1. Modernisierung total, aber für wen?
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Im Jahre 2002 hat das Schuldrechtsreformgesetz das Verbraucherkreditgesetz ins BGB verpflanzt. Dann hat das Gesetz vom 29.7.2009 (BGBl I, 2355) zum 11.6.2010 ein fast neues Verbraucherdarlehen produziert. Der Versuch, in einem Aufwaschen sowohl die Zahlungsdienst-Richtlinie 2007/64 EG als auch die Verbraucherkredit-Richtlinie 2008/48 EG in verständliches deutsches Recht zu verwandeln, ist gründlich misslungen.
Inzwischen ist das Verbraucherdarlehen wiederholt nachgebessert worden, zuletzt weit ausholend durch das Gesetz zum Wohnimmobiliardarlehen vom 11.3.2016, und derzeit auf drei- unddreißig übergewichtige Vorschriften angewachsen, deren Verständlichkeit mit ihrem Umfang nicht Schritt hält. Offenbar wird die Verfallzeit des Verbraucherschutzrechts von Nachbesserung zu Nachbesserung immer kürzer, seine Qualität dagegen immer schwächer. Der Gesetzgeber scheut sich nicht, derart windige neue Rechtsbegriffe zu erfinden wie den Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag in § 491 II 1 und den Immobilienverzehrkreditvertrag in § 491 III 4. Und warum wird das Immobiliarverbraucherdarlehen nicht in ein paar wenigen kompakten Vorschriften geregelt, sondern von § 491 bis § 511 stückweise in alle Winde verstreut, wo es nur schwer zu finden ist?
Das neue Recht zum Verbraucherdarlehen bildet ein nahezu undurchdringliches Dickicht aufgeblähter, schwerfällig formulierter Vorschriften und lässt all das vermissen, was man von einem ordentlichen Gesetz erwarten darf: ein durchsichtiges System und eine präzise Formulierung. Vergessen und verloren ist die hohe Kunst der Verfasser des BGB von 1900, das, was zu regeln ist, in ebenso knappe wie präzise Paragraphen zu gießen. Stattdessen treibt das neue Recht des Verbraucherdarlehens die Verweisungstechnik auf die Spitze. Den Vogel schießt § 492 II mit seiner Verweisung auf Art. 247 §§ 6-13 EGBGB ab. Wer erfahren will, welche Angaben ein modernisierter Verbraucherdarlehensvertrag enthalten soll, darf dreieinhalb Seiten Gesetzestext lesen. Und das ist nur das schlimmste Beispiel. Wie kann ein Gesetz, das nicht einmal der Jurist versteht, den Verbraucher schützen[58]. Längst vergessen ist die Rüge des Bundesverfassungsgerichts, der Gesetzgeber verletze das Rechtsstaatsgebot des Art. 20 III GG, wenn er seine Gesetze nicht so verfasse, dass auch der betroffene Bürger sie verstehen und sein Verhalten danach richten könne[59]. Man muss dem kreditbedürftigen Verbraucher raten, einen promovierten und habilitierten Spezialisten für Verbraucherschutzrecht mit zur Bank zu nehmen, wenn er die Segnungen des modernen Verbraucherschutzes nutzen will.
2. Das gesetzliche System des Verbraucherdarlehens und seiner Ableger
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Die besonderen Vorschriften der §§ 491-505e für Verbraucherdarlehen gelten nach § 491 I 1, soweit nichts anders bestimmt ist, für alle Verbraucherdarlehen, das sind nach § 491 I 2 Allgemein-Verbraucherdarlehen und Immobiliar-Verbraucherdarlehen. Der Rechtsanwender mag im Wust der zitierten Vorschriften suchen, ob er etwas anderes findet. Eine praktikable gesetzliche Vorschrift ist das nicht.
Allgemein-Verbraucherdarlehen sind nach § 491 II 1 entgeltliche Darlehen, die ein Unternehmer einem Verbraucher verspricht[60].
§ 491 II 2 zählt in 6 Ziffern diejenigen Darlehen auf, die ausnahmsweise keine AllgemeinVerbraucherdarlehen sind, darunter in Ziff.6 die Immobiliar-Verbraucherdarlehen und die Immobilienverzehrkredite (was ist denn das?, Versuch einer Definition in § 491 III 4).
Immobiliar-Verbraucherdarlehen sind nach § 491 III 1 entgeltliche Darlehen eines Unternehmers an einen Verbraucher, die durch ein Grundpfandrecht oder eine Reallast gesichert oder für den Erwerb oder Erhalt des Grundeigentums oder eines Gebäudes oder grundstücksgleichen Rechts bestimmt sind. Dazu gehören nach § 491 III 2-4 neben ein paar anderen Darlehen nicht die Immobiliarverzehrkredite.
Gemäß § 491 IV sind die §§ 358 II, IV, 491a-495, 505a-505e nicht anwendbar auf Darlehen, die in ein gerichtliches Protokoll nach der ZPO aufgenommen oder durch einen Gerichtsbeschluss über einen Vergleich festgestellt sind, wenn darin auch der Sollzinssatz, die Kosten des Darlehens und deren Anpassung vermerkt sind.
Die Waffen des Verbraucherschutzes sind:
- | die Schriftform und der Mindestinhalt des Darlehensvertrags (§§ 492, 494); |
- | die Informationspflicht des Darlehensgebers (§§ 491a, 493); |
- | das Widerrufsrecht des Verbrauchers (§ 495) und sein Durchgriff auf das verbundene Geschäft (§§ 358, 359); |
- | das erweiterte Kündigungsrecht des Verbrauchers (§ 500); |
- | die Unwirksamkeit abweichender Abreden (§ 512). |
Bild 32: Das Verbraucherdarlehen
3. Die Voraussetzungen des Verbraucherdarlehens
Das Verbraucherdarlehen ist nach § 491 I, II ein entgeltlicher Darlehensvertrag zwischen einem Unternehmer, der es gewähren soll, und einem Verbraucher, der es haben will. Die Beweislast trägt der Darlehensnehmer, der als Verbraucher Schutz sucht.
Unternehmer ist nach § 14 I jede natürliche oder juristische Person und nach § 14 II jede rechtsfähige Personengesellschaft, die beim Abschluss eines Rechtsgeschäfts ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit ausübt[61].
Verbraucher ist nach § 13 jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft überwiegend zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann[62].
Darlehensnehmer ist der Verbraucher auch als einer von mehreren Gesamtschuldnern[63], und er wird es durch Beitritt zu einem fremden Darlehensvertrag[64] oder Übernahme einer fremdem Darlehensschuld[65].
Kein Darlehensnehmer ist der Bürge, der für eine fremde Darlehensschuld einstehen soll[66]. Kein Darlehensnehmer ist der Eigentümer, der sein Grundstück als Sicherheit für eine fremde Darlehensschuld mit einem Grundpfandrecht belastet und nur dinglich haftet[67].
4. Schriftform und Inhalt des Darlehensvertrags
4.1 Die Schriftform
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Nach § 492 muss das Verbraucherdarlehen, wenn keine strengere Form vorgeschrieben ist, schriftlich vereinbart werden (I 1), jedoch können, abweichend von § 126 II, die beiden Vertragserklärungen