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Kurz: So, wie sie in das Gesetz Eingang gefunden hat, ist die Urteilsabsprache bei unbefangener Betrachtung nichts weiter als eine Regelung bestimmter, aufeinander abgestimmter Verfahrenshandlungen wie etwa der Einstellungsbeschluss nach § 153a nebst der Einholung der hierfür erforderlichen Zustimmungserklärungen. Nun sind Prozesshandlungen bekanntlich bedingungsfeindlich und normalerweise auch einem Widerruf entzogen, so dass die Verwendung des Begriffs der „Bindungswirkung“ an sich überflüssig gewesen wäre. Sie erklärt sich aber zwanglos aus der geschichtlichen Entwicklung: Der Gesetzgeber hat vor dem Hintergrund der jahrzehntelang ergangenen Rechtsprechung des BGH entschieden.
3. Terminologie und Gang der Darstellung
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Begrifflich löst sich indes die hier gegebene Darstellung bis zum gewissen Grade vom Gesetz. Soweit dieses nun in § 257c den allgemeinen Begriff der Verständigung auf die Urteilsabsprache einzuengen scheint, sieht man sich auf den ersten Blick gezwungen, einen neuen Oberbegriff für alle verfahrensbeendende Verständigungen zu finden. Wir nehmen uns die Freiheit, die Verständigung, wie das Gesetz sie regelt, als Spezialfall der verfahrensbeendigenden Verständigung allgemein zu betrachten, was dem Gesetz nicht zu entnehmen ist, aber auch nicht im Widerspruch zu den Formulierungen in § 257c steht. Daher wird hier im Folgenden die Urteilsabsprache als Verständigung im Sinne des § 257c bezeichnet, während die Begriffe Verständigung und Absprache in einem allgemeinen Sinne als Synonyme gebraucht werden und einfach wertneutral den Vorgang der kommunikativ zustande gekommenen Übereinstimmung zwischen Verfahrensbeteiligten entweder über ein bestimmtes Verfahrensergebnis oder über einzelne Verfahrensschritte beschreiben.
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Nach der zuletzt genannten Distinktion richtet sich sodann der Aufbau des Werks im Übrigen: Wir behandeln einverständliche Verfahrensbeendigungen in den Teilen zwei und drei, ihre Folgen in Teil vier sowie konsensuale Verfahrensweisen (Absprachen), die auf andere, nicht verfahrensbeendende Maßnahmenentscheidungen gerichtet sind, in Teil fünf. In Teil sechs folgen einige Praxishinweise.
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Was aus dem Vorgängerwerk bleibt, ist die Ablehnung des Begriffs „Deal“. Urteile werden im deutschen Strafprozessrecht nach wie vor nicht ausgehandelt, und es werden auch keine vertragsähnlichen Vereinbarungen geschlossen. Vielmehr schlägt das Gericht in einer bestimmten Form eine bestimmte Verfahrensweise vor und die anderen Verfahrensbeteiligten stimmen zu. Begriffe, die an Vertragsmodelle allgemein oder gar an anrüchige, von der Rechtsordnung nicht tolerierte Formen des Leistungsaustauschs erinnern, sollten tunlich vermieden werden.
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Vollständig erledigt ist die allgemeine Befassung mit dem Phänomen der Urteilsabsprache sowie den schon länger von der StPO geregelten, dieser verwandten Arten konsensualer Verfahrenserledigung, aber auch mit diesen Hinweisen zur Terminologie jedoch noch nicht. Neben der pur rechtsdogmatischen Perspektive sollte sich der in der Praxis handelnde Strafjurist als Bürger eines demokratisch verfassten Rechtsstaats stets auch die Frage nach der ethischen Dimension seines Verhaltens stellen. Dafür spielt nicht alleine das Gesetz eine Rolle, sondern auch das rechtshistorische, rechtskulturelle und rechtsethische Umfeld, in dem sich der Einzelne bewegt. Die Forderung nach anständigem Verhalten aller Beteiligten rechtfertigt den Blick zurück (Wie hat sich die StPO eigentlich zu einer für „abgesprochene“ oder sonst von Konsens getragenen Verfahrensbeendigungen empfängliche Prozessordnung entwickelt?) wie auch nach vorne (Wie ist, speziell aus Sicht des Strafverteidigers einerseits, das Gebundensein an das geltende Recht, andererseits die Verpflichtung, die Interessen des Mandanten zu wahren, im Verhältnis zueinander zu sehen?). Auf diese beiden Gesichtspunkte sei im Folgenden, diesen ersten Teil abschließend, noch eingegangen.
Teil 1 Grundlagen: Für den Konsens, gegen den „Deal“ › C › II. Mutmaßliche Ursachen der Stärkung konsensualer Elemente im Strafprozess
1. Von der Vergeltung zur Prävention
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Fragt man nach den Ursachen der Entwicklung des Strafprozesses weg vom Konfrontativen hin zum Konsensualen spricht dabei zunächst manches für die Annahme, dass der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfolgte Paradigmenwechsel in der Strafzwecklehre mit dem Siegeszug der präventiven Theorien nicht ohne Rückwirkungen auf die Art und Weise der Durchführung von Strafverfahren geblieben ist.[22]
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Unter dem Regime der zuvor herrschenden Vergeltungstheorien lag es nahe, das Strafverfahren als nicht-kommunikativen, nicht-konstruktiven, nicht auf Konsens ausgerichteten Vorgang zu begreifen. Schließlich ist die Perspektive der Vergeltungstheorie rückwärtsgewandt. Es geht nicht um zukünftige Entwicklungen, um Wirkungen der Verurteilung auf den Täter oder die Gesellschaft, sondern primär um das Ideal der Gerechtigkeit, um dessentwillen der in der Vergangenheit geschehene, individuell zurechenbare Rechtsbruch eine Übelszufügung zu Lasten des Zurechnungssubjektes nach sich ziehen muss. Aus diesem Verständnis heraus ist es folgerichtig, Wahrheitsfindung und strikte Grundsatztreue einschließlich der Wahrung der Formen, stets mit dem Ziel des möglichst gerechten Urteils, möglichst ohne Abstriche zu verwirklichen.
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Durch die Präventivtheorien wird die aufklärerische Sicht von der Notwendigkeit der Strafe selbst nach vollständiger Auflösung des Gemeinwesens nicht oder jedenfalls nicht mehr in völliger Konsequenz durchgehalten. Dafür rücken – je nach Spielart der jeweils vertretenen Lehre – Gesichtspunkte wie das Signal, das von Führung und Ergebnis des Strafverfahrens für die Gesellschaft ausgeht, die Einsicht des Täters in das Unrecht seiner Tat, sein „Nachtatverhalten“ und allgemein die Frage der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Bestrafung, die nur relativ zu bestimmten damit verfolgten Zwecken bestimmt werden kann, in den Vordergrund. Das dürfte auch für die Theorie der positiven Generalprävention gelten: Wenn die Straftat ein Skandalon darstellt, auf das zur Beruhigung oder Einübung in Normtreue reagiert werden muss, dann ermöglicht es zumindest ein justiz-alltägliches Verständnis dieser Strafzwecklehre, die Art und Weise der staatlichen Reaktion in Relation zu der konkret empfundenen Befindlichkeit der öffentlichen Meinung, aber auch der Verfahrensbeteiligten zu setzen. Zugespitzt: Straftheorien, in denen Gerechtigkeit ganz oder teilweise unter den Vorbehalt der Zweckmäßigkeit gestellt wird, begünstigen ein Strafverfahren, in dem Wahrheitsfindung auch unter Opportunitätsgesichtspunkten gesehen wird.[23] Dass diese Entwicklung längst nicht abgeschlossen ist, zeigt beispielsweise die im Jahr 2009 eingeführte Vorschrift § 46b StGB[24], nach der nicht nur Aufklärungs-, sondern auch Präventionshilfe strafmildernd berücksichtigt werden kann – und das nach der ursprünglichen Fassung dieser Vorschrift selbst dann, wenn sie im Zusammenhang mit ganz anderen als der aktuell verfolgten (vermeintlichen) Tat geleistet wird.
2. Das „Opfer“ als Prozesssubjekt
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Die Relativierung von Idealen wie Wahrheit und Gerechtigkeit zu Gunsten eher pragmatischer und zweckorientierter Betrachtungsweisen hat eine besondere Ausprägung auch in der Stärkung der Rolle der von Straftaten (mutmaßlich) betroffenen Personen gefunden, die heute vielfach in der StPO vorzufinden ist. Vor dem Hintergrund viktimologischer Studien ist in den letzten Jahrzehnten das „Tatopfer“ vom Rand deutlich mehr in das Zentrum des öffentlichen Bewusstseins und sodann auch des Strafprozesses und des Strafprozessrechts gerückt.