b) Border Tax Adjustments (BTA)
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Bevor die unilateralen Klimaschutzmaßnahmen im Einzelnen an den WTO Vorgaben gemessen werden, ist es zunächst erforderlich, welche Maßnahmen hier genau in Frage kommen. Im hier interessierenden Kontext unilateraler Klimapolitik hat das BTA die Aufgabe, einen Ausgleich für die Mehrkosten der Klimaschutzmaßnahmen inländischer Hersteller zu bewirken, damit diese im Wettbewerb mit der ausländischen Konkurrenz auf den heimischen Märkten nicht schlechter gestellt sind.[74] Außerdem soll dadurch Carbon Leakage verhindert werden. Solche BTA sind so lange erforderlich, wie es kein weltweit verbindliches Klimaschutzabkommen gibt und damit wohl noch sehr lange.
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Konkret käme folgendes BTA in Frage: Ein Staat oder die gesamte EU will im Inland, um die globalen Emissionen zu verringern und dadurch den Klimaschaden zu begrenzen, eine unilaterale Klimaschutzpolitik in Form einer CO2-Steuer einführen während dies andere Staaten oder Weltregionen nicht tun. Die inländischen Produzenten zahlen dann einen CO2-Preis und internalisieren einen Teil des externen Effekts, der sich aus ihrer Produktion ergibt. Dies führt zu einer Schlechterstellung der inländischen Anbieter und auch zu Carbon Leakage. Um diesen negativen Effekten entgegenzuwirken, erhebt das Inland/die EU ein BTA in Form eines Import-BTA, analog einem Importzoll. Die Bemessungsgrundlage sowohl für die CO2-Steuer als auch für das BTA ist der CO2-Ausstoß je Produkt. Sie orientiert sich also am Carbon Footprint und sorgt damit für eine gleich hohe Belastung. Die ausländischen Emissionen sollen durch das BTA genauso hoch belastet werden wie die inländischen mit der CO2-Steuer. Damit handelt es sich mit der CO2-Steuer und dem BTA um ein auf das gleiche Ziel gerichtetes komplementäres Maßnahmenpaket im Sinne des GATT.[75]
c) Inländergleichbehandlung
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Art. II:2 Buchst. a GATT ermöglicht, auf importierte Güter die gleichen Steuern und Gebühren aufzuerlegen wie auf inländische. Das Ziel von BTA entsprechend Art. II:2 Buchst. a GATT ist, Wettbewerbsneutralität von Steuern und Gebühren zu gewährleisten. Der Status quo der Wettbewerbsbedingungen darf weder de jure noch de facto beeinträchtigt werden. Es ist dabei aus WTO-rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden und muss daher auch nicht über die Ausnahmeregelungen des GATT gerechtfertigt werden, wenn es dem Grundsatz der Inländergleichbehandlung genügt, d.h. nicht diskriminierend wirkt. Da es sich um eine Steuer handelt, ist Art. III:2 GATT einschlägig. Danach müssen gleiche Produkte (like products) gleichartig behandelt werden.
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Die entscheidende Frage ist damit, ob Produkte, deren Herstellung zu verschieden hohen CO2-Emissionen geführt haben, gleichartige Produkte i.S.d. Art. III:2 GATT sind. Die GATT Rechtsprechung definiert gleichartige Produkte folgendermaßen:
- | physische Eigenschaften |
- | Verwendungsmöglichkeit |
- | Substituierbarkeit im Wettbewerb aufgrund Geschmack und Kundengewohnheiten |
- | präzise Einordnung in internationale Zolltarifklassen.[76] |
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Da die Verwendungsmöglichkeit und die Einordnung in die jeweiligen Zolltarifklassen bei CO2-intensiv hergestellten Produkten genauso ist wie bei CO2-arm hergestellten Produkten, entscheidet sich die Frage der Like Products an den physischen Eigenschaften und den Konsumgewohnheiten der Verbraucher.
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In Bezug auf die physischen Eigenschaften werden Produkte von Herstellungsmethoden unterschieden. Bei den herstellungsbezogenen Maßnahmen unterscheidet man wiederum solche, die im Produkt sichtbar werden von jenen, die nicht sichtbar werden. Erstere sind als Unterscheidungskriterium erlaubt, letztere nicht.[77] Da CO2 weder im Endprodukt sichtbar ist noch als Input qualifiziert werden kann, müssten CO2-arm hergestellte Produkte nach dem Kriterium der physischen Eigenschaften genauso behandelt werden wie CO2-intensiv hergestellte und ansonsten gleiche Produkte. Danach lässt sich anhand aller vier Kriterien keine Ungleichheit von Produkten begründen, wenn diese sich nur durch einen unterschiedlichen CO2-Ausstoß bei ihrer Herstellung unterscheiden.[78]
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Damit ist nächstes zu klären, ob die nach Art. III:2 GATT (juristisch) gleichen Produkte ungleich behandelt werden. Eine unzulässige Diskriminierung liegt vor, wenn entweder gleiche Produkte ungleich behandelt werden oder wenn Güter über die produktbezogenen Kriterien hinaus differenziert behandelt werden.[79]
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Eine im Inland vorgenommene Besteuerung nach CO2-Ausstoß je Produkt mit der Folge, dass z.B. eine CO2-intensiv hergestellte Tonne Stahl höher besteuert wird als eine CO2-arm hergestellte Tonne Stahl, ist zulässig. Für importierte Produkte ist dies aber nicht zulässig, da eine Besteuerung nach CO2-Ausstoß sich nicht nach den oben dargestellten vier Kriterien für Like Products ausrichtet.[80] Im Folgenden wird daher sicherheitshalber[81] bei Unterscheidung nach CO2-Ausstoß von einem Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. III:2 GATT ausgegangen.
d) Berufung auf die Ausnahmen nach Art. XX GATT
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Nach Art. XX GATT sind Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot möglich, die unilaterale Klimaschutzmaßnahmen rechtfertigen können. Eine Ausnahme, die Klimaschutzmaßnahmen oder zumindest umweltbezogene Ausnahmen direkt enthält, bietet der Art. XX GATT zwar nicht. Für umweltbezogene Fälle kann man aber den Schutz endlicher natürlicher Ressourcen[82] sowie den Schutz von Leben und Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanzen[83] als indirekte Rechtfertigungsgrundlagen heranziehen.[84] Mit anderen Worten deckt Art. XX GATT im Grundsatz auch Klimaschutz als legitimes Ziel.[85]
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Zwar zielt die CO2-Steuer alleine auf Klimaschutz. Das BTA verfolgt aber sowohl Klimaschutzziele als auch den Wettbewerbsausgleich. Nimmt man hingegen beide Komplementärmaßnahmen des Pakets zusammen, wird man insgesamt ganz überwiegend Klimaschutz als Motivation annehmen können, denn der Wettbewerbsausgleich wird ja vor allem auch zur Vermeidung von Carbon Leakage vorgenommen.
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Weiter ist erforderlich, dass das BTA einen materiellen Beitrag zum Klimaschutz leisten können muss.[86] Materieller Beitrag bedeutet, dass die Maßnahme ein Mindestmaß an Effektivität für den Klimaschutz aufweisen muss. Die Effektivität des BTA für den Klimaschutz dürfte unbestritten sein.[87] Mögliche Unsicherheiten in der genauen Wirkungsweise des Maßnahmenpaketes führen dabei nicht dazu, dass Maßnahmen per se als ineffektiv angesehen werden.[88]
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Anders als bei der Prüfung des Art. III:2 GATT dürfte Art. XX GATT auch eine Differenzierung nach nicht-produktbezogene Produktionsmethoden erlauben, solange es ein objektiver Maßstab ist. Die vier Kriterien zur Bestimmung gleicher Produkte auch bei den Ausnahmen zum Maßstab zu machen, würde dem Sinn und Zweck des Art. XX GATT widersprechen, denn diese Norm soll schließlich gerade Ausnahmen auch von jenen strengen Kriterien ermöglichen. Seit der Shrimp/Turtle-Entscheidung sind außerdem in engen Grenzen auch Maßnahmen mit extraterritorialer Wirkung möglich, sofern es das mildeste Mittel ist.