»Ihr macht puh!« rief Gorenflot, die Arme zum Himmel erhebend.
»Ja,« sagte Chicot entschlossen, »ich mache puh!«
»Aber warum? sprecht.«
»Schweinsrippchen waren unwürdig verbrannt.«
»Oh!«
»Die farcirten Ohren krachten nicht unter den Zähnen.«
»Oh!«
»Der Kapaun mit Reis schmeckte nur nach Wasser.«
»Gerechter Himmel!«
»Von der Kraftsuppe war das Fett nicht abgeschöpft.«
»Barmherzigkeit!«
»Man sah auf der Brühe ein Oel, das noch in meinem Magen schwimmt.«
»Chicot, Chicot!« seufzte Gorenflot mit demselben Tone, mit dem der verscheidende Cäsar: Brutus! Brutus! rief.
»Und dann könnt Ihr mir keine Zeit schenken.«
»Ich?«
»Ihr sagtet mir, Ihr hättet zu thun; habt Ihr das gesagt, ja oder nein? Es fehlte nur noch, daß Ihr zum Lügner würdet.«
»Nun! dieses Geschäft läßt sich verschieben. Ich habe nur eine Bittstellerin zu empfangen.«
»So empfangt sie.«
»Nein, nein, Herr Chicot, obgleich sie mir hundert Flaschen sicilianischen Wein geschickt hat.«
»Hundert Flaschen sicilianischen Wein?«
»Ich werde sie nicht empfangen, obschon sie wahrscheinlich eine sehr vornehme Dame ist; ich werde sie nicht empfangen; ich will nur Euch empfangen, theurer Herr Chicot. Sie wollte mein Beichtkind werden, die vornehme Dame, welche die Flaschen sicilianischen Wein in Hunderten schickt. Wenn Ihr es verlangt, verweigere ich ihr meinen geistlichen Rath, ich lasse ihr sagen, sie möge einen andern Beichtvater annehmen.«
»Dies Alles werdet Ihr thun?«
»Um mit Euch zu frühstücken, theurer Herr Chicot, um mein Unrecht gegen Euch wieder gut zu machen.«
»Euer Unrecht rührt von Eurem unbändigen Stolze her.«
»Ich werde mich demüthigen, mein Freund.
»Von Eurer unverschämten Trägheit.«
»Chicot, Chicot, von morgen an kasteie ich mich, indem ich meine Mönche alle Tage Uebungen vornehmen lasse.«
»Eure Mönche Uebungen?« versetzte Chicot, die Augen weit aufreißend, »und was für Uebungen, mit der Gabel?«
»Nein, mit den Waffen.«
»Waffenübungen?«
»Ja, und das Commandiren ist ermüdend.«
»Ihr commandirt bei den Uebungen der Jacobiner?«
»Ich gedenke wenigstens zu commandiren.«
»Von morgen an?«
»Von heute an, wenn Ihr es verlangt.«
»Und wer hat den Gedanken gehabt, Kuttenträger exerciren zu lassen?«
»Ich, wie es scheint.«
»Ihr, unmöglich.«
»Doch, ich habe dem Bruder Borromée Befehl gegeben.«
»Wer ist der Bruder Borromée?«
»Ah! ist wahr, Ihr kennt ihn nicht.«
»Wer ist es?«
»Der Säckelmeister.«
»Warum hast Du einen Säckelmeister, den ich nicht kenne, Einfaltspinsel?«
»Er ist hier seit Eurem letzten Besuche.«
»Und woher hast Du diesen Säckelmeister bekommen?«
»Der Herr Cardinal von Guise hat ihn mir empfohlen.«
»In Person?«
»Durch einen Brief,« mein lieber Herr Chicot durch einen Brief.
»Sollte es das Hühnergeier-Gesicht sein, das ich unten gesehen habe?«
»So ist es.«
»Der Mönch der mich meldete?«
»Ja.«
»Oh! oh!« machte Chicot unwillkührlich, »und welche Eigenschaft hat der vom Herrn Cardinal so warm unterstützte Säckelmeister?«
»Er rechnet wie Phythagoras.«
»Und mit ihm habt Ihr diese Waffenübungen beschlossen?«
»Ja, mein Freund.«
»Nämlich, er hat Euch vorgeschlagen, Eure Mönche zu bewaffnen, nicht wahr?«
»Nein, lieber Herr Chicot, der Gedanke ist von mir, ganz von mir.«
»Und in welcher Absicht?«
»In der Absicht, sie zu bewaffnen.«
»Keinen Stolz, verhärteter Sünder, der Stolz ist eine Todsünde; dieser Gedanke ist nicht Euch gekommen.»
»Mir oder ihm, ich weiß nicht mehr, ob mir oder ihm der Gedanke gekommen ist. Nein, nein, entschieden mir, es scheint sogar, daß ich bei dieser Gelegenheit ein sehr geistreiches und glänzendes lateinisches Wort gesprochen habe.«
Chicot näherte sich dem Prior.
»Ein lateinisches Wort, Ihr, mein lieber Prior?« sagte er, »und Ihr erinnert Euch diesen lateinischen Worts?«
»Militat spiritu…«
»Militat spiritu, militat gladio.«
»So ist es, so ist es!« rief Dom Modeste ganz begeistert.
»Gut, gut,« sprach Chicot, »man kann sich unmöglich freundlicher entschuldigen, als Ihr es thut, Dom Modeste; ich verzeihe Euch.«
»Oh!« machte Gorenflot voll Rührung.
»Ihr seid stets mein Freund, mein wahrer Freund.«
Gorenflot wischte eine Thräne ab.
»Aber wir wollen frühstücken und ich will nachsichtig gegen das Frühstück sein.«
»Hört,« sprach Gorenflot begeistert, »ich werde dem Bruder Küchenmeister sagen, wenn das Essen nicht königlich sei, so lasse ich ihn einstecken.«
»Thut das, Ihr seid der Herr.«
»Und wir wollen einige von den Flaschen des Beichtkindes entpfropfen.«
»Ich werde Euch mit meiner Erleuchtung unterstützen, mein Freund.«
»Erlaubt, daß ich Euch umarme, Chicot.«
»Erstickt mich nicht und laßt uns plaudern.«
Fünftes Kapitel
Die Tischgenossen
Gorenflot brauchte nicht lange, um seine Befehle zu geben.
War der würdige Prior auf der aufsteigenden Linie, wie er dies behauptete, so war er es besonders in dem man die Einzelheiten eines Mahles und die Fortschritte der culinarischen Wissenschaft betraf.
Dom Modeste ließ den Bruder Eusèbe rufen, der nicht vor seinem Oberen, sondern vor seinem Richter erschien. Aus der Art und Weise, wie man ihn vorgefordert, hatte er errathen können, daß etwas Außerordentliches bei dem ehrwürdigen Prior vorging.
»Bruder Eusèbe,« sprach Gorenflot mit strengem Tone, »hört, was Herr Robert Briquet, mein Freund, Euch sagen wird. Ihr vernachläßigt Euch, wie es scheint. Ich habe über schwere Unpünktlichkeiten bei Eurer letzten Kraftsuppe und über eine unselige Unachtsamkeit hinsichtlich des Krachens Eurer Ohren klagen hören. Nehmt Euch in Acht, Bruder Eusèbe, ein einziger Schritt auf dem schlimmen Weg zieht den ganzen Körper nach sich.«
Der Mönch erröthete und erbleichte abwechselnd und stammelte eine Entschuldigung, welche nicht angenommen