»Die Strafe hat auch eine gehörige Wirkung hervorgebracht; ich glaubte, man würde sich empören, die Augen glänzten, die Zähne klapperten.«
»Das ist ganz natürlich, sie hatten Hunger.«
»Sie hatten Hunger, nicht wahr?«
»Ganz gewiß.«
»Ihr sagt es, Ihr glaubt es?«
»Ich bin dessen sicher.«
»Nun, ich habe an jenem Abend eine seltsame Erscheinung wahrgenommen, die ich der Analyse der Wissenschaft empfehlen werde; ich berief den Bruder Borromée und gab ihm meine Instructionen in Betreff dieser Entziehung einer Platte, der ich, als ich die Meuterei sah, die Entziehung den Weins beifügte.
»Nun?«
»Um mein Wort zu krönen, befahl ich eine neue Uebung, da ich die hydra den Aufruhrs zu Boden treten wollte; die Psalmen sagen das, Ihr wißt; wartet doch: Cabis poriabis diagonem, ei! Ihr kennt das, Gottes Tod!«
»Proculcabis draconem,« sagte Chicot und schenkte dem Prior Wein ein.
»Draconem, so ist es, bravo! Ah! was die Drachen betrifft, eßt doch von diesem Aal, er ist vortrefflich.«
»Ich danke, ich kann nicht mehr schnaufen; doch erzählt, erzählt.«
»Was?«
»Eure seltsame Erscheinung.«
»Welches ich erinnere mich nicht mehr.«
»Diejenige, welche Ihr den Gelehrten empfehlen wolltet.«
»Ah! ja, nun entsinne ich mich.«
»Ich höre.«
»Ich verordne also eine Uebung für den Abend; ich glaubte, ich würde meine Bursche geschwächt, bleich schwitzend sehen, und hatte eine ziemlich hübsche Rede über den Texte:Derjenige, welcher mein Brod ißt, vorbereitet.«
»Trockenes Brod? Ganz richtig, trockenen Brod,« rief Gorenflot und riß mit einem cyklopischen Gelächter seine mächtigen Kinnladen auseinander und hatte mit dem Worte gespielt. »Ich lachte zum Voraus eine Stunde lang ganz allein, als ich mitten im Hofe eine Truppe belebter nerviger, wie Heuschrecken hüpfender Bursche fand, und dies ist die Illusion, über welche ich die Gelehrten befragen will.«
»Eine Illusion!«
»Und nach Wein rochen sie auf eine Meile.
»Nach Wein? Bruder Borromée hatte Euch also hintergangen?«
»Oh! des Borromée bin ich sicher,« rief Gorenflot, »das ist der leidende Gehorsam in Person; wenn ich dem Bruder Borromée sagte, er solle sich am kleinen Feuer rösten, er würde selbst den Rost holen und ein Reisbüschel anzünden.«
»Das heißt ein schlechter Physiognomiker sein,« erwiederte Chicot, indem er sich an der Nase kratzte, »auf mich macht er nicht diesen Eindruck.«
»Es ist möglich, doch ich kenne meinen Borromée, siehst Du, wie ich Dich kenne, mein lieber Chicot,« sprach Gorenflot, der trunken werdend zugleich auch zärtlich wurde.
»Und Du sagst, sie haben nach Wein gerochen?«
»Borromée?«
»Nein, Deine Mönche.«
»Wie die Fässer, abgesehen davon, daß sie roth waren wie gesottene Krebse; ich machte diese Bemerkung gegen Borromée.«
»Bravo!«
»Ah! ich schlafe nicht.«
»Und was hat er geantwortet?«
»Warte, das war sehr subtil.«
»Ich glaube es.«
»Er antwortete, das sehr lebhafte natürliche Verlangen bringe dieselben Wirkungen hervor, wie die Befriedigung.«
»Oh! oh!« machte Chicot, »alle Wetter! das ist in der That äußerst subtil, wie Du sagst. Dein Borromée ist sehr stark, ich wunderte mich, daß er eine so schmale Nase und so dünne Lippen hat. Und das überzeugte Dich?«
»Ganz und gar, und Du wirst selbst überzeugt werden, nähere Dich ein wenig, denn ich kann mich nicht mehr ohne einen Schwindel rühren.«
Chicot rückte näher. Gorenflot machte aus seiner Hand einen akustischen Trichter, den er an das Ohr von Chicot hielt.
»Nun?« fragte Chicot«
»Warte doch, ich will mich kurz fassen. Erinnerst Du Dich noch der Zeit, wo wir jung waren, Chicot?«
»Ich erinnere mich.«
»Der Zeit, wo das Blut brannte… wo unehrbare Gelüste?…«
»Prior! Prior!« rief der keusche Chicot.
»Borromée spricht, und ich behaupte, er hat Recht; brachte ein sehr lebhaftes Verlangen nicht zuweilen die Illusionen der Wirklichkeit hervor?«
Chicot lachte so heftig, daß der Tisch mit den Flaschen zitterte, wie der Boden einen Schiffes.
»Gut, gut,« sagte er, »ich werde in die Schule von Bruder Borromée gehen, und wenn mich seine Theorien gehörig durchdrungen haben, werde ich Euch um eine Gnade bitten, mein Ehrwürdiger.«
»Und sie soll Euch bewilligt werden, wie Alles was Ihr von Eurem Freunde verlangt. Sprecht nun, was für eine Gnade?«
»Beauftragt mich nur acht Tage lang mit der Oekonomie-Verwaltung der Priorei.«
»Und was wollt Ihr während dieser acht Tage thun?«
»Ich werde den Bruder Borromée mit seinen Theorien füttern, ihm eine Platte und ein leeres Glas vorsetzen und ihm sagen: verlangt mit der ganzen Macht Euers Hungers und Euren Durstes ein wälsches Huhn mit Champignons und eine Flasche Chambertin, aber nehmt Euch in Acht, daß Ihr Euch nicht mit diesem Chambertin berauscht, nehmt Euch in Acht vor einer Indigestion durch dieses wälsche Huhn, lieber Bruder Philosoph.«
»Du glaubst also nicht an das natürliche Verlangen, Heide?« sagte Gorenflot.
»Es ist gut! es ist gut! ich glaube, was ich glaube, doch lassen wir die Theorien.«
»Es sei, lassen wir sie und sprechen wir ein wenig von der Wirklichkeit,« versetzte Gorenflot. Und er füllte sich ein Glas.
»Auf die gute Zeit, von der Du vorhin sprachst, Chicot,« sagte er, »auf unsere Abendbrode im Füllhorn!«
»Bravo, ich glaubte, Du hättest dies Alles vergessen, Ehrwürdiger.«
»Profaner, dies Alles schläft unter der Majestät meiner Stellung; aber ich, bin, bei Gott! immer derselbe.«
Und Gorenflot stimmte, obgleich ihn Chicot wiederholt zum Schweigen ermahnte, sein Lieblingslied an.
»Riecht der Esel nur die Weid,
Spitzt er stracks das lange Ohr,
Ist die Flasch’ vom Kork befreit,
Spritzet wilder Wein empor.
Doch nichts ist so ausgelassen,
Als der Mönch vom Wein erhitzt,
Der sich tollt in Schenk und Gassen,
Wenn die Freiheit ihm geblitzt.«
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