aller notwendigen Befunde, um den Verdacht entweder zu bestätigen oder auszuschließen. Der Überweisungsauftrag umfasst dann auch die vollständige Auswertung der erhobenen Befunde. Wird hingegen die Überweisung zur Ausführung einer konkret benannten Diagnosemaßnahme vorgenommen, so beschränkt sich die geschuldete und erlaubte ärztliche Leistung auf diese Maßnahme. Es bleibt Sache des überweisenden Arztes, die Ergebnisse der Befunderhebung zu interpretieren und hieraus z.B. therapeutische Schlussfolgerungen abzuleiten“.[157]
Einschränkungen des Vertrauensgrundsatzes gelten auch dann, wenn bestimmte Untersuchungen besonders fehlerträchtig oder (und) bestimmte Untersuchungsergebnisse, z.B. die falsche Blutgruppenbestimmung, für die Patienten mit besonderer Gefahr verbunden sind. Allgemein gilt hier der Satz: Je größer das Risiko eines Untersuchungsfehlers und je größer die daraus resultierende Gefährdung des Patienten, umso größere Skepsis ist geboten, anders formuliert, umso enger sind die Grenzen des Vertrauensgrundsatzes gesteckt, umso mehr Kontrolle ist anstatt unbesehener Übernahme früherer Befunde erforderlich.[158] Ein ärztlicher Urlaubsvertreter darf deshalb z.B. die von seinem Kollegen begonnene Therapie nicht ungeprüft weiterführen, wenn ausreichende Anhaltspunkte für ernste Zweifel an deren Richtigkeit für ihn erkennbar sind.[159]
In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass derjenige, der an die Grenzen seines Wissens und seiner Erfahrung stößt,[160] rechtlich zur Hinzuziehung eines spezialisierten Facharztes oder Überweisung des Patienten an diesen verpflichtet ist (s.o. Rn. 96). Dann aber muss er auch auf dessen Befund oder Empfehlung vertrauen dürfen, wenn er die Behandlung fortführt, es sei denn, die Untersuchungsergebnisse oder Vorschläge des Facharztes sind offenkundig fehlerhaft oder elementare Kontrollbefunde wurden von ihm nicht erhoben (eine niedergelassene Kinderärztin unterließ im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung eines Neugeborenen die Feststellung der Blutgruppe von Mutter und Kind: Haftung auch des Geburtshelfers[161]). Deshalb darf der niedergelassene Arzt z.B. die Untersuchungsbefunde einer apparativ und personell weit besser als seine Praxis ausgestatteten Fachklinik seiner Behandlung zugrunde legen, sofern sich ihm nicht Bedenken an deren Richtigkeit aufdrängen müssen,[162] und ebenso wenig ist er dafür verantwortlich, wenn entgegen seiner Einweisungsdiagnose „Arthroskopie“ deren Vornahme im Krankenhaus – möglicherweise fehlerhaft – unterbleibt.[163] Wird dem Patienten vor der Operation aufgegeben, ein EKG vom Hausarzt anfertigen zu lassen, muss dieses entweder der Anästhesist oder der Operateur auswerten, sofern eine sachkundige Befundung noch nicht erfolgt ist.[164]
Der „Arzt, der dem Patienten zu einer Operation geraten und ihn deshalb in ein Krankenhaus eingewiesen hatte“, hat damit nicht zugleich auch „die dafür notwendige Aufklärung übernommen, sondern darf davon ausgehen, die Aufklärung werde im Krankenhaus von dem operierenden Arzt oder jedenfalls von einem zum Chirurgenteam des Krankenhauses gehörenden Arzt vorgenommen werden“[165] (s. Rn. 430 ff.). Der weiterbehandelnde Arzt hat die Pflicht zu umfassender Risikoaufklärung.[166] Denn im Regelfall weiß der Einweiser nicht, welche Methode im Einzelfall gewählt wird, so dass er allenfalls eine mehr „allgemein“ gehaltene Information des Patienten vornehmen kann.
Keinen Fall der horizontalen Arbeitsteilung stellt die Krankenhauseinweisung eines Patienten seitens eines niedergelassenen Arztes dar, deren Notwendigkeit später durch Gutachter bestritten wird. Denn „zwischen einweisendem Arzt und Krankenhausträger“ besteht kein Auftragsverhältnis, so dass „die Krankenhausärzte in diesen Fällen nicht Erfüllungsgehilfen des einweisenden Arztes sind“ und deshalb dieser auch „nicht für deren Verschulden gem. § 278 BGB haftet“.[167] Ob die vollstationäre Aufnahme im Krankenhaus erforderlich ist, müssen die zuständigen Krankenhausärzte prüfen (§ 39 Abs. 1 SGB V).
Zusammenfassend stellt der BGH zur Abgrenzung der Verantwortungsbereiche zwischen Hausarzt und Krankenhausarzt fest:
„Die Verantwortung für die Behandlung des Patienten geht mit dessen Überweisung an das Krankenhaus auf die Ärzte dieses Krankenhauses über, die weder seine Erfüllungs- noch Verrichtungsgehilfen sind […]Im Allgemeinen wird der Hausarzt sich zwar darauf verlassen dürfen, dass die Klinikärzte seine Patienten richtig behandelt und beraten haben, und meist wird er auf deren bessere Sachkunde und größere Erfahrung vertrauen dürfen. Anders ist es aber dann, wenn der Hausarzt ohne besondere weitere Untersuchungen aufgrund der bei ihm vorauszusetzenden Kenntnisse und Erfahrungen erkennt oder erkennen muss, dass ernste Zweifel an der Richtigkeit der Krankenhausbehandlung und der dort seinem Patienten gegebenen ärztlichen Ratschläge bestehen. Er darf im Rahmen seiner eigenen ärztlichen Sorgfaltspflichten dem Patienten gegenüber offenbare Versehen oder ins Auge springende Unrichtigkeiten nicht unterdrücken“. Diese muss er, „gegebenenfalls nach Rücksprache mit den Kollegen im Krankenhaus, mit seinem Patienten erörtern. Kein Arzt, der es besser weiß, darf sehenden Auges eine Gefährdung seines Patienten hinnehmen, wenn ein anderer Arzt seiner Ansicht nach etwas falsch gemacht hat oder er jedenfalls den dringenden Verdacht haben muss, es könne ein Fehler vorgekommen sein. Das gebietet der Schutz des dem Arzt anvertrauten Patienten“.
[168]
Ähnlich deutlich stellt der BGH im Falle einer Überweisung eines Kindes vom Augenarzt in die Augenklinik fest:
„Grundsätzlich ist der hinzugezogene Arzt an den Auftrag des überweisenden Arztes gebunden und darf eigenmächtig keine weitergehenden Untersuchungs- oder Behandlungsmaßnahmen durchführen […] Diese Bindung des hinzugezogenen Arztes an den Überweisungsauftrag bedeutet indessen nicht, dass dessen Tätigkeit lediglich auf die technische Ausführung des Auftrags begrenzt, die Funktion des zugezogenen Arztes also lediglich in der eines Werkzeuges ohne eigene Verantwortung zu sehen wäre. Der hinzugezogene Arzt übernimmt vielmehr im Rahmen des Überweisungsauftrags in gewissem Umfang auch eigenständige Pflichten. Er bestimmt in eigener Verantwortung nicht nur die Art und Weise der Leistungserbringung (z.B. die Bestimmung der Strahlendosis durch den Radiologen), sondern er muss auch prüfen, ob die von ihm erbetene Leistung den Regeln der ärztlichen Kunst entspricht und nicht etwa kontraindiziert ist. Ebenso muss er prüfen, ob die von ihm erbetene Leistung ärztlich sinnvoll ist, ob also der Auftrag von dem überweisenden Arzt richtig gestellt ist und dem Krankheitsbild entspricht. Im Allgemeinen kann sich zwar der zur Vornahme einer bestimmten Leistung hinzugezogene Arzt darauf verlassen, dass der überweisende Arzt, jedenfalls wenn er derselben Fachrichtung angehört, den Patienten in seinem Verantwortungsbereich sorgfältig und ordnungsgemäß untersucht und behandelt hat und die Indikation zu der erbetenen Leistung zutreffend gestellt ist. Hat der hinzugezogene Arzt jedoch aufgrund bestimmter Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit der ihm übermittelten Diagnose, dann muss er diesem Zweifel nachgehen und darf sie nicht auf sich beruhen lassen. Das gilt insbesondere dann, wenn sich der überweisende Arzt an einen Spezialisten oder an eine Klinik wegen einer Leistung wendet, die er selbst nicht erbringen kann“.
[169]
Im Rahmen eines gemäß § 39 Abs. 1a SGB V umfassend zu etablierenden Entlassmanagements (siehe dazu bereits Rn. 214) hat zum Abschluss stationärer Behandlung unter anderem eine ärztliche Untersuchung zu erfolgen. Insbesondere über deren Ergebnis ist sowohl der Patient (im Sinne therapeutischer Aufklärung) als auch der die Anschlussversorgung durchführende Arzt (z.B. Hausarzt, einweisender Arzt) vermittels eines (evtl. auch vorläufigen) Entlassbriefs zu unterrichten.[170]In diesem Entlassbrief sind insbesondere gestellte Diagnosen, der Entlassungsbefund und das weitere Prozedere bzw. „Empfehlungen“ dazu auszuführen. Allerdings ist der Weiterbehandelnde (z.B. niedergelassene Arzt) an solche Empfehlungen nicht wie ein „Befehlsempfänger“ gebunden. Er entscheidet vielmehr im Rahmen der Therapiefreiheit und Behandlungsnotwendigkeit über die jeweils indizierte Therapie samt Medikation auf der Grundlage