Arztstrafrecht in der Praxis. Klaus Ulsenheimer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Klaus Ulsenheimer
Издательство: Bookwire
Серия: Praxis der Strafverteidigung
Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783811406421
Скачать книгу
aller notwendigen Befunde, um den Verdacht entweder zu bestätigen oder auszuschließen. Der Überweisungsauftrag umfasst dann auch die vollständige Auswertung der erhobenen Befunde. Wird hingegen die Überweisung zur Ausführung einer konkret benannten Diagnosemaßnahme vorgenommen, so beschränkt sich die geschuldete und erlaubte ärztliche Leistung auf diese Maßnahme. Es bleibt Sache des überweisenden Arztes, die Ergebnisse der Befunderhebung zu interpretieren und hieraus z.B. therapeutische Schlussfolgerungen abzuleiten“.[157] Einschränkungen des Vertrauensgrundsatzes gelten auch dann, wenn bestimmte Untersuchungen besonders fehlerträchtig oder (und) bestimmte Untersuchungsergebnisse, z.B. die falsche Blutgruppenbestimmung, für die Patienten mit besonderer Gefahr verbunden sind. Allgemein gilt hier der Satz: Je größer das Risiko eines Untersuchungsfehlers und je größer die daraus resultierende Gefährdung des Patienten, umso größere Skepsis ist geboten, anders formuliert, umso enger sind die Grenzen des Vertrauensgrundsatzes gesteckt, umso mehr Kontrolle ist anstatt unbesehener Übernahme früherer Befunde erforderlich.[158] Ein ärztlicher Urlaubsvertreter darf deshalb z.B. die von seinem Kollegen begonnene Therapie nicht ungeprüft weiterführen, wenn ausreichende Anhaltspunkte für ernste Zweifel an deren Richtigkeit für ihn erkennbar sind.[159] In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass derjenige, der an die Grenzen seines Wissens und seiner Erfahrung stößt,[160] rechtlich zur Hinzuziehung eines spezialisierten Facharztes oder Überweisung des Patienten an diesen verpflichtet ist (s.o. Rn. 96). Dann aber muss er auch auf dessen Befund oder Empfehlung vertrauen dürfen, wenn er die Behandlung fortführt, es sei denn, die Untersuchungsergebnisse oder Vorschläge des Facharztes sind offenkundig fehlerhaft oder elementare Kontrollbefunde wurden von ihm nicht erhoben (eine niedergelassene Kinderärztin unterließ im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung eines Neugeborenen die Feststellung der Blutgruppe von Mutter und Kind: Haftung auch des Geburtshelfers[161]). Deshalb darf der niedergelassene Arzt z.B. die Untersuchungsbefunde einer apparativ und personell weit besser als seine Praxis ausgestatteten Fachklinik seiner Behandlung zugrunde legen, sofern sich ihm nicht Bedenken an deren Richtigkeit aufdrängen müssen,[162] und ebenso wenig ist er dafür verantwortlich, wenn entgegen seiner Einweisungsdiagnose „Arthroskopie“ deren Vornahme im Krankenhaus – möglicherweise fehlerhaft – unterbleibt.[163] Wird dem Patienten vor der Operation aufgegeben, ein EKG vom Hausarzt anfertigen zu lassen, muss dieses entweder der Anästhesist oder der Operateur auswerten, sofern eine sachkundige Befundung noch nicht erfolgt ist.[164] Der „Arzt, der dem Patienten zu einer Operation geraten und ihn deshalb in ein Krankenhaus eingewiesen hatte“, hat damit nicht zugleich auch „die dafür notwendige Aufklärung übernommen, sondern darf davon ausgehen, die Aufklärung werde im Krankenhaus von dem operierenden Arzt oder jedenfalls von einem zum Chirurgenteam des Krankenhauses gehörenden Arzt vorgenommen werden“[165] (s. Rn. 430 ff.). Der weiterbehandelnde Arzt hat die Pflicht zu umfassender Risikoaufklärung.[166] Denn im Regelfall weiß der Einweiser nicht, welche Methode im Einzelfall gewählt wird, so dass er allenfalls eine mehr „allgemein“ gehaltene Information des Patienten vornehmen kann. Keinen Fall der horizontalen Arbeitsteilung stellt die Krankenhauseinweisung eines Patienten seitens eines niedergelassenen Arztes dar, deren Notwendigkeit später durch Gutachter bestritten wird. Denn „zwischen einweisendem Arzt und Krankenhausträger“ besteht kein Auftragsverhältnis, so dass „die Krankenhausärzte in diesen Fällen nicht Erfüllungsgehilfen des einweisenden Arztes sind“ und deshalb dieser auch „nicht für deren Verschulden gem. § 278 BGB haftet“.[167] Ob die vollstationäre Aufnahme im Krankenhaus erforderlich ist, müssen die zuständigen Krankenhausärzte prüfen (§ 39 Abs. 1 SGB V). Zusammenfassend stellt der BGH zur Abgrenzung der Verantwortungsbereiche zwischen Hausarzt und Krankenhausarzt fest:

Ähnlich deutlich stellt der BGH im Falle einer Überweisung eines Kindes vom Augenarzt in die Augenklinik fest: