte sich nicht im Mindesten durch das Scharmützel um Morgen verändert: sie frühstückten mit dem besten Appetit und schauten von Zeit zu Zeit den armen Raoul an, der, die Augen feucht, das Herz schwer, kaum die Speisen berührte.
Am Ende des Frühstücks kamen zwei Briefe, welche Athos mit der größten Aufmerksamkeit las, ohne sich wiederholt eines Bebens enthalten zu können. D’Artagnan, der ihn diese Briefe von der Seite des Tisches an der andern lesen sah und dessen Gesicht äußerst scharf war schwor, er erkenne auf eine untrügliche Weise die kleine Handschrift von Aramis. Bei dem andern Brief nahm er eine lange, schwankende Frauenhandschrift wahr.
»Kommt,«