Praxisleitfaden
Lieferkettensorgfalts-
pflichtengesetz
von
Holger Hembach
Fachmedien Recht und Wirtschaft | dfv Mediengruppe | Frankfurt am Main
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN: 978-3-8005-1802-9
© 2022 Deutscher Fachverlag GmbH, Fachmedien Recht und Wirtschaft, Frankfurt am Main
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Printed in Germany
Vorwort
Die Debatte im Vorfeld der Verabschiedung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes war von ideologischen Gegensätzen und heftigen Debatten geprägt. Nun ist das Gesetz verabschiedet und Unternehmen sehen sich mit der Frage konfrontiert, wie sie es umsetzen sollten. Das Buch versucht hier eine erste Annäherung. Es ist unter doppelt schwierigen Bedingungen entstanden. Einerseits ist Literatur zum Gesetz naturgemäß noch rar. Andererseits waren Bibliotheken aufgrund der Corona-Pandemie lange Zeit nicht oder nur sehr eingeschränkt zugänglich. Beides hat dazu beigetragen, dass ich auch in großem Umfang auf frei im Internet zugängliche Quellen wie Ratgeber von Nichtregierungsorganisationen, internationalen Organisationen oder Wirtschaftsvereinigungen zurückgegriffen habe.
Ich danke dem Verlag für die engelsgleiche Geduld beim Warten auf das Manuskript und würde mich über Rückmeldungen und Anregungen zum Buch unter der e-mail: [email protected] freuen.
Bergisch Gladbach im Februar 2022
A) Einführung
Milton Friedmann schrieb Anfang der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts in seinem Buch „Kapitalismus und Freiheit“: „Es gibt eine, und nur eine, soziale Verantwortung eines Unternehmens – seine Ressourcen zu nutzen und Aktivitäten vorzunehmen, die dazu dienen, seine Profite zu steigern, solange es die Regeln beachtet, das bedeutet, sich an einem offenen und freien Wettbewerb ohne Täuschung oder Betrug beteiligt“.1
Unternehmen vertreten diese Auffassung, zumindest offen, kaum noch. Sie bekennen sich zum großen Teil zu ihrer Verantwortung für die Gesellschaft und die Umwelt. Dabei sehen sie sich Druck von verschiedenen Seiten ausgesetzt. Konsumenten und Mitarbeiter erwarten, dass Unternehmen hohen Standards in Bereichen wie Menschenrechte, Umweltschutz, Diversität und Inklusion gerecht werden. Davon machen sie in vielen Fällen Konsumentscheidungen oder Entscheidungen darüber, wo sie tätig werden möchten, abhängig.
Darüber hinaus spielen derartige Faktoren häufig auch bei Entscheidungen über Investitionen eine Rolle. 2006 entwickelte eine Gruppe institutioneller Investoren mit Unterstützung der UN die „Principles for Responsible Investment“; zahlreiche Investoren, darunter der weltweit größte Vermögensverwalter Blackrock, haben sich dieser Initiative angeschlossen. Die Prinzipien besagen im Wesentlichen, dass Investoren verstärkt sogenannte ESG-Kriterien bei Investitionen berücksichtigen werden und von Unternehmen Informationen hierzu verlangen.
Das Kürzel ESG steht für Environment, Social, Governance. Der Begriff geht zurück auf einen Bericht den die Finanz-Initiative des UN Umweltprogramms (UNEP Finance Initiative) 2004 veröffentlichte. Dieser trug den Titel „The Materiality of Social, Environmental and Corporate Governance Issues to Equity Pricing“ und befasste sich mit den möglichen finanziellen Folgen des Klimawandels, Beschäftigungsrisiken und Risken der öffentlichen Gesundheit, politischen Rechten und der Unternehmensführung,
Im Anschluss daran wurde im Auftrag der UNEP Finance Initiative 2005 ein Bericht mit dem Titel „A legal framework for the integration of environmental, social and governance issues into institutional investment“ veröffentlicht, der den Begriff in der heute üblichen Form etablierte. Er definierte ESG-Themen als solche, die eines oder mehrer der folgenden Charakteristika aufweisen:
• Sie sind im Fokus der öffentlichen Anliegen
• Sie sind qualitativ und nicht ohne weiteres finanziell mess- oder bewertbar
• Sie spiegeln äußere Faktoren wider, die von Marktmechanismen nicht gut erfasst werden (wie beispielsweise Umweltverschmutzung)
• Sie sind häufig der Gegenstand eines strenger werdenden regulatorischen Rahmens
• Sie tauchen in der Lieferkette eines Unternehmens auf
ESG-Kriterien sollen danach in zweifacher Hinsicht eine Rolle bei Entscheidungen über Investitionen spielen. Einerseits können sie Einfluss auf die künftige Wertentwicklung und damit das Risiko einer Anlage haben; andererseits sind sie bei der Einschätzung der Folgen eines Investments für die gesamte Gesellschaft zu berücksichtigen.
Inzwischen wird der Begriff ESG häufig auch allgemeiner im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit und der sozialen Verantwortung von Unternehmen gebraucht.
Schließlich haben auch Staaten ein Interesse daran, dass Unternehmen sich ihrer Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt bewusst sind. Die Transformationsprozesse, die in vielen Bereichen als notwendig oder wünschenswert angesehen werden – beispielsweise, um den Klimawandel zu bekämpfen – sind häufig ohne Mitwirkung der Wirtschaft kaum zu bewältigen.2
Unternehmen haben auf diese Erwartungen in der Vergangenheit vor allem im Rahmen ihrer „Corporate Social Responsibility“ geantwortet. Allerdings sind solche Maßnahmen und ihre Ergebnisse für Verbraucher nur schwer überprüfbar. Aus Sicht des Unternehmens kann es daher genug sein, wenn Konsumenten glauben, das Unternehmen sei besonders nachhaltig.3 Das hat zum sogenannten „green-washing“ geführt, also den Versuch, das eigene Unternehmen oder bestimmte Produkte als ökologisch oder sozial besonders verantwortungsvoll darzustellen, ohne diesem Standard tatsächlich gerecht zu werden.
Eine mögliche Antwort darauf ist Transparenz. Je besser Verbraucher sich informieren können, wie „nachhaltig“ oder „fair gehandelt“ Produkte wirklich sind, desto geringer ist die Gefahr des Greenwashing. Es gibt inzwischen ein große Zahl and Siegeln und Zertifikaten, die bestätigen, dass Unternehmen oder Produkte bestimmten Anforderungen genügen. Gerade durch ihre Vielzahl erschweren sie aber die Information, denn kaum jemand möchte sich vor einer Kaufentscheidung zunächst ausführlich damit auseinander setzen, was ein bestimmte Zertifikat oder Siegel bestätigt und was nicht.
Auch der Gesetzgeber versucht in bestimmten Bereichen, die Transparenz zu erhöhen. Regelungen wie der UK Modern Slavery Act (dazu unten S. 28) oder die EU-Konfliktmineralienverordnung verpflichten Unternehmen zu bestimmten Informationen, um bestimmte Probleme im Zusammenhang mit der Produktion oder der Herkunft von Gütern sichtbar zu machen. Die Wirksamkeit solcher Maßnahmen wird von vielen bezweifelt.4
Deshalb gibt es international vermehrt Regelungen, die Unternehmen zu konkreten Maßnahmen verpflichten, um den Schutz von Menschenrechten und Umwelt zu gewährleisten. In dieses Umfeld fügt sich das LkSG ein.
Das Gesetz gehörte zu den umstrittensten der letzten Legislaturperiode. Die Kritik entzündete sich sowohl am Konzept des LkSG