Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen. Kurt Schellhammer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kurt Schellhammer
Издательство: Bookwire
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Год издания: 0
isbn: 9783811487345
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3. Entstehung und Untergang des mittelbaren Besitzes

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      § 868 definiert den mittelbaren Besitz anhand von Beispielen, vier benannten und einem unbenannten. Danach sind mittelbare Besitzer der Nießbrauchsbesteller und der Verpfänder, der Vermieter und der Verpächter sowie jeder, der in einem „ähnlichen Verhältnis“ zu einem unmittelbaren Besitzer steht. Der gemeinsame Nenner dieser Beispiele ist laut Gesetz ein Rechtsverhältnis, das den einen gegenüber dem anderen auf Zeit zum unmittelbaren Besitz berechtigt oder verpflichtet. Ist aber das Besitzrecht des einen zeitlich begrenzt, hat der andere nach Ablauf der Besitzzeit einen Anspruch auf Rückgabe der Sache. Das sind die beiden Voraussetzungen des mittelbaren Besitzes.

      Man kann sie sogar auf eine einzige Voraussetzung reduzieren: den Anspruch auf Herausgabe der Sache nach Ablauf der Besitzzeit. Dieser Anspruch zeigt, dass der unmittelbare Besitzer sein zeitlich begrenztes Besitzrecht vom umfassenderen Besitzrecht eines anderen ableitet. Was die beiden verbindet, ist das Besitzmittlungsverhältnis. So ist es nur folgerichtig, dass der mittelbare Besitz nach § 870 durch Abtretung des Herausgabeanspruchs aus dem Besitzmittlungsverhältnis übertragen wird.

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      Mittelbarer Besitz entsteht demnach durch ein Besitzmittlungsverhältnis zweier Personen aus Vertrag oder Gesetz, das nach dem Vorbild von Nießbrauch, Pfandrecht, Miete und Pacht den einen auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zum unmittelbaren Besitz berechtigt oder verpflichtet und dem anderen nach Ablauf der Besitzzeit einen Anspruch auf Herausgabe der Sache gibt[97].

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      Beispiele

       Mittelbaren Besitz begründen:

- Verkauf und Lieferung unter Eigentumsvorbehalt (BGH 10, 69; 28, 27; NJW 53, 217; RG 135, 75; 138, 267);
- Sicherungsvertrag und Sicherungsübereignung (BGH NJW 79, 2308);
- Leihe (OLG Düsseldorf NJW 86, 2513: Recht zur privaten Nutzung eines Dienstwagens);
- Verwahrung (BGH 85, 264) und Hinterlegung (BGH WPM 69, 208: Grundschuldbrief);
- vorläufige Lagerung käuflich erworbener Ware auf dem Grundstück des Verkäufers (BGH BB 71, 241) oder von Baumaterial auf dem Baugrundstück (RG 104, 93);
- Auftrag und Geschäftsbesorgung (BGH NJW 64, 398), Lager-, Fracht- und Speditionsvertrag (BGH 32, 204; NJW 79, 2037; RG 118, 253: Unter- und Hauptspediteur), auch Geschäftsführung ohne Auftrag (BGH NJW 2009, 2530; 2012, 3781: Abschleppen eines falsch geparkten Autos);
- eheliche Lebensgemeinschaft (§ 1353) für Ehewohnung und Hausrat, die nur einem Ehegatten gehören: Beide Ehegatten sind unmittelbare Mitbesitzer und der Nichteigentümer vermittelt dem Eigentümer auch noch mittelbaren Besitz (BGH 73, 257; 67, 217);
- Eltern-Kind-Verhältnis (BGH NJW 89, 2542: Eltern beschenken ihr minderjähriges Kind nach §§ 518 II, 930);
- Verhältnis zwischen Vormund und Mündel, zwischen Vermögensbetreuer und Betreutem;
- Verhältnis zwischen Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter und Erben;
- Verhältnis zwischen Gerichtsvollzieher, Gläubiger und Schuldner nach Sachpfändung (BGH NJW 93, 936).

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      Im Normalfall entsteht mittelbarer Besitz rechtsgeschäftlich durch einen wirksamen Besitzmittlungsvertrag. Erforderlich ist das nicht. Auch ein unwirksamer Besitzmittlungsvertrag begründet dann mittelbaren Besitz, wenn der unmittelbare Besitzer den Oberbesitz des anderen anerkennt[99] und der andere einen Anspruch auf Herausgabe hat, zwar nicht aus Vertrag, aber aus Gesetz, etwa aus § 985 oder § 812[100]. Für mittelbaren Besitz genügt jeder durchsetzbare Herausgabeanspruch, den der unmittelbare Besitzer gelten lässt.

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      Da der unmittelbare Besitzer, wie die gesetzlichen Beispiele zeigen, sein Besitzrecht von einem anderen ableitet, den er als Oberbesitzer anerkennt[101], ist er stets Fremdbesitzer[102], denn der Eigenbesitzer (§ 872) anerkennt keinen höherrangigen Besitz eines anderen[103]. Auch kann man nicht gleichzeitig Eigen- und Fremdbesitzer sein[104]. Deshalb erlangt der Vermieter oder Verpächter eines Grundstücks keinen mittelbaren Besitz an Scheinbestandteilen der Miet- oder Pachtsache nach § 95, denn sie gehören dem Mieter oder Pächter, der sie folglich in Eigenbesitz hat[105].

      Man hat daraus geschlossen, dass der mittelbare Besitz einen Besitzwillen sowohl des unmittelbaren als auch des mittelbaren Besitzers erfordere, vor allem den Willen des unmittelbaren Besitzers, nur zeitlich begrenzt zu besitzen und seine Herausgabepflicht anzuerkennen[106].

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      Mittelbaren Besitz kann man auf mancherlei Art und Weise erwerben.

- Der unmittelbare Besitzer überlässt seinen Besitz auf Zeit einem anderen und erlangt so mittelbaren Besitz. Dies gilt nach § 868 für Nießbrauch und Pfandrecht, Miete und Pacht sowie zahlreiche andere Überlassungsverträge (RN 76). Hierher gehört auch der Fall, dass der Ehegatte Mitbesitz an der Ehewohnung oder dem Hausrat des anderen erlangt und dadurch dem Eigentümer-Ehegatten mittelbaren Besitz vermittelt.
- Der unmittelbare Eigenbesitzer übereignet seine Sache einem anderen nach § 930 als Sicherheit. Dadurch behält er zwar seinen unmittelbaren Besitz, aber nur noch als Fremdbesitz. Gleichzeitig vermittelt er dem Sicherungsnehmer mittelbaren Eigenbesitz.
- Noch keiner von beiden hat schon unmittelbaren Besitz, der eine soll ihn aber für den anderen erwerben, nicht als Besitzdiener nach § 855, sondern als unmittelbarer Besitzer und Besitzmittler nach § 868, so durch Einkaufskommission oder Sicherungsübereignung eines Warenlagers mit wechselndem Bestand[107].

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