Im Jahr 1839 wurde in England die „Britische Foreign and Anti-Slavery Society“ gegründet. Sie ist die älteste Menschenrechtsorganisation der Welt; heute firmiert sie unter dem Namen Anti-Slavery International und setzt sich gegen „moderne Sklaverei“ ein (zu diesem Begriff siehe unten S. 77).
1841 schlossen Österreich, Großbritannien, Russland, Frankreich und Preußen einen Vertrag, durch den sie sich verpflichteten, die Abschaffung der Sklaverei voranzutreiben und in dem ein Recht geschaffen wurde, Schiffe anzuhalten und zu durchsuchen, die des Sklavenhandels verdächtigt wurden. Nach einer Konferenz über Zentralafrika im Jahr 1885 schlossen 1890 18 Staaten einen Vertrag, der Maßnahmen zur Bekämpfung der Sklaverei vorsah. Dennoch dauerte es bis 1926, bis schließlich das Sklavereiabkommen abgeschlossen wurde, das Sklaverei und Sklavenhandel für illegal erklärte und Maßnahmen vorsah, um sie zu beenden.
Die Abschaffung der Sklaverei ist ein frühes Beispiel dafür, wie aufgrund eines wachsenden internationalen Konsenses Menschenrechte Eingang in das internationale Recht fanden.
Ein weiteres Beispiel hierfür ist, wie erwähnt, das humanitäre Völkerrecht. Es handelt sich dabei um Regelungen, die bei internationalen militärischen Konflikten gelten. Sie gingen von Anweisungen aus, die der amerikanische Präsident Lincoln während des Bürgerkrieges an seine Truppen für den Umgang mit der Zivilbevölkerung, Kriegsgefangenen und anderen Gruppen erließ („Lieber Code“ nach Francis Lieber, der den Code im Auftrag des Präsidenten abfasste).16 In Europa wurden sie maßgeblich durch die Initiative des Geschäftsmannes und Philanthropen Henri Dunant gefördert. Dunant war nach der Schlacht von Solferino erschüttert von der Lage der Verwundeten und dem Elend des Schlachtfeldes gewesen. Er gründete das „Internationale Komitee des Roten Kreuzes“. Dieses trieb die Idee bestimmter Regeln voran, um militärische Konflikte möglichst humanitär durchzuführen. Solche Regeln wurden schließlich zwischen zahlreichen Ländern in Form der Haager Konventionen, die Methoden der Kriegsführung zum Gegenstand haben, sowie der Genfer Konventionen erlassen, die sich mit dem Umgang mit Gefangenen, Verwundeten und anderen Personen befassen, die nicht mehr an Kampfhandlungen beteiligt sind. Die Regeln des humanitären Völkerrechtes betreffen nur bestimmte Gruppen in der Ausnahmesituation eines bewaffneten Konfliktes. Sie sind aber ein Beispiel für internationale Vereinbarungen, die bestimmte Verhaltensregeln aus der menschlichen Würde von Personen herleiten. Sie sind daher als „Menschenrechte in internationalen Konflikten“ bezeichnet worden.17 Insofern sind sie ein Vorläufer des internationalen Schutzes der Menschenrechte.
Nach der Pariser Friedenskonferenz von 1919, die den Ersten Weltkrieg beendete, wurde der Völkerbund („League of Nations“) gegründet. Er sollte nach der Präambel seines Gründungsvertrages den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit fördern und dadurch Krieg als die größte Bedrohung des menschlichen Lebens verhindern.18 Der Völkerbund hatte kein ausdrückliches Mandat zum Schutz der Menschenrechte.19 Da man davon ausging, dass die Behandlung bestimmter Minderheiten – vor allem in den europäischen Staaten – eine Gefahr für den Frieden mit sich bringen konnte, mussten Staaten, die dem Völkerbund beitreten wollten, bestimmte Verträge zum Schutz von Minderheiten unterzeichnen. Die Verträge sahen vor allem den Schutz des Lebens und der Freiheit, Religionsfreiheit und Freiheit von Diskriminierung, aber auch bestimmte Minderheitenrechte wie den Gebrauch der eigenen Sprache oder Erziehung entsprechend der eigenen Kultur vor.20 Der Völkerbund war für die Überwachung der Einhaltung dieser Verträge zuständig.21 Angehörige der genannten Minderheiten oder Organisationen, die ihre Interessen vertraten, konnten sich an den Völkerbund wenden, der in einem geregelten Verfahren versuchte, eine Lösung herbeizuführen.22
Darüber hinaus sah der Gründungsvertrag des Völkerbundes die Errichtung eines permanenten Internationalen Gerichtshofes vor, der (unter anderem) bei Disputen über Minderheitenrechte angerufen werden konnte.
Der Schutz von Minderheiten durch den Völkerbund unterscheidet sich vom heutigen Menschenrechtsschutz unter anderem darin, dass er nicht auf Individuen, sondern auf Gruppen ausgerichtet war. Auch war die Arbeit des Völkerbundes nicht effektiv. Dennoch stellt er einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur Verankerung von Menschenrechten im internationalen Recht dar.23
Wie die Gründung des Völkerbundes sah der Vertrag von Versailles auch die Gründung der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organisation – ILO) vor. Der Schutz der Arbeiterschaft und die „soziale Frage“ waren wichtige Themen des 19. Jahrhunderts gewesen24. Die Teilnehmer der Pariser Friedenskonferenz waren sich daher einig darüber, dass „der Völkerbund die Begründung des Weltfriedens zum Ziel hat“ und „ein solcher Friede nur auf dem Boden der sozialen Gerechtigkeit gebaut werden kann“.25 Sie konstatierten „da ferner Arbeitsbedingungen bestehen, die für eine große Anzahl von Menschen mit so viel Ungerechtigkeit, Elend und Entbehrungen verbunden sind, dass eine den Weltfrieden und die Welteintracht gefährdende Unzufriedenheit entsteht, und da eine Verbesserung dieser Bedingungen dringend erforderlich ist, zum Beispiel hinsichtlich der Regelung der Arbeitszeit, der Festsetzung einer Höchstdauer der Arbeitstage und der Arbeitswoche, der Regelung des Arbeitsmarkts, der Verhütung der Arbeitslosigkeit, der Gewährleistung von Löhnen, welche angemessene Lebensbedingungen ermöglichen, des Schutzes der Arbeiter gegen allgemeine und Berufskrankheiten sowie gegen Arbeitsunfälle, des Schutzes der Kinder, Jugendlichen und Frauen, der Alters- und Invalidenunterstützung, des Schutzes der Interessen der im Ausland beschäftigten Arbeiter, der Anerkennung des Grundsatzes der Freiheit gewerkschaftlichen Zusammenschlusses, der Gestaltung des beruflichen und technischen Unterrichts und ähnlicher Maßnahmen, da endlich die Nichtannahme einer wirklich menschlichen Arbeitsordnung durch irgendeine Regierung die Bemühungen der anderen auf die Verbesserung des Loses der Arbeiter in ihrem eigenen Lande bedachten Nationen hemmt“ und sahen die Gründung der ILO vor, die sich dieser Fragen annehmen sollte.
In der ILO arbeiteten Vertreter der Regierungen, der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zusammen. Bereits in den ersten zwei Jahren ihrer Existenz verabschiedete die ILO zehn Konventionen, die sich mit Kernfragen der Arbeitsorganisation wie Mutterschutz, Kinderarbeit, Arbeitslosigkeit und Arbeitszeiten befassten. Nach dem Ende des Völkerbundes wurde die ILO in die Vereinten Nationen überführt. ILO-Konventionen und Standards spielen heute noch eine wichtige Rolle; auch das LkSG nimmt auf sie Bezug. Für die Entwicklung des Systems des internationalen Schutzes der Menschenrechte ist die ILO unter anderem deshalb von Bedeutung, weil hier früh das soziale und ökonomische Element der Menschenrechte deutlich wird, das auch für den vorliegenden Zusammenhang wichtig ist.
2) Die Zeit nach dem 2. Weltkrieg
Der eigentliche Beginn des internationalen Schutzes der Menschenrechte fällt in die Periode nach dem 2. Weltkrieg. Die Erfahrungen des Nationalsozialismus hatten gezeigt, dass der Schutz der Menschenrechte auf nationaler Ebene nicht effektiv war. Die Ausbreitung des Stalinismus und Kommunismus stellten eine ständige Bedrohung für Grund- und Freiheitsrechte dar.
Bereits während des Krieges entstanden Pläne für die Nachkriegsordnung, die auch den Schutz der Menschenrechte mit einbezogen. Der amerikanische Präsident Roosevelt sprach 1941 in einer Rede an den amerikanischen Kongress von einer Welt, die auf vier Freiheiten gegründet sei, die Meinungsfreiheit, die Freiheit, Gott auf seine eigene Art zu verehren, die Freiheit von Mangel und die Freiheit von Angst. Winston Churchill sprach 1942 von einer Zeit, in der der Kampf der Welt mit der Inthronisierung der Menschenrechte enden werde.26 Im gleichen